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Site-Info: Editorial > Coaster Basics > Typhoon > Wie entsteht eine Achterbahn: Seite 4

Typhoon - Wie entsteht eine Achterbahn: Idee

Der erste Entwurf im Grundriss

"Solche Ideen entwickelt man am Sonntagnachmittag", resümiert Hubert Gerstlauer mit Blick auf das vor ihm stehende Drahtmodell der Loopingbahn Typhoon. Der namensgebende Gründer und Inhaber der Gerstlauer Elektro GmbH blättert in einem vollgepackten Aktenordner und zieht ein Blatt heraus: "Das war meine allererste Skizze."

Auf dem Karopapier ist ein fein säuberlicher Grundriss dargestellt. "Hier erkennt man den Turm und dort den Vertikallooping." Folgt man der Linie in Pfeilrichtung weiter, wird zweifelsohne das Layout ersichtlich, welches die Loopingbahn Typhoon repräsentiert - wenn auch in spiegelverkehrter Ausführung.

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• Gerstlauers offizielle Webseite

Die Unternehmensphilosophie des Firmengründers Hubert Gerstlauer ist eindeutig: Das Medium Achterbahn soll zwar die Besucher begeistern und sie an immer wieder neue Extreme heranführen, die Konstruktion aber trotzdem im überschaubaren Rahmen bleiben und wenig Fehlerpotential aufweisen. Im Achterbahnbau ist dies ein schwieriges Unterfangen, dem vor allem um die Jahrtausendwende mehrere Unternehmen ihren Tribut zollen mussten (siehe "Portrait der Gerstlauer Elektro GmbH").

Konkretisierung der Idee

So legte Hubert Gerstlauer schon bei seinen ersten Prinzipskizzen für das Euro-Fighter Projekt eindeutig die Details der Konstruktion fest. "Mir war von Anfang an klar, dass ich beim Lift eine Kette verwenden würde, da wir auf diesem Gebiet unsere Erfahrungen haben." Andere Prinziplösungen wie beispielsweise ein Stahlseil oder lineare Induktionsmotoren wurden von Anfang an nicht in Erwägung gezogen. Dabei ist dies nur ein Beispiel von vielen. Nachdem der Unternehmer Gerstlauer den Turmlift in Gedanken umrissen hatte, wurde dieser alsbald zu Papier gebracht. "Anfangs sollte das Fahrzeug über eine Klappschiene in die senkrechte Position gebracht werden, um den Turm zu erklimmen. Dann kam mir die Idee eines engen gekrümmten Überganges und dieser war die weitaus bessere Wahl," beschreibt er seine Gedankengänge. Das Fahrzeug wird von einem an der Kette angebrachten Mitnehmer erfasst und den Turm hochgeschoben, bis es an seiner Spitze über einen engen Radius über die Kuppe fährt und im freien Fall gen Boden rauscht. Dabei ist die Abfahrt derart gestaltet, dass die Chaise ohne Einsatz von Zwangsbremsen steiler als senkrecht den Turm regelrecht im freien Fall hinabstürzt. Wieso gerade ein Winkel von 97° gewählt wurde, beantwortet unser Gegenüber kurz und knapp: "Das ergab sich einfach."

Der Detailgrad innerhalb der vielen persönlich angefertigten Freihandskizzen ist erstaunlich: An der Positionierung der Blockbremsen im Grundriss des Layouts hat sich bis heute nichts geändert, selbst die Kasse nebst Wartebereich und die Fotoausgabe sind erkennbar. "Mein erster Gedanke war eine transportable Loopingbahn," erinnert sich Hubert Gerstlauer, "so dass die Grundmaße und die Kapazität die bestimmenden Voraussetzungen waren." Ein striktes Vorgehen anhand von zielbestimmenden Grundparametern ist eindeutig erkennbar: Einzelfahrzeuge befahren ein rechteckiges, kantiges Layout in mehreren Ebenen, die Turmkonstruktion nebst dem nachfolgenden Vertikallooping sind die bestimmenden Merkmale, danach wechseln sich Abfahrten, enge Kurven und Kreiselfiguren ab.

Der erste Fahrzeugentwurf

Der Grundidee einer mobilen Anlage wurde jedoch nicht nur durch konstruktive Dinge wie Sohleelementen und einem Konusstecksystem für die Anbringung der Böcke bzw. Stützen besondere Rechnung getragen. Das Kirmespublikum zahlt schließlich für jede Fahrt einzeln und will daher immer wieder vom neuem überzeugt werden. Daher ist die Anlagenfront zur Publikumsseite hin sehr offen gestaltet. Der auffällige und zum Zeitpunkt der Ideefindung völlig neuartige Turmlift lenkt alle Blicke auf sich. Schauen die Besucher durch den sich anschließenden Vertikallooping, so umschließt dieser einem Bilderrahmen gleich die beiden hintereinanderfolgenden Heartline Rolls. Gleiches gilt auch für die vierte Inversion, wiederum eine Heartline Roll, die direkt in einen abwärts gerichteten Kreisel führt. Im ersten Entwurf war diese noch nicht vorgesehen. Die Loopingbahn erscheint zwar im Modell etwas streng geometrisch aufgeteilt, doch steht man vor der Front der Bahn, wird das von Hubert Gerstlauer gewollt inszenierte "Bild" exakt wiedergegeben.

Der Unternehmer blättert weiter, zeigt erste Entwürfe für die Stützen, die Anbringung der Schiene am Turmlift und das Schienenprofil. Wie bei allen seinen Bahnen sollte auch hier die Zweigurtschiene mit ihren beiden Fahrrohren und den angeschweißten Querriegeln zum Einsatz kommen. Bei kompakten Bahnen ist dieses Schienenprofil der beste Kompromiss zwischen Stabilität, Transportfähigkeit und Kosten. Zwar sind die Stützen im Vergleich zu massiveren Dreigurt- oder Viergurtschienen enger zu platzieren, was ein größeres Volumen und somit höhere Materialkosten erfordert, jedoch kann diese Schienengeometrie weitaus günstiger hergestellt werden.

Als letztes kommt Hubert Gerstlauer zum Entwurf des Fahrzeugs: "Mit einem Zug wäre der enge Radius an der Turmspitze nie fahrbar gewesen, auch die anderen engen Kurvenradien nicht." Um die zu Anfang festgelegte Kapazität von etwa 1.400 Personen pro Stunde zu erreichen, wurde neben einer hohen Blockzahl auf der rund 670 Meter langen Strecke die Anzahl der Mitfahrer durch die Wahl von Viererreihen gegenüber den bislang von Gerstlauer verwendeten Fahrzeugen verdoppelt. Die Positionierung mehrerer Mitnehmer an der Kette garantiert die hohe Taktzahl von drei Wagen in der Minute. Gleichzeitig können sogar zwei Fahrzeuge den Turm emporgeschoben werden.

Bei der Gestaltung des Fahrzeugs setzte Gerstlauer auf ein geräumiges Design, so dass die Fahrgäste problemlos die Sitze einnehmen können - Für schnelle Fahrgastwechsel eine Grundvoraussetzung. Die erste Skizze bestimmte wiederum die Richtung: Die Form des Chassis mit seiner kleinen, abgerundeten Vorderfront wurde später 1:1 realisiert. Und nicht nur im äußeren Erscheinungsbild gleicht die Handzeichnung der späteren Umsetzung, auch im Bereich des Fahrwerks ist die Richtung von Hubert Gerstlauer eindeutig vorgegeben worden. Statt an zwei Achsen befestigt zu sein, sind die vier Rädergruppen einzeln über einen Königsbolzen senkrecht aufgehängt. Dieses Fahrwerkskonzept wird durch den Oberbegriff Achsschenkellenkung klassifiziert. Eine Zweiteilung des Fahrzeugs mittels einer Kupplung garantiert die spätere Beweglichkeit in den engen Kurvenabschnitten und den Heartline Rolls.

Ein Fall für die Schublade?!

Trotz ihres hohen Detaillierungsgrades verschwanden die Ende der 90er Jahre angefertigten Zeichnungen und Ideen in der Schublade, an eine Realisierung wurde zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gedacht. Als dann jedoch im Jahre 2000 eine Konzeptzeichnung der Konkurrenz in einer Fachzeitschrift für Kirmes und Freizeitparks abgebildet war, die ein ähnliches Konzept für den transportablen Markt erkennen ließ, wurde Hubert Gerstlauer hellhörig. Sogar ein Schausteller war benannt, und dies führte in Münsterhausen zu einer regelrechten Forcierung des Projektes Euro-Fighter. Ohne die exakte Dynamik und Statik zu betrachten kümmerte sich sein Neffe Siegfried Gerstlauer im Januar 2001 um die Ausarbeitung der Entwürfe. Dabei wurde ein Grundriss im CAD System Auto Cad erstellt, in dem Paletten und die Sohle grob ausgestaltet wurden. Auf diesen ruhen neben der Stationsschiene, dem Turm und dem Vertikallooping auch die einzelnen Böcke und Stützen der Bahn.

Das Drahtmodell der Achterbahn...

Zusätzlich wurde eine Abwicklung der Schiene erstellt. Beide Zeichnungen bildeten die Grundlage für ein Modell, welches auf den kommenden Messen präsentiert werden sollte. Die IAAPA, die größte Branchenmesse in den USA, stand an, zwei Monate später folgte mit der Interschau/Euroshow das europäische Pendant in Düsseldorf.

Das filigrane, aus dünnen Stahlstreben gelötete Modell sorgte bei den Parkverantwortlichen für Aufmerksamkeit, jedoch nicht beim favorisierten Schaustellerpublikum. "Zwar gab es einen Schausteller, der an einer Realisierung sehr interessiert war," erinnert sich Hubert Gerstlauer, "doch dieser wollte für einen gewissen Zeitraum die Exklusivrechte am Euro-Fighter für sich beanspruchen." Für den Unternehmer eine völlig indiskutable Forderung, schließlich zeigten diverse Parks intensives Interesse. Unter ihnen war auch das Bobbejaanlandes, vertreten durch den Juniorchef Jacky Schoepen, der eher zufällig am Messestand auf den Hersteller und das Modell aufmerksam wurde. Für die Firma Gerstlauer war die Präsentation ein voller Erfolg: Im Juni 2001 stand die Vertragsunterzeichnung für den Prototypen an, wenn auch nicht mit dem Bobbejaanland.

...welches für Pressepräsentationen genutzt wurde

Das Bonbon-Land, ein dänischer Familienpark, entschloss sich für das Konzept mit dem neuartigen Vertikalaufzug und Absturz und erreichte in der Premierensaison 2003 einen Publikumszuwachs von satten 18 Prozent. Das Layout wurde aber komplett neu definiert, da die Charakteristik des Modellentwurfes für das dortige Zielpublikum zu wild gewesen wäre. Nicht so im Bobbejaanland: Jacky Schoepens Anforderungen an eine neue Loopingbahn wurde das Modelllayout bekanntlich in allen Bereichen gerecht - siehe "Die letzte Fahrt des Looping Star", und so wurde der Vertrag im November 2002 unterzeichnet.

Innerhalb von anderthalb Jahren sollte der Erstentwurf f¨r das Bobbejaanland in die Tat umgesetzt werden. Die Bahn passt exakt auf die frei werdende Fläche des Looping Star im belgischen Freizeitpark, und die eingeplante Sohle war für die Familie Schoepen eher von Vorteil. Da das Gebiet des Parks früher eine Moorgegend war, ist der Boden sehr weich und die Realisierung von Einzelfundamenten für jede Stütze ungemein aufwändig und kostenintensiv. Die Sohle, ein Netzwerk aus Stahlprofilen, verteilt die Lasten gleichmäßig über die weitaus günstiger realisierbare Fundamentplatte, welche neben dem Stationsgebäude vom Bobbejaanland und deren Subunternehmen eigenverantwortlich konstruiert und errichtet wurde. Ansonsten lieferte die Gerstlauer Elektro GmbH die dem Space Thema unterworfene Loopingbahn Typhoon völlig "schlüsselfertig": So ist der Transport sämtlicher Bauteile wie auch die elektrische Verkabelung und die Pneumatik nebst Kompressor im Kaufpreis inbegriffen. Üblich ist dies bei Achterbahnen nicht. Vielmehr liefern die Hersteller ab Werk; so muss der Kunde den Transport organisieren, den Aufbau planen und durchführen sowie die gesamte Infrastruktur errichten. Für Parks mit kleinen Planungs- und Technikteams eine meist nicht zu bewältigende Aufgabe, wobei die Hersteller schon regelrecht gezwungen sind, die schlüsselfertige Leistung anzubieten, um überhaupt ins Geschäft zu kommen.

Eine Notiz am Rande: Die Ankündigung der transportablen Loopingbahn, welche Hubert Gerstlauer das Projekt forcieren ließ, wurde tatsächlich umgesetzt. Exakt fünf Monate nach Vild Svinet, dem Gerstlauer Prototypen im dänischen Bonbon Land, feierte das eigenwillige Oval von Cool & Fresh mit zweijähriger Verspätung Ende Oktober 2003 auf einer ostdeutschen Kirmes Premiere. Die Firma Gerstlauer war wieder einmal schneller...

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