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Links: Kraken auf den Weg zur
Unterwasserhöhle |
Orlando ist das El Dorado der Themenparks im
amerikanischen Sonnenstaate Florida. Große Entertainment Riesen betreiben
in den ehemaligen Sümpfen südlich vom Stadtzentrum riesige
Vergnügungsareale, angefangen bei Disneys Magic Kingdom bis zu Universals
Islands of Adventure. Dazwischen Hotelburgen mit einer Kapazität von
über 100.000 Betten und eine Vergnügungsmeile, die Klein Las Vegas in
einigen Punkten recht nahe kommt. Am südlichen Ende des International
Drive liegt neben dem Messezentrum ein Meerestier- und Erlebnispark, der sich
schon seit Jahren neben den unzähligen Themenparks etablieren konnte, der
Sea World Adventure Park Orlando.
Hübsch hergerichtete Meeresbecken und
außergewöhnliche Shows mit Orca Walen und Delfinen scheinen aber
nicht mehr auszureichen, um in der "lauten Vergnügungswelt" des
beginnenden 21. Jahrhunderts auf sich aufmerksam zu machen. So rüstet die
Anheuser Busch Gruppe, welche auch das 125 Kilometer entfernte Busch
Gardens Tampa Bay betreibt, seit Mitte der 90er Jahre das Areal mit Thrill
Rides auf: Erst der Simulator Wild Artic, dann die aufwendige
Wasserachterbahnpremiere Journey to Atlantis aus dem deutschen Hause
Mack Rides und im Millenniumjahr 2000 entstand die beeindruckende
Stahlachterbahn Kraken.
Stählerne Riesen gibt es viele in und rund um Orlando,
doch bei diesem Exemplar vom Schweizer Hersteller B&M handelt es
sich um die längste (1273 Meter) und bei ihrer Eröffnung mit 45,5
Metern höchste Loopingbahn in Florida. Kraken ist ein
Floorlesscoaster der Schweizer Consulting Ingenieure Bolliger &
Mabillard. Dieser Achterbahntypus bietet eine Fahrt ohne Boden unter den
Füßen aber nicht wie bei einem Inverted Coaster unterhalb
sondern oberhalb der Schiene. Kraken, benannt nach einer mythologischen
Unterwasserschlange, begeistert seit ihrem Eröffnungstag. Sieben
Überschläge, abwechslungsreiche und extreme G-Kräfte
sowie ein gelungenes Streckenlayout sprechen für sich. |
Rechter Hand vom Watercoaster Journey to
Altantis wird der willige Fahrgast vom Meeresungenheuer
höchstpersönlich begrüßt. Unbeirrt vom starren Blick des
Ungeheuers wird das Eingangsportal durchschritten. Etwas Unbehagen bleibt aber
dennoch, schließlich ist der Torbogen mit der Neonaufschrift ebenfalls
Teil dieses zähnezeigenden Reptils.
Der weitere Eingangsbereich erinnert den deutschen Besucher
an die bekannte Urlaubsdestination Spanien: Mediterraner Stil mit schlicht
geweißelten kahlen Steinwänden. Nach einigen Laufmetern ist die
Station erreicht. Ohne an irgendwelche Folgen zu denken wird einer der drei
Züge bestiegen. Dies geschieht noch mit festem Boden unter den
Füßen. Vor Fahrtbeginn werden die Bodensegmente pneumatisch
abgesenkt, die Bremsen geöffnet und der Zug setzt sich mit seinen maximal
32 Fahrgästen in Bewegung. Unter einem nur die Schiene, der Fahrgast
selbst sitzt in den standardmäßigen Sitzschalen von Bolliger
& Mabillard und ist mit einem Schulterbügel nebst Gurt
gesichert.
Nach einer 180° Rechtskurve folgt direkt der über
45 Meter hohe Lifthügel mit seiner Transportkette, in die
der Zug mittels Reibräder hineingeschoben wird. Die Pneus
sind mit der Geschwindigkeit der Kette synchronisiert, so dass die
Übergabe des Zuges ruckfrei vollzogen wird. Direkt unter den Füssen
der Mitfahrer, keinen Meter entfernt verläuft die wuchtige Kastenschiene
mit dem Kettenkanal. Zügig geht es zum Hochpunkt, der Adrenalinspiegel
steigt mit jedem weiteren Höhenmeter.
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Links: Die Cobra Roll - rechts: Ausfahrt
aus der Unterwasserhöhle von Kraken |
Unentwegt geht es nach oben, die Sonne blendet - für
eine Loopingbahn sind die 45,5 Meter schon etwas besonderes. Das
Kettenende ist nach einer halben Minute erreicht, der Zug löst sich
automatisch, geht in die Gravitationsfahrt über und gleitet langsam in
eine scharfe Rechtskurve hinein. Deren Ausgang endet abrupt in ein Gefälle
mit 44 Meter Höhendifferenz. Wie an einer Perlenkette reihen sich fast
nahtlos sieben Überschlagselemente an. Eine Inversionszahl, die bei
B&M fast schon zum guten Ton gehört. Einzig und allein
Dragon Khan im spanischen Port Aventura bietet einen
Überschlag mehr, wobei sich die Firma aus Monthey jedoch der
Intamin Gruppe und ihren 10er Looping Coaster Colossus im
englischen Thorpe Park seit dem Jahre 2002 geschlagen geben musste.
Vor einem nur die Schiene folgt der Sturz ins Ungewisse.
Schreie links, rechts, hinten - der Fahrtwind bläst ins Gesicht.
Schließlich wird die Talsohle erreicht, die positiven, vertikalen
G-Kräfte erreichen ihre Maximalwerte, der Fahrgast wird mit dem
mehrfachen seines Körpergewichtes in den komfortablen Sitz gepresst. Dann
direkt der erste Überschlag, einmal vetikal um die eigene Achse gedreht
und am Ausgang des 40 Meter hohen Vertikalloopings wieder die G-Keule.
Fast geblendet vom Blitzlichtgewitter der Fotoanlage folgt der Zug den
gebogenen Stahlrohren den Berg hinauf, um schließlich am lokal
höchsten Punkt seitlich um 180° gedreht zu werden und über eine
Vertikalloopingausfahrt das zweite Inversionselement, den Dive
Loop, zu verlassen.
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Der Kraken Zug gleitet nach einem Airtime
Hügel in die dunkle Unterwasserhöhle |
Wieder Beschleunigung auf fast 100 Stundenkilometer, dann
geht es aufwärts. Zwar nicht so steil wie die beiden ersten Male, aber der
folgende Hügel hat es mit seiner integrierten Zero-G Roll in sich.
Einmal um die eigene Achse gedreht, über knapp vier Sekunden "beinahe"
Schwerelosigkeit verspürt, stürzt man schon wieder dem Erdboden
entgegen. Die anschließende Cobra Roll mit ihren zwei
Überschlägen tut ihr übriges. Knapp 25 Sekunden nach der ersten
Abfahrt rollt der Zug durch eine Auslaufkurve, die ihn auf knapp 20
Höhenmeter transportiert. Das achtgliedrige Gefährt wird langsamer -
zischend öffnen die pneumatisch aktuierten Reduzierbremsen, die dem
Zug aber glücklicherweise nur einen Bruchteil seiner kinetischen Energie
rauben.
Werden die ersten fünf Inversionen - Vertikallooping,
Dive Loop, Camelback mit Zero-G Roll und Cobra Roll mit zweifachem
Überschlag - auf einem für die Besucher der Sea World nicht
einzusehenden Gelände in atemberaubender Geschwindigkeit von maximal 105
Stundenkilometern abgespult, gelangt der Zug nach Passieren der
Blockbremse auf einen mit dem Publikum interagierenden
Schienenabschnitt, welcher mit einigen Überraschungen aufwartet - für
die Mitfahrer und auch die Zuschauer, schließlich nähert sich der
Zug der Unterwasserhöhle von Kraken.
Nach Passieren der Blockbremse verläuft die
Streckenführung nach einem scharfen Fall nach links parallel zum
Lifthügel in Richtung des mediterranen Eingangsbereiches. Dabei taucht der
Zug in eine Grube, in der sich überaschenderweise auch die Ein- und
Ausfahrt eines weiteren, 28 Meter Durchmesser grossen Vertikallooping befindet.
Danach wird ein flacher Hügel überfahren, Airtime, vor allem
in den letzten Reihen, inbegriffen. Schließlich taucht der Zug unter die
wartenden Besucher in die nebeldurchzogene Behausung von Kraken ein.
Nach einer 180° Steilkurve wieder Tageslicht und auch das letzte
plötzlich erscheinende Überschlagselement: Der Flatspin bietet
ein gutes Abschlussspektakel, auch für die Zuschauer. Nach einer
Rundlaufzeit von zwei Minuten wird die Station erreicht. |
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Der Flat Spin, die finale Inversion, im
Fokus |
Fakten zu Kraken |
Bolliger & Mabillard
Floorlesscoaster im Sonnenstaate Florida |
Schienenhöhe |
45.5
Meter |
Höchste
Abfahrt |
44
Meter |
Streckenlänge |
1273
Meter |
Max. Geschwindigkeit |
105 km/h |
Inversionen |
7 |
Netto-Fahrzeit |
2 Minuten |
Fahrzeuge |
3 Züge mit 8 Wagen; 4 Plätze pro Wagen |
Kapazität |
1500 Personen pro Stunde |
Hersteller |
Bolliger & Mabillard, Monthey, Schweiz |
Betreiber |
Sea World Adventure Park, Orlando, Florida, USA |
Eröffnung |
1. Juni 2000 |
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Link zur
offiziellen Webseite vom Sea World Adventure Park Orlando |
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Action, Geschwindigkeit und G-Kräfte pur
- binnen weniger Sekunden werden die ersten fünf Inversionselemente
abgespult, die Blockbremse garantiert gerade einmal zwei bis drei
Sekunden Verschnaufspause. Schon wird der nächste Looping anvisiert. Eine
Erfahrung, die nicht jede Person unter der heissen Sonne problemlos verkraftet.
Einmalig ist auch die Sitzposition oberhalb der Schiene in der für
B&M typischen bequemen Sitzschale. Leider wird einem die Erfahrung
des "direkt über der Schiene Fahrens" nur in der ersten Reihe so richtig
bewusst, für die wie fast überall in den USA in einer separaten
Schlange mit maximal zusätzlich 30 Minuten Wartezeit ausgeharrt werden
darf.
Etwas negativ aufgefallen sind die äußeren Sitze
der Reihen im hinteren Teil der achtgliedrigen Züge. Auf ihnen bekommen
die Fahrgäste an einigen Stellen den Schulterbügel eindeutig
zu stark zu spüren - bei der ansonsten ruhigen, ruckfreihen Fahrt in der
typisch hohen B&M Fertigungsqualität ein zu verschmerzendes
Manko.
Für Technikfreaks interessant ist der schlicht
gehaltene Bahnhofsbereich: Da unter den Sitzen direkt die Schiene
verläuft, wird vor jeder Sitzreihe eine aus zwei Segmenten bestehende
Bodenplattform pneumatisch hochgefahren. Dabei lagern die Segmente jeweils
seitlich von beiden Fahrrohren und werden über eine aufwendige
Hebelmechanik in die horizontale Position gebracht. Innerhalb von fünf
Sekunden können die Bodensegmente äusserts schnell unterhalb der
Fahrrohre versenkt werden. Eine zügige Abfertigung, die auch die sehr gut
eingespielte Crew beherrscht, ist somit gewährleistet.
Kraken ist bei einem Orlandoaufenthalt ein Muß
für jeden Achterbahnfan, der Floorlesscoaster macht gewaltig viel
Spaß. Seit 2002 ist dieser Achterbahntyp auch in Europa anzutreffen: Die
Warner Bros. Movie World Madrid bietet mit Superman ebenfalls
einen 7-Looper mit Bodenfreiheit, der Tivoli Kopenhagen folgte 2004 mit
dem kompakten Layout Daemonen.
Für Sea World Orlando ist die Bahn bis heute die
herausragenste Bereicherung im Portfolio der wenigen Thrillrides in diesem
ausgezeichneten Familienpark. Der Erfolg verlangt nach mehr: Eine dritte grosse
Achterbahn in Form eines weltweit einzigartigen Launch Coasters
ist derzeit in Vorbereitung.
Text: Coastersandmore - jp Bilder:
Coastersandmore |