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Site-Info: Editorial > Coaster Basics > Typhoon > Wie entsteht eine Achterbahn: Seite 9

Typhoon - Wie entsteht eine Achterbahn: Testen, optimieren, justieren

Die Steuerung im Trockentest

Stahl- und Maschinenbau bilden zwei der drei Hauptpfeiler, auf denen jede Achterbahn aufbaut, die Elektro- und Steuerungstechnik den dritten. Ohne Sensoren, kilometerlange Kabelbündel und auf Hochgeschwindigkeitsprozessoren in Echtzeit ablaufende Sicherheitssteuerungen könnte heutzutage keine Achterbahn ans Netz gehen, vor allem nicht, wenn sich wie bei Typhoon bis zu acht Fahrzeuge gleichzeitig auf dem engen Berg- und Talkurs bewegen.

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Die vollautomatische Steuerung garantiert einen risikolosen Betrieb. Selbst die kleinsten Abweichungen der eingehenden Signale vom Sollzustand werden registriert, in wenigen tausendstel Sekunden ausgewertet und die notwendigen Steuerbefehle an die mechanischen Bauteile wie Bremsen oder Motoren weitergegeben. Sollte beispielsweise ein Wagen nicht im vorgegebenen Zeitfenster einen Streckenabschnitt absolvieren, werden direkt die Sicherheitsbremsen aktiviert, um alle Fahrzeuge kontrolliert zum Stillstand zu bringen. Sicherheit wird beim kalkulierten Thrill groß geschrieben.

Das Einmaleins der Achterbahnsteuerung

Die mannshohen Schaltschränke werden bei Gerstlauer "inhouse" mit Schaltelementen bestückt

Wie jede moderne Achterbahn besitzt auch Typhoon ein Blocksystem. Der Parcours ist in Abschnitte unterteilt, wobei an den Übergängen Bremselemente positioniert sind. Um Auffahrunfälle auszuschließen, darf ein Block stets nur von einem Fahrzeug befahren werden. Die Sicherheitssteuerung sorgt mit ihrem Regelwerk dafür, dass die Bremsen vor einem Block erst dann geöffnet werden können, wenn die Sensoren am Ende des Blocks die Durchfahrt des vorlaufenden Wagens registriert haben und der Streckenabschnitt somit frei ist. Die simultan auf der Strecke befindlichen Fahrzeuge sind also immer mindestens durch einen Bremsabschnitt voneinander getrennt und können im Notfall sicher zum Stillstand gebracht werden.

Das Steuerungssystem ist zu jedem Zeitpunkt über den Zustand sämtlicher verbauter Mechanismen informiert. Über ein schnelles Bussystem werden zwei getrennt voneinander arbeitenden Prozessorsysteme mit dem Input der Sensoren an der Bahn versorgt. Diese arbeiten hauptsächlich berührungslos, andere sind Schalter mit einem Kontakthebel, der von einer Kulisse mechanisch aktiviert wird. Die Rechensysteme verarbeiten die Daten in Echtzeit und regeln auf Basis dieser die gesamten Abläufe der Anlage. Die PLC-Systeme (Programmable Logic Controller) arbeiten nach einfachen logischen Prinzipien: "Wenn Schalter 1 aktiviert, dann Bremse 1 schließen". Verknüpft man solche Regeln, entsteht ein komplexes Regelwerk, welches in Echtzeit nur noch von einem Rechner bewältigt werden kann.

Als Output liefert das Steuerungssystem wieder Stromimpulse, mit denen Motoren aktiviert oder Magnete zum Öffnen und Schließen von Ventilen in Pneumatikkreisläufen angesteuert werden. Typhoon läuft vollkommen automatisch.

Arbeiten gegen die Uhr

Näherungsschalter erfassen im Bremsabschnitt die Position und Geschwindigkeit der Fahrzeuge

Die dafür notwendige Computerlogik wird für jede Achterbahn aus sogenannten Prozeduren, kleinen, eigenständigen Rechenroutinen, neu zusammengestellt. Im Hause Gerstlauer wird diese Leistung komplett eigenständig durchgeführt. "Mit dem Schreiben von Software und der Verkabelung von Achterbahnen sind wir schließlich ins Vergnügungsanlagengeschäft gekommen," sagt Hubert Gerstlauer. Ein halbes Jahr vor der anvisierten Eröffnung der Bahn im Bobbejaanland wurde mit der Programmierung begonnen. Da sich die Loopingbahn zu diesem Zeitpunkt gerade im Aufbau befand, behalfen sich die Spezialisten der Firma Gerstlauer einer simplen Methode, um den Programmcode der Steuerungs- und Visualisierungssoftware schon im "trockenen" zu testen. Eine zweite Rechnereinheit simulierte einfach die Typhoon Bahn. Somit konnten alle notwendigen Funktionen implementiert und die meisten Fehler beseitigt werden, ohne dass jemals ein Motor tatsächlich ein- und ausgeschaltet wurde, der Wagen die Sensoren passierte oder Pneumatikventile betätigt wurden.

Durchfahrt der Blockbremse

Mitte November 2003 konnte die Optimierung auf dem Außengelände an der "realen" Typhoon Achterbahn fortgesetzt werden. Gerade elektrische Komponenten wie die verbauten Motoren und Sensoren können eine Eigendynamik entwickeln, die im Computer nicht simuliert werden kann. Vor allem die finale Justierung der Sensoren benötigt viel Geduld und Fingerspitzengefühl. Üblicherweise reagieren die Sensorelemente der Achterbahnen auf Metall und werden als Näherungsschalter bezeichnet. Ein am Fahrzeug angebrachtes Metallprofil auf der Höhe des Sensors ist dafür ausreichend. Wenn dieses Profil in einem Abstand von ein bis zwei Zentimetern am Sensor"schalter" vorbeigeführt wird, wechselt dessen Zustand von 0 auf 1 und die Steuerung erkennt, dass der Wagen gerade den Sensor passiert. Die kleinen, den Sensor beherbergenden Kästchen sind mittels Schraubverbindungen an einer Profilleiste zwischen den Schienenrohren angebracht und können einige Zentimeter zur berechneten Idealposition vor- oder zurückgeschoben werden. Schließlich muss das Timing mit der Geschwindigkeit der Wagen korrespondieren, denn bei einer Zugfolge von 20 Sekunden kann schon ein halber Meter Wegstrecke über einen reibungslosen Ablauf entscheiden. Erst während der intensiven Praxistests kann die endgültige Position der Näherungsschalter festgelegt werden.

Ein herkömmlicher Bremsabschnitt bedarf rund 10 bis 15 solcher Sensoren, welche die Position sowie über eine zusätzliche Zeitmessung die Geschwindigkeit des Fahrzeugs zwischen zwei Messpunkten überwachen und den Zustand der Bremse abfragen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die unterschiedliche Dynamik der Wagen, da die Geschwindigkeit sowie das Beschleunigungs- und Verzögerungsverhaltens grundsätzlich von der Beladung und der Einstellung der Lauf-, Seiten- und Gegenräder abhängt. "Rundenzeiten mit Abweichungen von bis zu 25 Prozent sind bei Einzelfahrzeugen üblich," sagt der Elektrofachmann Erwin Haider. Ein entsprechender Spielraum in der Steuerung ist deshalb zwingend notwendig: "Wir müssen alle möglichen Zustände durchspielen."

Dies beginnt mit der einwandfreien Funktionsprüfung der Sensoren, welche nur den Zustand ein oder aus erfassen können. "Wir klemmen für den Eingangstest einen Sensor nach dem anderen ab und kontrollieren, ob das System den Zustand "0" erkennt," erklärt Erwin Haider. Dieser Arbeitsschritt fällt unter den Oberbegriff I/O-Test, der Überprüfung von Input (eingehenden Daten zum Schaltschrank) und Output (Steuerungssignale vom Schaltschrank zu den Motoren und Schaltzylindern).

Der Testbetrieb läuft

Anschließend wird die Anlage in den Testbetrieb genommen und der "Dynamikfaktor" der Achterbahnwagen mit ins Spiel gebracht. Bei einer Gesamtzahl von 200 Sensoren, Motoren und Ventilen ist es nicht immer einfach, den Überblick zu behalten, doch letztendlich muss alles einwandfrei funktionieren, um die höchstmögliche Sicherheit zu garantieren.

Die Gerstlauer Techniker und Programmierer haben dazu zur kältesten Jahreszeit einen Baucontainer inmitten der temporär auf dem Firmengelände aufgebauten Achterbahn bezogen. Dort treffen alle Kabel zusammen, denn hier steht das Herz der Achterbahn. Hinter einer 6-Meter Front von Schaltschranktüren verbirgt sich die empfindliche Elektronik. Leistungsschütze, I/O Karten, Analog/Digitalwandler oder die beiden unabhängig voneinander arbeitenden Mikrocomputer der SPS (Speicherprogrammierbare Steuerungwurden, der deutsche Begriff für PLC) in diesen Schränken miteinander zu einem Netzwerk verdrahtet.

Zug in der StationDie High Tech Schiene im Detail

Links: Im Baucontainer erhält die Steuerung den letzten Schliff - rechts: Erwin Haider erläutert die Funktion der Schütze

Im Bobbejaanland werden die Schaltschränke unterhalb der Station Platz finden und nur ein kleines Steuerpult mitsamt Bildschirm wird den Bediener über den Zustand der Achterbahn informieren. "Falsch gemacht werden kann dann nichts mehr, denn jede moderne Achterbahn wird in einem Automatikmodus betrieben," erklärt Erwin Haider. Zwischen der Stationsaus- und einfahrt geschehen alle Abläufe vollautomatisch.

Die Achterbahn regelt sich selbst, jeder vom Normalfall abweichende Vorgang wird von den Sensoren erfasst, jeder Defekt eines Bauteils wird durch eine Logikkette registriert und führt zu einer Sicherheitsabschaltung. Ein Handbetrieb ist nur möglich, wenn die Wagen eine Leerfahrt absolvieren. Dazu bedarf es eines extra Schlüssels, über den üblicherweise nur das Technikpersonal in den Parks verfügt. Der Operator kontrolliert ausschließlich den Ablauf der Fahrzeuge im Stationsbereich, und selbst dieser gehorcht festen Abläufen. Das Stationspersonal wird von Gerstlauer vor Ort geschult, die Sicherheitsbügel nach Sitzeinnahme zu überprüfen. Erst wenn alle Operatoren vom sicheren und festen Sitz der Bügel überzeugt sind, darf das Fahrzeug mittels Handzeichen freigegeben werden. Und für den Fall der Fälle gibt es noch den Notausknopf.

Mitte Dezember 2003 war das Testprogramm von Typhoon zu 90 Prozent abgeschlossen. "Heute wird der senkrechte Liftaufzug optimiert," erklärt Erwin Haider. Aufgrund der hohen Fahrzeugzahl ist es notwendig, dass zwei Wagen gleichzeitig von der Kette nach oben geschoben werden können. Dies erfordert einen hohen Programmieraufwand, da die Geschwindigkeit der Kette verlangsamt werden muss, wenn das nächste Fahrzeug vom Mitnehmer erfasst wird. Schon den gesamten Vormittag haben zwei Techniker damit verbracht, kleinere Anpassungen im Programmcode vorzunehmen. "Etwas Hektik kommt schon auf, wenn selbst nach etlichen Versuchen der Ablauf nicht so flüssig ist, wie wir es uns eigentlich vorgestellt haben," sagt Erwin Haider. "Doch eine Lösung finden wir immer." Abends läuft dann alles zur vollsten Zufriedenheit und das Technikerteam des nahen Legolands kommt noch zu seiner versprochenen Testfahrt.

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