|
Site-Info: Editorial > Ride Insights >
Linear Induktions Motoren - Mit Volldampf auf der Magnetwelle |
|
|
Anspannung, ein leichtes, hochfrequentes Summen ist zu
vernehmen und urplötzlich setzt sich unser Wagen in Bewegung: Von null auf
87 Stundenkilometer in drei Sekunden. Mit rund einem g, der einfachen
Erdbeschleunigung, werden die 20 Mitfahrer rückwärts in den Sitz
gedrückt, der Zug beschleunigt wie von Geisterhand auf der geradlinigen
Startstrecke, dann schraubt sich das Geschoss in die erste Inversion.
Seit 1996 werden die Züge auf der Achterbahn Flight of
Fear im amerikanischen King's Island Freizeitpark im Zwei-Minuten-Takt von
einem elektromagnetischen Linearantrieb in ein Schienenknäuel aus
Stahlrohren gefeuert. Statt durch einen Lifthügel erhält der acht
Tonnen schwere Achterbahnzug seine Initialenergie durch 112 auf einer rund 60
Meter langen Katapultstrecke paarweise installierte LIM-Module, sogenannten
Linear Induktions Motoren.
Für diesen speziellen Kick benötigt die
Loopingbahn der Firma Premier Rides aus dem amerikanischen Maryland
während des Abschusses stolze 3,6 Megawatt, rund das 15-fache eines
herkömmlichen Liftantriebes. 20 Jahre später hat die
ursprünglich durch den Deutschen Peter Schnabel gegründete Firma rund
20 elektromagnetisch gepowerte Launchcoaster ausgeliefert und setzt in ihrem
Anlagen-Portfolio weiterhin fast ausschliesslich auf die
Abschusstechnik. |
|
Launchcoaster wie Flight of Fear sind jedoch nicht erst mit
dem elektromagnetischen Linearantrieb möglich geworden. Die ersten
Katapultbahnen realisierte der süddeutsche Hersteller Schwarzkopf schon
Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Für den Klassiker Shuttle
Loop entwickelte der Tüftler Anton Schwarzkopf zwei verschiedene
mechanische Antriebssysteme. In der ersten Entwicklungsstufe sorgte ein
Kontergewicht im freien Fall für den notwendigen Vorschub. Die im
Herunterfallen freigesetzte Energie wurde über ein zwischengeschaltetes
Seilzugsystem auf den Zug übertragen. In der Weiterentwicklung treibt ein
Motor ein tonnenschweres Schwungrad an, dessen gespeicherte Energie über
eine überdimensionale Rutschkupplung auf den Zug übertragen wird und
diesen in sekundenschnelle mit 85 km/h in den Looping katapultiert. Beide
Antriebe begnügen sich mit einer geringen Anschlussleistung durch die
Nutzung der Rotationsenergie, unterliegen aber einem hohen mechanischen
Verschleiß. Zwischen 1977 und 1994 lieferte Schwarzkopf 18 Katapultbahnen
aus. In Europa war dieser Achterbahntypus bis 2008 noch im Walibi Belgien zu
finden, bis er durch ein LIM-System ausgetauscht wurde. Einer der letzten
klassischen Shutte Loops mit Schwungrad findet sich noch heute im japanischen
Nagashima Spaland bei Nagoya.
Bis Premier Rides der Achterbahnwelt das revolutionäre
LIM-Beschleunigungssystem präsentierte, debütierte 1995 mit Space
Mountain im Disneyland Park Paris ein Windenkatapultsystem mit elektrischem
Direktantrieb. Dabei werden die Züge von einem Mitnehmerschlitten auf
eigener Schiene alle 36 Sekunden über eine 32 Grad steile Rampe gen
Supernova geschossen, um anschliessend einen 1000 Meter langen Rundkurs zu
absolvieren. Die notwendige Energie liefern zwei Elektromotoren mit einer
Gesamtleistung von 1,7 Megawatt der italienischen Firma Sicmemotori. Die
Bewegung der Motoren wird über ein mechanisches Getriebe direkt auf eine
Seilwinde übertragen. Das Zugseil transformiert die Rotation in eine
lineare Bewegung des Mitnehmerschlittens, welcher unterhalb des Zuges
angreift.
Die Mechanik des bei seinem Debüt revolutionären
"Katapult Schrägaufzuges" hat jedoch ihre Nachteile: Seil, Winde und
Getriebe sind einem ständigen Verschleiß unterlegen. Das speziell
entwickelte Stahlseil der deutschen Firma Casar muss kontinuierlich
nachgespannt werden. Nach einer bestimmten Zykluszahl ist seine Ablegereife
erreicht. 24 Stunden benötigt das Team der Disney Mechaniker für die
Auswechslung und hat immer ein Reserveseil lagerhaltig. |
|
Der elektromagnetische induktive Linearantrieb - kurz LIM -
war die konsequente Weiterentwicklung mit dem Ziel, ein mechanisch
wartungsfreies Beschleunigungssystem zu etablieren. Die Achterbahn ist dabei
nicht das erste Anwendungsgebiet im Vergnügungsparksektor.
Im Magic Kingdom der Walt Disney World in Florida wurde
erstmals 1974 ein LIM-Antrieb bei einem Personenbeförderungssytem, dem
WEDWAY People Mover, eingesetzt. Die schienengeführten Züge fahren
mit bis zu zwölf Stundenkilometern über das Themenland Tomorrowland.
In bestimmten Streckenabschnitten installierte LIM Motoren ermöglichen den
mehrgliedrigen Zügen die Beschleunigung und Beibehaltung ihrer
Geschwindigkeit.
|
Big Thunder Mountain im Disneyland Paris
ist die erste Achterbahn weltweit mit LIM Modulen (rechtes Bild in Kombination
mit einer mechanischen Reibbremse zu sehen) |
Die Vorteile für Disney liegen klar auf der Hand: Auf
herkömmlichen People Movern wie der einige Jahre zuvor eröffneten
Schwesteranlage im kalifornischen Disneyland werden die Züge durch an der
Schiene befestigte Reibräder mit Gummikarkasse angetrieben. Die Räder
verschleißen, müssen kontinuierlich nachgestellt und in periodischen
Zyklen ausgetauscht werden. Ein mechanisch kontaktloses Antriebssystem wie der
LIM unterliegt diesen Wartungszyklen nicht. Die Eigenentwicklung der Ingenieure
von Walt Disney Imagineering findet sogar bis heute Anwendung bei zwei weiteren
Personenbeförderungssystemen in den USA: 1981 eröffnete der People
Mover am Flughafen in Houston, Texas. Die zweite Installation ist eine
Untergrundbahn in Washington D.C., welche die US Senatoren von ihren Büros
zum Capitol bringt.
Der LIM-Antrieb blieb bis in die 90er Jahre ein
Nischenprodukt im Vergnügungsparksektor. Vielmehr wurden
Systemlösungen für Gepäckbeförderungssysteme auf
Flughäfen oder für den mechanisch berührungslosen Antrieb von
Türsystemen entwickelt, wie sie in Supermärkten zu finden sind.
Bis die LIM-Antriebe 1996 für den Katapultstart bei
Achterbahnen eingesetzt wurden, fanden sie nur einmal einen weiteren Einsatz in
einem Freizeitpark. Mit der Eröffnung des Euro Disney bei Paris wurden
neue Standards in der europäischen Freizeitparkwelt gesetzt, darunter auch
einige verborgene. Auf zwei Anlagen der niederländischen Firma Vekoma, dem
Endlos Fahrsystem der Geisterbahn Phantom Manor und der Minenachterbahn Big
Thunder Mountain, werden insgesamt 130 LIM-Module der englischen Firma Force
Engineering eingesetzt, um die Züge mechanisch berührungslos auf
Schrittgeschwindigkeit anzutreiben. Dies reduziert die mechanischen
Wartungsarbeiten an den rund zwölf Stunden am Tag laufenden Attraktionen
erheblich. Beim Big Thunder Mountain wird der LIM im Stations- und
Wartungsbereich nicht nur als Motor, sondern auch als Reduzierbremse verwendet.
Als Feststellbremse kann er jedoch nicht dienen, da seine Kraftwirkung nur bei
einer Relativbewegung (hier zwischen Zug und an der Schiene befestigtem
LIM-Motormodul) aufrecht erhalten bleibt. Diese Aufgabe übernehmen
mechanische Bremsen, deren Bremsbeläge jedoch einem weitaus geringeren
Verschleiß unterlegen sind, da der Zug vorher vom LIM praktisch auf
Stillstand verzögert wird.
1996 kam die Stunde der Katapultbahnen: Premier Rides nutzte
die mehrjährige Erfahrung von Force Engineering in Paris und verwirklichte
in Zusammenarbeit mit dem leitenden Ingenieur Alan Foster den ersten
elektromagnetisch gepowerten Launchcoaster. Seit 1979 entwickelt und baut das
englische Unternehmen aus Leicestershire LIM-Motoren für Gepäck- und
Passagierfördersysteme sowie industrielle Sonderlösungen.
Die neue Antriebstechnik wurde als die Innovation der
Achterbahn-Antriebe für die Zukunft gefeiert: Beschleunigungen aus dem
Stand heraus, auf waagerechter oder senkrechter Strecke sind möglich.
Selbst fliegende Starts oder Zwischenbeschleunigungen erlaubt die LIM Technik,
da der Zug berührungslos angetrieben wird und nicht etwa mechanisch
formschlüssig an einen Mitnehmer gekoppelt werden muss. Diese Vielfalt
wird dabei von einem verschleißfreien und somit äußerst
mechanisch wartungsfreundlichen Antriebssystem umgesetzt.
20 Jahre nach der ersten LIM-beschleunigten Achterbahn sind
andere elektromagnetische Funktionsprinzipien in den Vordergrund gerückt.
Der LSM hat den LIM abgelöst und arbeitet mit einem höheren
Wirkungsgrad. Somit benötigt die gleiche Applikation weniger
Spitzenleistung. Force Engineering ist praktisch nicht mehr in der
Vergnügungsindustrie tätig. Der Massenmarkt wird durch die deutsche
Firma Intrasys bedient. Fast alle nahmhaften Hersteller ordern bei der
Münchner Firma. Nur die Firma Intamin geht als einer der wenigen andere
Wege: Ursprünglich hatten die Liechtensteiner mit Intrasys 1997 den ersten
LSM-Magnetbeschleuniger entwickelt, heute setzt der Launch Coaster
Marktführer für seine zahlreichen LSM-Beschleunigungsbahnen auf
Entwicklungen der Schweizer Firma Indrivetec. Deren LSM-Systeme gehört zu
den durchschlagsstärksten der Branche: 2017 wird mit dem Antrieb der
schnellste LSM-Coaster der Welt mit rund 180 Stundenkilometer
Spitzengeschwindigkeit eröffnet werden. |
|
|
Das Funktionsprinzip des Linearen
Induktions Motors |
Der Lineare Induktionsmotor entstammt in seiner
Funktionsweise dem Wechselstrommotor. Der einzige und auffälligste
Unterschied liegt darin, dass statt einer rotatorischen eine lineare Bewegung
erzeugt wird. Die im Wechselstrommotor kreisförmig angeordneten
Statorspulen werden dazu auf einer ebenen, linearen Strecke platziert. Der
"Läufer", der im Wechselstrommotor rotiert, wird beim Linearmotor
über eine geradlinige Strecke bewegt.
Wird durch einen Kupferdraht ein Strom geleitet, so entsteht
um diesen ein magnetisches Feld. Dessen Feldstärke ist vom angelegten
Strom abhängig. Um das erzeugte Magnetfeld zu maximieren und in seiner
Ausbreitungsrichtung geometrisch zu kontrollieren, wird der Kupferdraht um
einen länglichen Eisenkern - dem Ferrit - gewickelt. Es entsteht eine
Spule, welche bei angelegtem Strom gleiche Eigenschaften wie ein
Permanentmagnet besitzt. An den jeweiligen Enden des Ferritkerns entsteht ein
Nord- und ein Südpol. Beim Linearmotor sind viele derartige Spulen in
einer Reihe hintereinandergeschaltet.
An der Schiene sind dazu über die gesamte
Katapultstrecke Motormodule mit dreiphasigen Spulen - den Statoren - montiert,
die um einen etwa 20 Millimeter breiten linearen Luftspalt gruppiert sind. Der
Motor besitzt dabei eine Länge von etwa einem Meter. Am Zug befindet sich
ein Kupfer- oder Aluminiumschwert - der Läufer -, welches vom LIM Motor
berührungslos durch den Spalt gezogen wird. Das Funktionsprinzip des
Antriebs folgt dabei dem Gesetz der Induktion.
Eine angelegte Wechselspannung erzeugt in den Spulen des
Linearmotors ein wanderndes Magnetfeld mit ständigem Wechsel der
Polarität zwischen nord und süd. Das Wanderfeld bewegt sich entlang
der Katapultsrecke, seine Fortbewegungsgeschwindigkeit wird durch die Frequenz
des angelegten Stroms bestimmt. Das im Stator angelegte magnetische Wanderfeld
induziert im "Läufermedium" eine elektrische Spannung, die die freien
Elektronen im Schwert in Bewegung versetzt. Dieser Elektronenfluss erzeugt
wiederum ein Magnetfeld. Beide Magnetfelder interagieren miteinander, ungleiche
Pole ziehen sich an, gleiche Pole stoßen sich ab.
Durch die Wechselwirkung der beiden Magnetfelder entsteht
eine Kraftkomponente in Richtung des Wanderfeldes, welche den Achterbahnzug in
Bewegung setzt. Wie dem Kraftdiagramm entnommen werden kann, ist die Kraft
abhängig von der Relativgeschwindigkeit Δv zwischen dem Zug und dem
Wandermagnetfeld. Sind beide gleich schnell, wird kein Gegenmagnetfeld erzeugt
und die Beschleunigung ist gleich null. Im Maximum der Kurve sind die Verluste
am geringsten.
Während der Beschleunigungsphase ist die
Geschwindigkeit des Zuges - und damit der Läufer - stets kleiner als die
des antreibenden Statorfeldes. Das in den Läufern erzeugte Magnetfeld
bewegt sich also über die Schwerter und springt sogar über die
Schwerter von Wagen zu Wagen. Würden die Geschwindigkeiten des
Statorfeldes und des Zuges gleich sein, so würde im Läufer keine
Spannung induziert und die den Zug antreibende Kraft nicht mehr aufrecht
erhalten. Würde die Geschwindigkeit des Zuges sogar größer als
die des Statorfeldes, so würde die Kraftrichtung drehen und der Zug
abgebremst werden. Derartige Zusammenhänge resultieren aus dem
physikalischen Induktionsgesetz. |
|
|
Links: Ein rund ein Meter langes LIM Modul
von California Screamin', welches drei am Fahrzeug installierte Kupferschwerter
aufnehmen kann - rechts: die Launchstrecke mit LIM Modulen, Anschlussboxen und
einem Zug in der Beschleunigungsphase |
Das Regelwerk des linearen Induktionsmotors erscheint
einfach, seine Umsetzung und Regelung bis zur störungsfreien Serienreife
erfordert jedoch einen hohen Entwicklungs- und Justageaufwand nebst
aufwändiger Steuerungs- und Leistungstechnik, um den Wirkungsgrad - das
Verhältnis zwischen investierter elektrischer Energie und Bewegungsenergie
des Zuges - zu maximieren und die Verlustleistung gering zu halten.
Für die Beschleunigung eines Achterbahnzuges sind
extrem hohe Leistungen von Nöten, die kurzfristig das Stromnetz der
Vergnügungsparks belasten. Dabei ist nicht nur die hohe Aufnahmeleistung
von bis zu vier Megawatt und mehr - dies entspricht 5000 Pferdestärken -
problematisch, sondern auch das ständige Ein- und Ausschalten des
Antriebs, welches Stromspitzen erzeugt. Diese können die Stromversorgung
eines Vergnügungsparks beeinträchtigen oder andere sensitive
Verbraucher stören. In den ersten Betriebsjahren kämpfte mancher
Vergnügungspark mit derartigen Auswirkungen. Eine entsprechende
Abschirmung einer LIM-gepowerten Attraktion garantiert heutzutage einen
problemlosen Betrieb.
|
Kraftverlauf F des Linear Induktions
Motors aufgetragen über der Relativgeschwindigkeit Δv zwischen
Wandermagnetfeld und Zuggeschwindigkeit |
Prinzipiell ist es möglich, die Statormodule direkt mit
dem Stromnetz zu verbinden. Der vom Netzbetreiber gelieferte Wechselstrom hat
üblicherweise eine Frequenz von 50 Hertz, die Spannung wechselt dabei
fünzigmal in der Sekunde ihre Polarität. Diese konstante Frequenz
liefert abhängig von der Polzahl der Statoren, also von der Wicklungszahl
der Kupferspulen, eine konstante Wanderfeldgeschwindigkeit. In diesem
Betriebsmodus befindet sich der Antrieb jedoch nicht im optimalen Arbeitspunkt,
und ein Großteil der eingesetzten Energie wird in Wärme umgewandelt.
Darüber hinaus sind die Statorspulen wegen der Blindleistung höchst
unbeliebte Verbraucher: Aufgrund ihrer Induktivität fließt ein hoher
Strom, der zwar das Stromnetz und den Geldbeutel der Betreiber belastet, aber
nicht zur Beschleunigung des Achterbahnzugs beiträgt.
Beide Probleme werden durch den Einsatz von
Frequenzumrichtern gelöst. In ihnen wird die Wechselspannung des
Stromnetzes in eine konstante Spannung gleichgerichtet. Die Gleichspannung wird
dann pulsweitenmoduliert: Ein Schalter schaltet die Spannung zum
gewünschten Zeitpunkt und für die benötigte Dauer wiederholt ein
und aus. Es entstehen Rechteckimpulse, die aufgrund der Induktivitäten der
Statorspulen einen sinusartigen, wellenförmigen Verlauf erhalten und somit
dennoch ein "sauberes" Wandermagnetfeld entsteht. So dient der Umrichter
einerseits der Blindleistungskompensation gegenüber dem Stromnetz und
erzeugt andererseits das benötigte Ausgangssignal für ein Magnetfeld
mit steuerbarer Wandergeschwindigkeit.
|
Technik im Detail: Der am Fahrzeug
installierte Rechen am linken unteren Bildrand wird verwendet, um die genaue
Position des Fahrzeugs auf der Launchstrecke zu ermitteln; im linken oberen
Bildbereich ist ein Lüfter zur erkennen, der Wärme vom unterhalb der
Schiene angebrachten Stator abführt; die dicken Elektrokabel in der
Bildmitte zeigen deutlich, welcher Stromfluss für die Ansteuerung der
LIM-Module notwendig ist |
Die Magnetfeldgeschwindigkeit ist der Schlüssel zur
Regelung des LIM-Antriebes. Zur Optimierung des Wirkungsgrades sollte sich der
Geschwindigkeitsunterschied zwischen Magnetfeld und Zug - die
Relativgeschwindigkeit Δv - in einem bestimmten Wertebereich befinden.
Das dargestellte Kraftdiagramm zeigt deutlich, dass nur in einem bestimmten
Bereich der Relativgeschwindigkeit die vom Stator erzeugte Kraft F ihr Maximum
erreicht.
Die Frequenz des angelegten Stroms wird in
Abhängigkeit der gemessenen Zuggeschwindigkeit geregelt. Dabei gehört
es zum Know How der Ingenieure, die Frequenz für den jeweiligen
Geschwindigkeitsbereich optimal zu wählen. Durch die Programmierung einer
Frequenzrampe sind auch schwierige Anlaufbedingungen ohne starke
Überstromspitzen zu bewältigen. Viele Frequenzumrichter können
dabei selbst überwachen, ob der Motor innerhalb seines zulässigen
Schlupfes läuft, und somit ein "Abreißen" des Wanderfeldes zum
Läufer verhindern.
Unterstützt wird die Variation der
Wanderfeldgeschwindigkeit durch die Wahl des Statortyps. Je nach
Ausführung der Statorwicklung bewegt sich das Magnetfeld bei gleicher
Stromfrequenz unterschiedlich schnell. Ein für einen
Geschwindigkeitsbereich um 50 Stundenkilometer optimal ausgelegter Motor ist
zum Beispiel nur schwer in der Lage, einen Zug aus dem Stand heraus
anzuschieben. Um einen Zug von 0 auf 90 Stundenkilometer zu beschleunigen,
kommen daher üblicherweise etwa drei bis fünf verschieden gewickelte
Statortypen zum Einsatz.
|
Links: Ein Inverted Fahrzeug mit drei
Kupferschwertern; das Antriebssystem ist baugleich mit California Screamin' -
rechts: Als besonderer Clou sind zwischen den LIM Modulen zuschaltbare
Permanentmagnete installiert; das statische Magnetfeld zwischen den Luftspalten
generiert bei Durchfahrt des Zuges Wirbelströme im Kupferschwert, welche
in der Rückwirkung den Zug abbremsen |
Schließlich muss eine Überhitzung der
anfälligen Statormodule ausgeschlossen werden. Ein zwölf Meter langer
Achterbahnzug überdeckt auf einer 50 Meter langen Launchstrecke weniger
als 20 Prozent der linearen Motoren. Ein Leerlauf der Motoren, also ein
fehlendes Wirkmedium im Luftspalt, kann schnell zu einer Überhitzung
führen. Um dies zu vermeiden, werden die im Leerlauf befindlichen Motoren
ausgeschaltet. Sensoren ermöglichen die Ermittlung der Zugposition, und
elektrische Schalter, sogenannte Thyristoren, sorgen für die
millisekundengenaue Ansteuerung der LIM-Module. Für die bessere
Abführung der Abwärme werden lineare elektromagnetische Launchsysteme
vielfach mit aktiver Luftkühlung betrieben. Modernste
Beschleunigungssysteme verfügen sogar über Fluidkühlungen,
welche am effektivsten die Wärme aus den Statormodul abführen.
Katapultsysteme mit LIM-Modulen bilden ein Antriebssystem,
das sich prinzipiell auch ohne großen Regelungsaufwand betreiben
lässt. Für einen höheren Wirkungsgrad sind jedoch Umrichter und
eine gewisse elektronische Infrastruktur notwendig. Dennoch lassen sich je nach
Geschwindigkeit nur 30 bis 70 Prozent der aufgenommenen elektrischen Energie in
kinetische Energie des Fahrzeugs umsetzen. Im Extremfall werden demnach nur 30
Prozent des vom Statorfeld verbrauchten Stromes tatsächlich verwendet, um
den Zug zu beschleunigen. Die verbleibenen 70 Prozent werden hauptsächlich
dazu verwendet, um das Magnetfeld im Läufer (der Alu- oder Kupferplatte am
Zug) zu erzeugen. Dabei entstehen in der Platte hohe elektrische
Wirbelströme, welche unumgänglich in Verlustwärme umgesetzt
werden. Im Mittel erreichen LIM-Systeme einen Wirkungsgrad von etwas weniger
als 50 Prozent.
Um den Energieverbrauch und somit die Betriebskosten der
Linear Induktions Motoren in Grenzen zu halten ist ein Umrichterbetrieb
unumgänglich. Während die Statoren den geringeren Teil der
Investitionskosten eines Linearantriebes ausmachen, treiben die
leistungsstarken Umrichter die Initialkosten in die Höhe. Der
fortscheitende Stand der Technik führte innerhalb der letzten 15 Jahre zu
verschiedenen Weiter- und Neuentwicklungen, welche das Karussell der
Antriebstechniken unter den Launchcoastern vielfältiger denn je
machte. |
|
Neben Premier Rides gilt die Firma Intamin als der Pionier
unter den elektromagnetischen Achterbahn-Antriebssystemen. 1997 durchbrach der
Hersteller in Zusammenarbeit mit der deutschen Firma Intrasys auf dem Tower of
Terror im australischen Dreamworld erstmals die Geschwindigkeitsmarke von 161
km/h. Die Firma mit Hauptsitz in Liechtenstein setzt dabei ihr Know How im
Bereich Steuerungs- und Regelungstechnik in Zusammenarbeit mit externen
Spezialfirmen zu immer neuen Superlativen der Antriebstechnik ein. Bis heute
wurden rund 40 linear-elektromagnetisch gepowerte Achterbahnen ausgeliefert.
Damit beherrscht Intamin etwa 50% des Weltmarkts - die Applikationen reichen
von linearen Launch-Strecken, Schrägliften und senkrechten
Katapultstrecken.
|
Das Funktionsprinzip des Linear Synchron
Motors: Der Läufer (Zug) gleitet wie ein Surfbrett über das wandernde
Statormagnetfeld |
Um die Nachteile der LIM-Antriebe, vor allem ihren
schlechten Wirkungsgrad, zu minimieren, wurde bei Intamin die Entwicklung der
LSM-Technik im neuen Jahrtausend intensiviert: Moderne elektromagnetisch
gepowerte Intamin Anlagen wie der Loopingcoaster Maverick in Cedar Point, die
Wasserachterbahn Atlantis Adventure in der südkoreanischen Lotte World
oder Cheetah Hunt im amerikanischen Busch Gardens Tampa Bay verwenden
weiterentwickelte Generationen von LSM Antrieben.
Ein LSM unterscheidet sich vom LIM in einem einzigen Detail:
Beim Läufer wird statt einer Kupfer- oder Aluminiumplatte ein Magnetbalken
mit alternierender Polarität eingesetzt. Der Stator taucht in einen etwa
40 Millimeter breiten Luftspalt ein, der beidseitig von Permanentmagneten
gebildet wird. Die Asynchron- wird dabei zur Synchronmaschine: Statt dass ein
Magnetfeld im Läufermedium vom elektromagnetischen Wanderfeld der Statoren
induziert wird, interagiert das Magnetfeld der Permanentmagnete direkt mit dem
elektrisch erzeugten Wanderfeld im Stator. Das Fahrzeug reitet wie ein
Surfbrett auf der elektromagnetischen Welle des Statormagnetfeldes.
Der Wirkungsgrad des LSM ist mit 60 bis 70 Prozent
höher wie der des LIM, obwohl die Magnete am Fahrzeug die zu
beschleunigende Masse vergrößern. Eine höhere Masse erfordert
mehr Leistung, um gleiche Beschleunigungswerte zu erhalten. Die etwa 200
Kilogramm schweren Magnetbalken erhöhen das durchschnittliche
Fahrzeuggewicht eines beladenen Achtwerbahnwagens von knapp zwei Tonnen um rund
zehn Prozent. Somit ist eine zehn Prozent höhere Energiespeisung der
Motoren von Nöten, um gleiche Beschleunigungscharakteristika zu erhalten.
Der deutlich vorteilhaftere Wirkungsgrad des LSM wird somit reduziert, liegt
jedoch immer noch über dem des LIM. Zudem werden die installierten
Magnetpaare auch zum Bremsen in der klassischen Wirbelstrombremse verwendet.
Damit ist der Gewichtsnachteil fast wieder relativiert, da ansonsten
Bremsschwerter oder andere Funktionsflächen mit Eigengewicht am Fahrzeug
vorzusehen sind.
Der höhere Wirkungsgrad des LSM gegenüber dem LIM
ist auf das permanente Magnetfeld im Läufer zurückzuführen. Beim
LIM wird das benötigte Reaktionsfeld in der Aluminium- oder Kupferplatte
über das Statorfeld erzeugt. Dabei entstehen in der Platte hohe
elektrische Wirbelströme, welche in Form von Verlustwärme eine
Verringerung des Wirkungsgrades bedeuten. Beim LIM entstehen zirka 40 Prozent
der Verluste im Läufer.
Der geringere elektrische Anschlusswert, also die
Betriebskosten, sind beim LSM nur ein Vorteil. Auch die Initialkosten sind
geringer, da kleinere Umrichter verwendet werden können und nur die
Hälfte der Statoren wie bei einem vergleichbar leistungsfähigen LIM
benötigt werden. Die Mehrkosten für die Ausrüstung der Züge
mit Magnetbalken im Vergleich zur Alu- oder Kupferplatte beim LIM fallen kaum
ins Gewicht. LIMs spielen ihren Vorteil praktisch nur noch bei sehr strengen
Anforderungen an das Fahrzeuggewicht aus.
Ganz ohne Nachteile kommt jedoch auch ein LSM-Antrieb nicht
daher, denn er erfordert eine weitaus genauere Ansteuerung der linearen
Motoren: Die Geschwindigkeit des wandernden Magnetfeldes muss exakt mit der
Geschwindigkeit des Zuges synchronisiert sein. Ansonsten "verliert" das
Statorfeld den Zug und es findet keine Beschleunigung statt. Die
Positionierungsgenauigkeit des Zuges liegt bei wenigen Millimetern, um das
Statorfeld zu den Permanentmagneten des Zuges synchron laufen zu lassen. Dazu
ist ein im Vergleich zum LIM hochpräzises und meist empfindlicheres
Positionsermittlungsystem erforderlich. Die Positionen der Sensoren
untereinander und in Bezug auf die Statoren muss millimetergenau stimmen. Kommt
es zu Ausfällen einzelner Sensoren, kann der Beschleunigungszyklus zum
Erliegen kommen.
Weiterhin unterliegen die an den Fahrzeugen eines jeden
Zuges angebrachten Permanentmagnetbalken alternierender Polarität einer
hohen Fertigungstoleranz. Die Abstände der Poländerungen von Nord
nach Süd müssen millimetergenau toleriert sein, sowohl an jedem
Magnetbalken eines jeden Fahrzeugs als auch von Fahrzeug zu Fahrzeug bei
aneinander gekoppelten Zugsystemen. Ansonsten befindet sich das
Permanentmagnetfeld vom vorderen Wagen nicht mehr synchron zum hinteren Wagen,
Beschleunigungsverluste sind die Folge. |
|
LIM/LSM Innovationen in
chronologischer Reihenfolge (Stand 2015) |
Flight
of Fear, Kings Island, USA, 1996, Hersteller: Premier Rides |
|
Erste
LIM-Achterbahn weltweit - die fünfgliedrigen Züge werden auf 86km/h
katapultiert |
Tower
of Terror, Dreamworld, Australien, 1997, Hersteller: Intamin |
|
Von
null auf 161km/h in sieben Sekunden - bis heute die schnellste und mit 100
Meter Fall die höchste LSM-Achterbahn der Welt |
Linar
Gale, Tokyo Dome City, Japan, 1998, Hersteller: Intamin |
|
Erster LIM-Shuttle Coaster der Welt; Zudem erster LIM-Coaster
mit Suspended Zügen |
Volcano:
The Blast Coaster, Kings Dominion, USA, 1999, Hersteller: Intamin |
|
Erster LIM-Coaster mit zwei hintereinander folgenden
Launch-Sektionen |
California Screamin', Disney California Adventure, USA,
2001, Hersteller: Intamin |
|
Erster LIM-gepowerter Coaster mit Launch und Lift; mit 1650
Schienenmetern die längste LIM-Achterbahn der Welt |
Halfpipe, Särkänniemi Amusement Park, Finnland,
2003, Hersteller: Intamin |
|
Erster Shuttle LSM-Coaster mit drehbaren Gondeln |
Mummy - The Ride, Universal Studios Florida, USA, 2004,
Hersteller: Premier Rides |
|
Erster LIM-Coaster mit Katapultstart eine 30° geneigte
Rampe hinauf |
Formule X, Drievliet, Niederlande, 2007, Hersteller: Maurer
Söhne |
|
Erster LSM-Coaster mit Energiespeicher in Form eines
mechanischen Schwungrades |
Cheetah Hunt, Busch Gardens Tampa Bay, USA, 2011,
Hersteller: Intamin |
|
Erster LSM-Coaster mit weltweit drei Launch
Abschnitten |
Superman Ultimate Flight, Six Flags Discovery Kingdom, USA,
2012, Hersteller: Premier Rides |
|
Erster "Vertical" LSM-Coaster - eine Achterbahn mit
vertikalen "Rundkurs" |
U-shaped Roller Coaster, Victory Kingdom, China, 2013,
Hersteller: Intamin |
|
Erster LSM-Coaster mit Wing-Fahrzeugen |
|
|
|
Neben Premier Rides und Intamin als Entwicklungsmotoren der
elektromagnetischen Launch-Antriebssysteme hat sich die Firma InTraSys aus
München auf synchrone Antriebssysteme für Achterbahnen spezialisiert.
Aus der ersten Zusammenarbeit mit Intamin für die 161 Stundenkilometer
schnellen LSM-Achterbahnen Tower of Terror im australischen Brisbane oder
Superman the Escape für Six Flags Magic Mountain in Kalifornien
entwickelten sich weitere Möglichkeiten. Vekoma verwendete 1999 einen LSM
Antrieb von InTraSys beim Rock 'n' Roller Coaster in der Walt Disney World.
Heute liefert das kleine Technologieunternehmen LSM-Komplettlösungen
für praktisch alle Firmen der Branche, die selber keine eigene
Entwicklungshistorie bei Magnetantrieben besitzen. Vekoma, Zierer, Maurer
Söhne, Mack, Gerstlauer und neuerdings auch Bolliger&Mabillard
gehören zu den Kunden. Premier Rides ordert seit dem Umstieg von LIM auf
LSM im Jahre 2010 ebenfalls bei den Münchnern.
Für den Rock 'n' Roller Coaster schlugen Intrasys und
Vekoma im Jahre 1999 noch einen ungewöhnlichen Weg ein: Die
fahrzeugseitigen Magnete des LSM-Antriebs wurden nicht an jedem der fünf
Züge der Anlage angebracht, sondern ausschließlich an einem
Mitnehmerschlitten, der die Katapultstrecke auf einer eigenen Schiene unterhalb
des Zuges befährt. Ein fliegender Start ist mit diesem System nicht
möglich, da der Zug im Ruhezustand in den Mitnehmerschlitten einhakt. Auf
der anderen Seite ist kein höheres Zuggewicht von Nöten. Entsprechend
mussten die Vekoma-Züge nicht aufwändig neu konstruiert werden, um
das höhere Gewicht sicher über die Fahrwerke auf die Schiene zu
übertragen. Zusätzlich muss nur ein Fahrzeug - der Schlitten - mit
hochwertigen und entsprechend teuren Permanentmagneten ausgestattet werden.
Dieser wird gegenüber den Vekoma-Zügen deutlich präziser
seitlich geführt, womit der Luftspalt zwischen Magneten und den
doppelreihigen Statoren problemlos auf das benötigte Mass reduziert werden
konnte. Das seitlich nicht einstellbare Vekoma Fahrwerk hätte zu derart
grossen Dimensionen des Luftspaltes geführt, dass ein LSM-Antrieb nicht
wirtschaftlich gewesen wäre.
Die deutlich weiterentwickelte, neueste Generation des
InTraSys LSM-Systems kommt seit 2007 auf dem Maurer Söhne X-Car Coaster
Formule X im niederländischen Freizeitpark Drievliet zur Anwendung. Das
System aus doppelreihigen Statoren wird noch heute auf allen LSM-Anlagen von
Intrasys eingesetzt.
In zwei Sekunden beschleunigen 26 paarweise installierte
LSM-Module das Fahrzeug auf 70 Stundenkilometer. Zur Erfassung seiner Position
befinden sich zwischen den Modulen Sondenblöcke, die das Feld der am
Fahrzeug montierten Permanentmagnete detektieren. Eine zweifache, auf Windows
NT bzw. Linux ablaufende softwarebasierte Steuerung fragt die Sensoren alle 50
Mikrosekunden - dies entspricht 0,00005 Sekunden - ab und regelt im
Containerraum die Frequenzumrichter sowie die Schütze, welche die
LSM-Module schalten. Bei den Modulen, in deren Wirkbereich sich das Fahrzeug
gerade nicht befindet, werden die Statoren kurzgeschlossen. Sie wirken somit
als Magnetbremse, falls das Fahrzeug das erste Fahrelement nicht bewältigt
und zurückrollt.
Bei Formule X wird nicht die Frequenz des Magnetfeldes
geregelt, sondern die Phasenlage. Das Magnetfeld der Magnete am Fahrzeug wird
mittels Sensoren detektiert und daraus in kurzen zeitlichen Abständen
errechnet, wie das Statormagnetfeld für eine optimale Beschleunigung
ausgebildet sein muss. Die Umrichter werden dann derart angesteuert, dass die
Statoren das entsprechende Magnetfeld erzeugen. Durch die in geringen
zeitlichen Abständen erfolgende Ansteuerung der Statoren ergibt sich im
Ergebnis dennoch ein stetiger Verlauf des Magnetfeldes.
Die Beschleunigung von bis zu 1g setzt nahtlos und ohne
Vorwarnung ein und wirkt daher besonders bei der Erstfahrt sehr unerwartet. Die
LSMs packen überraschend knackig zu und katapultieren das Fahrzeug nach
der 22 Meter langen Launchstrecke in die erste Fahr- und Inversionsfigur. Beim
Start wird in den Statoren eine elektrische Verlustleistung in Wärme
umgesetzt. Um die empfindlichen Antriebseinheiten vor einer zu großen
Aufheizung zu schützen, produzieren aktive Luftkühlsysteme in Form
von Ventilatoren einen Luftstrom entlang der Statorreihen. Gekühlt werden
nur die ersten drei Statoren, da diese aufgrund der geringen Geschwindigkeit
des Zuges an dieser Stelle länger aktiviert sind als die folgenden Motoren
und die meiste Hitze entwickeln.
Der LSM-Antrieb von Formule X benötigt während des
zweisekündigen Launchs eine Spitzenleistung von 450 Kilowatt. Um die
Anschlussleistung so gering wie möglich zu halten, besteht die
Energieversorgung aus einem mechanischen Energiespeichersystem mit Schwungrad,
Schwungradmotor und elektrischem Generator. Der Motor bringt das vier Tonnen
schwere Schwungrad auf die Nenndrehzahl von 1500 Umdrehungen pro Minute.
Während des Starts wandelt ein Generator die Rotationsenergie des
Schwungrades in elektrische Energie um und liefert einen Spitzenstrom von 750
Ampere. Das Schwungrad minimiert die Anschlussleistung auf etwa ein Viertel der
Spitzenlast, wobei die benötigten 125 Kilowatt (davon weniger als 100
Kilowatt für den Schwungradmotor) auch für einen Kettenliftantrieb
mittlerer Größe zu veranschlagen wären. Nach jedem Launch
benötigt der Elektromotor cirka elf Sekunden, um das Schwungrad wieder auf
Touren zu bringen; bei der morgendlichen Inbetriebnahme der Anlage dauert das
Anfahren fünf bis sechs Minuten.
Formule X zeigt, dass moderne LSM Coaster heutzutage keine
Anschlussleistungen im Megawatt-Bereich besitzen müssen. Die geringe
Spitzenleistung von 450 Kilowatt ist im Vergleich zu den 3600 Kilowatt des
Premier Rides LIM System aus dem Jahre 1996 jedoch nicht auf einen schlagartig
verbesserten Wirkungsgerad der LSM-Technologie zurückzuführen - in
dieser Beziehung ist die Technik ausgereizt. Der Schlüssel ist das geringe
Zuggewicht in Kombination mit einer sehr moderaten Endgeschwindigkeit. |
|
Die Möglichkeiten der Gestaltungsfreiheit der Katapulte
bei LIM- und LSM-Systemen scheinen theoretisch grenzenlos, doch praktisch zeigt
das Wirkprinzip schnell seine Grenzen. Zwar ist ein mechanischer
Verschleiß der Antriebe nicht vorhanden, doch auf der elektrischen Seite
ist der Wartungsaufwand der Schrankreihen aus elektrischen Schaltungen,
Thyristoren und Frequenzumrichtern nicht zu unterschätzen. Statt
Mechanikern sind hochspezialisierte Elektrotechniker gefragt, wenn das System
aus unerfindlichen Gründen seinen Dienst verweigert - meist können
dann nur noch die Experten der Hersteller bzw. deren Systemlieferanten helfen.
Zudem können der Energiebedarf und die Initialkosten
bei Hochgeschwindigkeits-Achterbahnen ein Verkaufskiller sein. Nur zwei der 80
rund weltweit operierenden LIM- und LSM-Coaster erreichen bislang
Geschwindigkeiten deutlich über 100 Stundenkilometer. Um die
Energiereserven zu schonen wurde sogar im kalifornischen Six Flags Magic
Mountain über viele Jahre das System nur auf zwei Drittel der Maximallast
ausgefahren: Statt mit 161 Stundenkilometer Spitzengeschwindigkeit wurden die
Wagen des Superman the Escape nur auf etwa 120 beschleunigt. Neue, leichtere
Fahrzeuge ermöglichen seit 2011 wieder die volle
Spitzengeschwindigkeit.
|
Das Intrasys-System mit den typischen
Doppelstatoren wird seit Formule X bis heute auf rund 25 Anlagen eingesetzt, so
auch auf der Gerstlauer Achterbahn Junker im finnischen Power Park - links: im
Startbereich sind die luftgekühlten Statoren nebst Lüfter zu
sehen. |
In die Bewegungsenergie geht die zu erreichende
Zielgeschwindigkeit quadratisch ein: Eine Verdopplung der Geschwindigkeit von
100 auf 200 km/h bedeutet eine Vervierfachung der benötigten Energie. Die
Beschleunigung an sich ist nicht das Problem: Ein Stator von einem Meter
Länge kann eine Kraft bis zu etwa 10 Kilonewton erzeugen. Bei einem
Zuggewicht von zehn Tonnen entspricht das einer Beschleunigung von 0,1g.
Praktischerweise sind bei einem Zug mit diesem Gewicht rund zehn Statoren in
Überdeckung mit den Magneten / Aluschwertern am Zug, womit sich eine
Beschleunigung von typischerweise 1g ergeben würde. Hohen
Endgeschwindigkeiten steht in der Praxis jedoch das Wirkprinzip selber
entgegen: Das Magnetfeld im Zug generiert im Stator eine Gegeninduktion. Diese
Spannung muss vom Umrichter überwunden werden, um überhaupt erst eine
Beschleunigungskraft zu erzeugen. Derart potente Umrichter, die auch bei hohen
Geschwindigkeiten und damit hohen induzierten Gegenspannungen noch Reserven
aufweisen, sind derzeit nicht erhältlich.
Und es gibt eine weitere Kostenhürde. Selbst wenn sich
die Energie und damit die Beschleunigungskraft bereitstellen ließe, so
muss die Kraft für eine bestimmte Zeit auf den Zug einwirken, um ihn zu
beschleunigen. Bei einer hohen Ausgangsgeschwindigkeit passiert der Zug die
Statoren entsprechend schnell - legt also während der Beschleunigungszeit
eine lange Strecke zurück, die quasi vollständig mit Statoren
bestückt sein muss. Als Zahlenbeispiel wird ein Zug mit 1g aus dem Stand
beschleunigt. 100 km/h erreicht er nach 39,2 Metern, 200 km/h erst nach 156,8
Metern - die Investitionskosten in Statormodule und Ansteuerungstechnik
vervierfachen sich bei einer Verdopplung der Endgeschwindigkeit.
Die letzte Hürde liegt in der Bestromung derart langer
Launchstrecken. Ein zentraler Umrichter vermag die Statoren nur auf einer
bestimmten Distanz mit Strom zu versorgen - werden die Kabelwege zu lang, kommt
immer weniger Strom an ihrem Ende an. Eine naheliegende Lösung wären
dezentrale Umrichter, die mit einer Steuerungslogik miteinander verschaltet
sind. Diese würden eine bestimmte Anzahl von Statoren mit Strom versorgen,
die Kabellängen wären wieder in einem wirtschaftlich Rahmen.
|
Links: Der Hydraulikantrieb von KingdaKa
drückt ein Ölvolumen mit 300bar, dem 300-fachen Luftdruck, über
armdicke Schläuche durch rund 50 Hydraulikmotoren, welche eine Seilwinde
antreiben - Im Vordergrund ist einer von zwei Öltanks zu sehen, links und
rechts des Bildes die Stickstofftanks mit nachgeschalteten
Öl-Kolbenspeichern - rechts: Die 200 Meter lange Launch- und Bremsstrecke
führt auf einen 139 Meter hohen Turm |
Derartige Hürden und Kostennachteile existieren bei
Hydrauliksystemen, welche auf Achterbahnen mit bis zu 240 Stundenkilometer
eingesetzt werden, in einem deutlich geringerem Maße. Der Hauptgrund
liegt in der stärkeren Beschleunigung, die Launchgerade mitsamt ihrer
Technik ist kürzer. Zudem bedarf es nur eines zentralen Antriebes statt
die gesamte Strecke mit linearen Motoren auszurüsten.
Hydraulische Antriebssysteme sind fast grenzenlos
skalierbar, wie das Beispiel KingDa Ka von Intamin im Six Flags Great Adventure
bei New York zeigt. Selbst den rund zehn Tonnen schweren Zug vermag das
Hydraulikkatapult mit einer mittleren Beschleunigung von 1,5g auf 210
Stundenkilometer zu beschleunigen - und benötigt dabei Anschlussleistungen
von unter zwei Megawatt. Ein LSM ist dabei unterlegen. Diese Leistungsbilanz
wird nur dadurch ermöglicht, dass das Energiepotential zwischen den Starts
langsam im hydraulischen Speichersystem über permanent laufende
Hochleistungspumpen aufgebaut wird. Selbst bei langen Beschleunigungsstrecken
sind teure Bauteile wie Druckspeicher, Pumpe und Seilwinde nur einmal notwendig
- wenn auch entsprechend größer dimensioniert. Damit steigen die
Investitionskosten mit wachsender Spitzengeschwindigkeit weniger schnell als
bei einem Magnetantrieb. Die Kehrseite der Medaille sind die höheren
mechanischen Wartungsaufwendungen der hydraulischen Katapultsysteme.
Absolute Superlative in Sachen Endgeschwindigkeiten sind
bislang den Luft- und Hydraulikantrieben vorbehalten: Während die
amerikanische Firma S&S am deutschen Nürburgring die anvisierten
217km/h mittels Luftdruckpower nie erreichen konnte, eröffnete Ende 2010
in der Wüste Abu Dhabis mit Formula Rossa die schnellste Achterbahn der
Welt: Das wuchtige Hydraulikaggregat von Intamin beschleunigt den 16-sitzigen
Formel 1 Zug innerhalb von viereinhalb Sekunden von null auf 240
Stundenkilometer.
Für den grössten Nachteil der LSM / LIM Motoren,
der hohe, schlagartige Strombedarf für wenige Sekunden, wurden in den
letzten zehn Jahren verschiedene Lösungskonzepte umgesetzt. Diese
führten dazu, dass LSM Coaster seit 2007 auch in Europa wie Pilze aus dem
Boden schiessen. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es vorher nur drei
Linear-Katapulte in Europa. Um den Energiebedarf zu reduzieren, setzen viele
Hersteller auf Einzelfahrzeuge oder kürzere Züge. Die Fliegengewichte
werden zudem auf Geschwindigkeiten von maximal um 100 km/h beschleunigt. Mit
diesen Parametern sind Anschlusswerte von 500 bis 1000 KW, also 0,5 bis 1
Megwatt, realisierbar. Weiterhin verringern Energiespeichersysteme die
Spitzenlast um ein weiteres, bringen jedoch bei den aktuell eingesetzten
Schwungrädern wieder eine mechanische Verschleißkomponente ins
Spiel. Hochleistungsbatterien, sogenannte Supercaps, arbeiten ohne Mechanik und
spiegeln das wartungsarme, verschleissfreie Konzept der Magnetantriebe besser
wider: 2009 installierte Intamin erstmals ein derartiges System auf dem 115
km/h schnellen LSM Coaster iSpeed im italienischen Mirabilandia. Der Antrieb
wird durch neuartige, wartungsfreie Supercap-Speicherkondensatoren gespeist,
welche zwischen den Launch-Zyklen aufgeladen werden. Die elektrische
Spitzenlast wird dadurch auf ein Drittel gesenkt, der Stromverbrauch bleibt
jedoch identisch. Strom-Verbraucher wie Freizeitparks bezahlen in Europa
üblicherweise jedoch nach ihrer Spitzenlast und können mit der
Energiespeicherung die Betriebskosten deutlich senken. |
|
LSM Launchcoaster sind seit zehn Jahren voll im Trend. Neben
den Entwicklungspionieren Intamin und Premier Rides setzt fast jeder nahmhafte
Hersteller auf dieses Zugpferd: Maurer Söhne machte mit Formule X in
Drievliet 2007 den Anfang, Gerstlauer folgt 2008 mit Lynet im dänischen
Faarup Sommerland und auch Mack Rides debütierte 2009 mit der Loopingbahn
Bluefire im Europa Park. Selbst der für gigantische Achterbahnen mit
schweren Zügen bekannte Schweizer Hersteller Bolliger&Mabillard stieg
2015 mit deutlich Verspätung in den LSM-Launch Coaster Markt ein.
|
Zwei neue Weltrekord LSM-Coaster
Kandidaten - Links: Europas zukünftiger Höhen- und
Geschwindigkeitsrekordhalter im spanischen Ferrari Land - rechts: Der Intamin
LSM Coaster mit "Schaukel"-LSM-Launch und 57 Meter hohem Looping (Weltrekord)
wird 2016 im chinesischen Wanda Themenpark eröffnen |
Obwohl die elektrischen Linearbeschleuniger mit der bei
Hydrauliktechnik konkurrieren mussten, haben sie sich heute bei kleinen und
mittleren Anlagen durchgesetzt. Dabei beschleunigen die meisten Anlagen ihre
Züge oder Einzelwagen auf Endgeschwindigkeiten von 80 bis 100
Stundenkilometer. Die 161 km/h (in sieben Sekunden) der beiden LSM-Pioniere
Terror of Terror und Superman the Escape aus dem Jahre 1997 bilden bis heute
eine Liga für sich. Kein Hersteller hat sich bislang an diese Kennwerte
getraut - selbst nicht mit den neuesten Stator-Generationen.
2017 soll Intamin mit einer 112 Meter hohen
Katapultachterbahn für das Ferrari Land bei Port Aventura dem ein Ende
setzen. Der Hersteller hat in Sachen LSM-Antrieb eine stetige
Entwicklungsarbeit betrieben. Die publizierten, technischen Kenndaten
führen zielgerichtet auf den LSM-Antrieb, um die rund 150 Meter lange
Launchstrecke mit Strom zu speisen. Einzig und allein die Beschleunigung bleibt
gegenüber dem Hydraulikantrieb zurück: Die Schwesteranlage Formula
Rossa katapultiert den Zug mittels Hydraulikantrieb in 4.5 Sekunden auf 240
Stundenkilometer, die Züge in Spanien werden in etwa fünf Sekunden
nur rund 180km/h erreichen, was einer mittleren Beschleunigung von einem g
entspricht. Ein an sich extrem hoher Wert für einen LSM-Antrieb,
insbesondere bei dieser Endgeschwindigkeit. Gegenüber den mitttleren 1.5g
des Hydraulikcoasters Formula Rossa wird sich der kleine Bruder also sehr
respektabel schlagen. Weitere Intamin Achterbahnen wie zum Beispiel der neue
PolerCoaster mit 160 Meter hohem LSM-Senlrechtlift könnten von dieser
Entwicklung profitieren.
LSM-Anlagen werden immer vielfältiger: Gegenüber
den Hydraulikcoastern mit ihrem initialen Katapultstart können sie auch
inmitten des Layouts zusätzliche Energie dem Zug zuführen. Derartige
Double- oder Triple-Launches wurden bereits mehrfach realisiert. Beispiele sind
Helix im schwedischen Liseberg von Mack (Double Launch) oder Cheetah Hunt von
Intamin im Busch Gardens in Florida (Triple Launch). In Deutschland wird 2016
mit Taron der erste Double Launch Coaster an den Start gehen.
Auf Shuttle Coastern wird die gleiche LSM-Strecke sogar
mehrfach durchfahren. Beim Premier Rides Prototypen Superman Ultimate Flight im
Six Flags Discovery Kingdom bei San Franciso wird die Antriebsstrecke dreimal
bezwungen, um den Zug auf eine Spitzengeschwindigkeit von 100 Stundenkilometer
zu bringen. Direkt gegenüber dieser Anlage steht der Intamin Impulse
Coaster, auf dem die Suspended Züge in ebenfalls drei Schwüngen auf
Tempo 105km/h beschleunigt werden. Dessen "alter" LIM-Antrieb wurde bereits auf
sechs Bahnen weltweit eingesetzt. Eine Neuauflage scheint an die chinesische
Wanda Gruppe verkauft worden zu sein. Artworks des Wanda Wuxi Parks versprechen
einen Shuttle Coaster in einem See mit Untergrund-Launch und Station. Nur die
beiden Spiraltürme sind für die Besucher sichtbar und schrauben sich
kunstvoll aus der Wasseroberfläche empor.
Zudem hat LSM Pionier Intamin einen neuartigen LSM-Launch
für den Wanda Themenpark Hefei in China entwickelt. Diese 2016
eröffnende Weltneuheit wird den Zug dreimal in einem Schienen-U auf rund
125 Stundenkilometer aufschaukeln lassen. Die Fahrgäste fahren
vorwärts und rückwärts, bis sie den Hochpunkt eines 57 Meter
hohen Non-Inverted Loops überqueren und die restliche, rund 1300 Meter
lange Strecke erleben. Der geschlossene Rundkurs wird über eine Weiche
realisiert. Und selbst die erste LSM-Holzachterbahn eröffnet bereits 2016:
Rocky Mountain Construction setzt auf dem Lifthügel des Lightning Rod im
amerikanischen Dollywood ein Statorsystem ein, um die Züge auf dem rund 35
Grad ansteigenden Lift auf Tempo 70 zu beschleunigen. Die
Höchstgeschwindigkeit erreichen die Wagen auf etwa zwei Drittel der
Lifthöhe, womit sie auf den letzten Metern wieder verzögern und mit
eher gemässigter Geschwindigkeit über die Kuppe fahren. Extremste
Ejector Airtime auf der Liftkuppe könnte aber dennoch garantiert sein.
Text: Coastersandmore - jp Bilder / Skizzen:
Archiv, Coastersandmore, Disneyland Paris, Wanda |
|
|