Für einen 100 Millionen US-Dollar teuren Action-Ride kommt
der Eingangsbereich von The Amazing Adventures of Spider-Man recht
unspektakulär daher. Keine Turm- oder Schienenkonstruktion weisen wie beim
benachbarten Hulk Coaster auf dieses unglaubliche High-Tech Fahrgeschäft
hin, welches in einer fast Fußballplatz großen umbauten Halle Platz
findet. Einzig und allein die Spider-Man Figur thront über dem Eingang des
Verlagshauses der Daily-Bugle Zeitung.
The Amazing Adventures of Spider-Man ist eine Kreuzung aus
Simulator, 3-D Kino und Dark-Ride, welche unter der Leitung des
hauseigenen Entwicklerteams von Universal Creative erschaffen wurde und im
Jahre 1999 zur Eröffnung der Islands of Adventure die Meßlatte
für Themenparkattraktionenum um ein Vielfaches höher legte. Selbst
die beeindruckenden Disney Kreationen Indiana Jones Adventure im Disneyland in
Kalifornien oder Dinosaur im 15 Meilen südlich gelegenen Animal Kingdom
werden von Spider-Man bei weitem übertroffen, denn hier bewegen sich die
Fahrgäste durch die dreidimensionale Comicwelt des Protagonisten, wobei
die Kulissenbauten mit der virtuellen Realität von 3D-Filmprojektionen und
Live-Actioneffekten zu einem vollkommen neuen Erlebnis verschmelzen.
Das Abenteuer beginnt in der Eingangshalle des Verlagshauses der
Tageszeitung Daily Bugle, in dem der Protagonist Peter Parker alias Spider-Man
als freier Fotograf zuarbeitet. Der Wartebereich führt durch
unzählige Flure und Büros, die allesamt menschenleer sind - Telefone
läuten, Stories auf den Bildschirmen sind nur halb fertig verfasst. Die
Fernseher geben Aufklärung: Der tentakelarmige Dr. Octopus und seine
Sinister Syndicate Gang haben mit Hilfe einer Antigravitationskanone die
Freiheitsstatue "entführt" und drohen nun ganz New York als Geisel zu
nehmen.
Die Mission der Gäste: Das neue Newsmobil "Scoop" zu
besteigen, um dem geldgierigen Verleger J. Jonah Jameson eine
seitenfüllende Story abzuliefern. Ausgestattet mit "Nachtsichtbrillen"
nehmen jeweils zwölf Personen in den vollautomatisch gesteuerten
Scoop-Fahrzeugen Platz, um aus dem Moloch von Manhatten über die aktuellen
Geschehnisse zu berichten. Die Fahrt beginnt und man bleibt im
hochtechnisierten Scoop nicht lange vor den fiesen Attacken der
Syndikatsmitglieder verschont. Und wenn Doc Oc seine Antigravitationskanone auf
das Gefährt richtet, sind die helfenden Netze von Spider-Man nicht
fern.
|
Dr. Dooms Fearfall ist ein S&S Doppel Space
Shot Tower |
Obwohl die Story während der kurzweiligen Fahrt recht diffus
daherkommt, können die Effekte vollkommen überzeugen. Diese reizen
alle Sinne, der Fahrgast erlebt ein Spektakel, welches stellenweise unfassbar
wirkt. Dabei bilden vor allem die 13 gigantischen Leinwände, welche durch
die Verwendung gleicher Texturen im 3D-Film wie in der Kulisse nahtlos
miteinander verschmelzen, die eigentlichen Schauplätze der Protagonisten.
Ob ein Angriff mit Feuerbällen oder die Attacke mit der berüchtigten
Antigravitationskanone - Die Fahrgäste erleben durch ihre 3D-Brillen eine
neue Dimension der Simulationsshow. Dabei erschaffen die plastischen
dreidimensionalen Animationen mit der gleichzeitigen Bewegung des Fahrzeugs
sowie diverser Spezialeffekte eine äußerst glaubwürdige
Comicwelt. Wenn Spider-Man auf den Scoop springt, schaukelt dieser von der
einen zur anderen Seite, wird bei einem Angriff eines Schurken mehrfach um die
eigene Achse gewirbelt oder vollzieht bei einem 150 Meter tiefen Fall in die
Straßenschluchten Manhattans schlingernde Taumelbewegungen.
Der um sechs Achsen bewegliche Fahrgastträger wurde von den
Ingenieuren des amerikanischen Maschinenbauunternehmens Moog entwickelt,
welches als nahmhafter Zulieferer der Luftfahrt- und Rüstungsindustrie im
Bereich der Servohydraulik und Steuerungstechnik tätig ist. Auch wenn sich
die Wagen nur wenige Dutzend Zentimeter hin- und herbewegen, kann die in
Sekundenbruchteilen durch diverse Aktuatoren erzeugte Beschleunigung im
Zusammenspiel mit dem visuellen Erlebnis den Gleichgewichtssinn fast beliebige
Geschwindigkeiten vorgaukeln. Sechs elektromagnetisch angetriebene
Freiheitsgerade sorgen für diese unglaubliche Bewegungsfreiheit des
Gefährts: Die Plattform kann hoch und runter bewegt werden, nach vorne und
hinten kippen, sich von der linken auf die rechte Seite legen, und sich in alle
vier Himmelsrichtungen bewegen oder mehrfach um die eigene Achse rotieren.
Dabei werden insbesondere die Hubbewegungen sehr flüssig absolviert - auf
Ruckler oder Stösse wie bei dem ein oder anderen Simulator verzichtet die
ausgeklügelte Mechanik. Das Gefährt bleibt auf dem
schienengeführten Parcours immer in Bewegung. Ein senkrecht aufgestelltes,
mit dem Hallenboden fxiertes Leitblech bietet zum einen eine Kontaktfläche
für die antreibenden Reibräder im Fahrzeug. Gleichzeitig dient das
Endlosband als Führung der Wagen, welche mittels vier
Schwerlast-Schwenkrollen mit dem betonierten Hallenboden in Kontakt stehen.
Darüber hinaus wird über 16 digitale Kanäle ein
dynamischer 3-D-Sound aufgefahren, der durch in der Kulisse platzierte Boxen
verstärkt wird. Wenn der Scoop etwa riesigen Flammengeschossen gerade noch
ausweichen konnte, explodiert im Hintergrund der Kulisse ein gewaltiger
Feuerball. Doch es werden noch weitere Sinnesorgane beansprucht: Verborgene
Gebläse pusten den Insassen Fahrtwind ins Gesicht, und wenn Doctor Octopus
auf der Leinwand den Flammenwerfer zündet, wallt echte Hitze auf.
|
Alte und neue Filmversion im Vergleich: Links
der Ende der 90er Jahre gerenderte 70mm Film, rechts die gleiche Szene im
4K-Rendering mit neuen Texturen, Beleuchtungsquellen und
Partikeleffekten |
Um diese geballte Ladung an Effekten zu einer Einheit verschmelzen
zu lassen, war eine über mehrere Monate andauernde Synchronisationsarbeit
von Nöten: Alleine im Scoop überwachen drei voneinander
unabhängige Prozessoren die Bewegungen der sechs Freiheitsgerade,
schließlich müssen diese bis auf fünf Millisekunden mit den
Bewegungen des Geschehens auf den stationären Leinwänden abgestimmt
sein. Desweiteren sorgen 70 vernetzte Computer für das korrekte
Zusammenwirken der weiteren Effekte wie sich bewegenden Kulissen,
pyrotechnischen Explosionen und dem glasklaren Digitalsound.
Für Spider-Man mussten die Entwickler eine besondere
Hürde absolvieren: Normalerweise verfliegt die Illusion der
Raumbildprojektion, sobald sich die Zuschauer auch nur wenige Zentimeter an der
Leinwand vorbei bewegen. Der 3D-Eindruck aus Einzelbildern für das linke
und rechte Auge fügt sich nur aus einer einzigen Blickrichtung
schlüssig zusammen. Nach zeitraubenden Experimenten fanden die Techniker
eine Lösung: Sie schrieben ein Computerprogramm, das die Bewegung der
Zuschauer in das 3D-Modell der Computeranimation einbezieht. Das
"Squinching"-Programm verzerrt die 3D-Bilder derart, dass für den
bewegten Zuschauer eine stabile Perspektive entsteht. Fast drei Jahre
tüftelten die Spezialisten der Animationsfirma Kleiser-Walczak an den
zwölf nur wenige Sekunden dauernden Clips. Das Handwerk dazu erarbeiteten
sie sich unter anderem als Special Effects Zulieferer für das Hollywood
Action-Spektakel X-Men. Um die Perspektive zu jedem Zeitpunkt der Fahrt stabil
zu halten, mussten sämtliche Bewegungen des Fahrzeugs, sein Standort und
die Positionen der insgesamt 25 entlang der Strecke verteilten 70mm
Filmprojektoren wie auch der meist gewölbten Leinwände innerhalb
einer Computersimulation erfasst werden. Mit diesem Input konnte der selbst
entwickelte Algorithmus die vorher erstellten 3D-Bilder der Filmclips
verzerren. Insgesamt wurden 16.000 Einzelbilder für die in der Summe knapp
dreiminütigen Filmsequenzen bearbeitet.
Das Ergebnis ist ein perfektes Showerlebnis und treibt die
Entwicklung der Dark-Rides in eine neue, bisher unbekannte Dimension vor. Das
Gehirn gibt auf und die virtuelle Realität verschwimmt zu einer
atemberaubenden Einheit. Erst nach Verlassen des kurzweiligen Effektspektakels
holt der Merchandising-Shop die Fahrgäste zurück in die Realität
des Themenparks. Nur eines kann dieser Ride nicht erfüllen: Die
Interaktion der Fahrgäste mit dem Geschehen, doch die Kreativen von
Universal werden sicherlich auch diese Hürde in den nächsten Jahren
bezwingen werden. |