Der Themenbereich Stanleyville entstand Ende der
siebziger Jahre und beeindruckte bis zum Jahre 2005 aussschließlich durch
seine beiden familienfreundlichen Wasserbahnen von Arrow Dynamics: der
klassischen Wildwasserbahn Stanley Falls und dem Spillwater
Tanganyika Tidal Wave. 2005 erhielt Stanleyville als einer der
letzten Themenbereiche eine gehörige Aufwertung, beherbergt er doch
seitdem die dritte Bolliger & Mabillard Installation im Busch
Gardens Tampa Bay.
Der Coaster SheiKra, benannt nach einem afrikanischen
Falken, ist nicht nur die höchste Achterbahn des Sunshine State Florida,
sondern mit einem senkrechten Sturz aus 61 Metern Höhe auch einer der
höchsten von sieben Dive-Coastern weltweit. Die wuchtige Anlage - die
Schiene besitzt eine Spurweite von 180 Zentimetern - entführt die
Mitfahrer auf einen Streifzug durch die Jagdgründe der Falken: So
stürzen die ausladenden Wagen senkrecht gen Boden, um im letzten
Augenblick mitsamt ihrer Beute in einem Looping emporzusteigen, gleiten durch
Ruinen oder streifen kurze Zeit später haarscharf über den
Wasserspiegel eines künstlichen Sees.
Das Konzept eines derartigen Achterbahnerlebnisses bildete
für Nordamerika eine absolute Neuheit und es erstaunt, dass die Schweizer
Ingenieure Bolliger & Mabillard acht Jahre benötigten, um nach
ihrem überaus erfolgreichen Prototypen Oblivion im englischen
Alton Towers den Vertical Drop Coaster in die Staaten zu
exportieren. Wo jedoch in den englischen Midlands und auf der spiegelverkehrten
Kopie G5 in Taiwan nur der Absturz und eine nachfolgende Steilkurve
absolviert werden, wurde das einmalige Achterbahnkonzept nach den Wünschen
der Busch Gardens Planer zu einer vollwertigen Achterbahn aufgewertet.
"Drei Jahre dauerte die Entwicklung von SheiKra",
erläutert Busch Gardens Chefingenieur Mark Rose,
"genügend Zeit für die Experten von Bolliger & Mabillard, neben
Steilkurven und weiteren Abfahrten zwei Besonderheiten zu entwickeln." So
bietet SheiKra mit dem Immelmann Loop erstmalig eine Inversion, die von
den überbreiten, flügelähnlichen Fahrzeugen bezwungen wird. Zum
Finale steht eine Wasserung mit gigantischer Fontäne auf dem Programm.
Das Hauptaugenmerk des 972 Meter langen Achterbahnparcours
bilden jedoch die beiden senkrechten Fallstrecken, auf denen die Fahrzeuge aus
61 und 42 Metern Höhe in die Tiefe rauschen. Vor allem auf dem First
Drop, der ersten Abfahrt, wird das Fallerlebnis regelrecht zelebriert: Erst
zieht der mit 45° ungemein steile Kettenlift die dreireihigen
Fahrzeuge auf über 60 Meter Höhe, wo eine zweite Kette den
Wagenverbund übernimmt und über eine 180° Panoramakurve bis zu
der Stelle befördert, wo sich der rote Schienenstrang auf wenigen
Streckenmetern von der Horizontalen in die Senkrechte biegt. Dabei ist es fast
schon selbstverständlich, dass die Mitfahrer den Moment "auf der Klippe"
wie in Zeitlupe erleben dürfen. Für einige Sekunden verharrt das mit
dreieinhalb Metern Spannweite ungewöhnlich breite Fahrzeug im
45-Grad-Winkel, bis es urplötzlich aus der instabilen Ruhelage gen
Erdboden beschleunigt und die Mitfahrer in der letzen Reihe regelrecht aus den
Sitzen reißt. |
Die Fahrzeuge ähneln denen des Prototypen
Oblivion: Acht Fahrgäste sitzen gesichert durch
Schulterbügel in einer Reihe, wobei der höheren Kapazität
wegen auf der amerikanischen Anlage eine dritte Sitzreihe pro Zug angekoppelt
wurde. Durch die terrassenförmige Anordnung der drei Reihen hat jeder
Mitfahrer das Gefühl, ganz vorne zu sitzen. So stürzen bis zu 24
Mitfahrer gleichzeitig einem Raubvogel gleich in die Tiefe, beschleunigen auf
über 110 Stundenkilometer, um in einem weiten vertikalen Kreisbogen vor
dem Aufprall bewahrt zu werden und das erste und einzige
Überschlagselement anzusteuern. Im Immelmann, der auch auf Montu
zur Anwendung kommt, stellt sich das Fahrzeug auf den Kopf und dreht sich im
Scheitelpunkt der übergroßen, 46 Meter hohen Inversion um die
Längsachse. Der langgezogene Auslauf des Überkopfelements geht
schliesslich in eine 245° lange Steilkurve über.
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Sheikra im Immelmann Loop und Drop
Erlebnisse |
Zwei Jahre nach der Eröffnung von Sheikra wurden
die Züge umgebaut und komplett bodenfrei ausgestaltet. Die Fahrgäste
sitzen nun wie beim Floorless Coaster Kraken ohne Boden unter den
Füssen in den drei Sitzreihen. Nach dem Einsteigen werden die
Zugangsböden im Stationsbereich eingezogen und die Mitfahrer haben
völlig freie Sicht nach unten und auf die Schiene.
Bolliger & Mabillard sind für ihre
konservativ gehaltenen Streckenlayouts bekannt, und so ist es verwunderlich,
dass auf SheiKra der Schritt gewagt wurde, die extrem breiten Fahrzeuge
im Immelmann eine derart enge Verdrehung absolvieren zu lassen. Für die
Mitfahrer auf den äußeren Plätzen, welche rund zwei Meter vom
Schienenmittelpunkt entfernt sitzen, resultiert die plötzliche eintretende
schwungvolle Drehung in einer zusätzlichen Beschleunigung entlang der
Hochachse ihres Sitzes. Je nach gewählter Sitzposition erfahren die
Mitfahrer positive oder negative G-Kräfte. Jedoch ist die Geschwindigkeit
im 46 Meter hohen Hochpunkt der Loopingfigur derart niedrig, dass die Drehung
keine überaus hohen zusätzlichen G-Kräfte generiert.
So spektakulär das gesamte Schienendesign
äußerlich ausfällt, das Fahrgefühl bleibt auf dem Boden
der Tatsachen: Die beiden Abstürze sind äußerst prägnant
und die anschließenden Taldurchfahrten pressen die Mitfahrer mit dem
vierfachen ihres Körpergewichtes in den bequemen Schalensitz. Die
restlichen Fahrfiguren stellen sich dagegen als regelrecht ernüchternd
heraus. Der Ausfahrt aus dem Immelmann folgt etwa keine Abfahrt bis zum Boden,
sondern auf zwei Drittel des möglichen Höhenunterschiedes geht die
langgezogene Abfahrt wieder in eine Auffahrt über, die in der 42 Meter
hohen Blockbremse endet.
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Rechts: Die Fontänen sehen nasser
aus, als sie für die Fahrgäste sind |
Schnelle Richtungswechsel um die Längsachse, wie zum
Beispiel in einer bodennahen S-Schikane, wurden bewusst vermieden, um die
Beschleunigungen in Grenzen zu halten und somit Mitfahrer und das Laufmaterial
zu schonen. Schon die von außen spektakulär anzusehenden Flying
Coaster aus gleichem Hause kranken an dieser konservativen Auslegung.
Jedoch entschädigen die beiden Abstürze für dieses Nicht-Wagnis:
Der aufgestelzten Blockbremse folgt die zweite vertikale Abfahrt. Dieses Mal
stürzt das Fahrzeug ohne Halt in eine Ruine, um nach einer
Tunneldurchfahrt sichtbar über den Köpfen der Parkbesucher
hinwegzugleiten. "Airtime für jeden", sagt Mark Rose schmunzelnd.
Fakten zu Sheikra |
Erster Vertical Drop Coaster von
Bolliger & Mabillard in den USA |
Gesamthöhe |
61
Meter |
Höhendifferenz
First Drop |
60
Meter |
Schienenlänge |
972 Meter |
Max. Geschwindigkeit |
110 km/h |
Max. Gefälle |
90° |
Max. Vertikalbeschleunigung |
+4g |
Fahrzeit |
135 Sekunden |
Fahrzeuge |
5 Züge mit 3 Wagen; 8 Plätze pro Wagen |
Theoretische Kapazität |
1500 Personen pro Stunde |
Hersteller |
Bolliger & Mabillard, Monthey, Schweiz |
Betreiber |
Busch Gardens Tampa Bay, Florida, USA |
Eröffnung |
19. März 2005 |
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Link zur Webseite von
Busch Gardens Tampa Bay |
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Während der Kettenlift, der erste Absturz und der
Immelmann mit anschließender Steilkurve im Hintergrund des
Themenbereiches platziert wurden, interagiert der nachfolgende
Streckenabschnitt mit den Besuchern in einem neu errichteten Lagunenbereich
mitsamt Thematisierung in Form von Maja-Ruinen. Ein künstlich angelegter
See in direkter Nachbarschaft zu einerm Show-Theater und dem neu
eröffneten Zambia Smokehouse Restaurant steht im Mittelpunkt des
Geschehens. Erst wird die Lagune nach dem 42-Meter-Sturz in die Ruinen vom
Greifvogel unterquert, dann zieht das Gewässer den Protagonisten beim
Auftauchen aus dem Höhlenlabyrinth magisch an. Der Wagen vollzieht
über dem Smokehouse eine 220° Steilkurve und steuert über eine 20
Meter tiefe Abfahrt direkt auf die Wasseroberfläche zu.
Ausgestattet mit schaufelartigen Blenden zu beiden Seiten
des Fahrzeugunterbaus gleitet das Fahrzeug über das Wasser und erzeugt
dabei eine Wasserwand, die vor allem die zahlreichen Parkbesucher beeindruckt:
"Das Wasserspray schießt hinter dem Fahrzeug zwischen 20 und 25 Meter in
den Himmel", präzisiert Mark Rose. Gefährt und Insassen
bleiben jedoch verschont, denn die Schiene führt durch einen Betonkanal,
während die Schaufeln unterhalb der überbreiten Fahrzeuge das Wasser
gehörig aufwirbeln. "Wenn die Gischt herunterregnet, ist das Fahrzeug
schon längst in der Aufwärtspirale Richtung Station", versichert der
Projektingenieur. Lediglich die hintere Fahrzeugreihe erfährt einige
Wasserspritzer. Eine direkte Wasserung der Fahrzeuge wollte vermieden werden,
um die Fahrwerke vor Korrosion zu schützen und den Wagen nicht
unkontrolliert zu verlangsamen. Trotz des spektakulären
Wasserungserlebnisses, welches die beobachtenden Besucher bewusst an bestimmten
Beobachtungspunkten komplett durchnässt, scheint der Raubvogel keine Beute
gemacht zu haben und gewinnt wieder an Flughöhe. Langsam neigt sich das
Fahrzeug in eine abschließende, langgezogene 270°-Kurve, die jedoch
keine spürbaren Beschleunigungen generiert. Die nachfolgende Bremssektion
beendet das Schauspiel.
SheiKra ist eine eindrucksvolle Achterbahn. Der
außenstehende Beobachter wird schlicht von der übermächtigen
Struktur erschlagen, doch das auf fast 1000 Streckenmeter aufgeblähte
Layout vermag nur im Immelmann Loop mit den beiden für einen Vertical Drop
Coaster typischen Senkrechtabstürzen mitzuhalten. Die Dynamikabteilung im
schweizerischen Monthey geht zu konservativ mit den überbreiten Fahrzeugen
um. Zwar generiert die Hebelwirkung auf den äußeren Sitzen
höhere Vertikalkräfte beim Hineindrehen in die Kurven, doch eben
diese plötzlichen Beschleunigungen könnten das Fahrgefühl
nochmals steigern. Auf SheiKra sind sie auf ein Minimum reduziert. In
der Folge sind die Übergänge von den Geraden in die Kurven sehr
langgezogen gehalten oder das Fahrzeug durchfährt Kurvenein- und
Ausfahrten mit relativ geringer Geschwindigkeit.
Das Fahrgefühl bleibt aber trotzdem einmalig, vor
allem, wenn einer der äußeren Plätze in der ersten Reihe
eingenommen wurde und man - die Schiene ausserhalb des direkten Blickfeldes -
zweimal förmlich gen Boden stürzt. |