Allerdings darf man seinen Augen vertrauen, wenn man nach
Verlassen der Gebäudezeile, die Impossible beheimatet, ein wahres
Architekturhighlight des Pleasure Beach erblickt. Die Station der
größten Holzachterbahn im Park ist dem Eröffnungsjahr
1935 entsprechend im Stil des Modernismus gehalten. Ihre weit ausladend
geschwungenen Stationsdächer überschattet ein über 20 Meter
hoher Art-Deco-Turm, auf dessen Front der Name der Attraktion in großen
Lettern zu lesen ist: Grand National.
Joseph Emberton, damaliger Haus-Architekt des Pleasure
Beach, dessen Ideen unter anderem das Casino-Gebäude am Eingang
des Parks entsprang, zeichnete für das Design des Bahnhofs verantwortlich.
Die Streckenführung wurde dem erfahrenen Charles Paige anvertraut,
der an dem Platz der alten Scenic Railway, in Anlehnung an den
Cyclone Racer im kalifornischen Long Beach, eine in Europa bis
heute einzigartige Holzachterbahn entwarf.
Seinen Namen verdankt der jeweils 1000 Meter lange Holzcoaster dem
größten und beliebtesten Pferde-Hindernis-Rennen
Großbritanniens, welches seit 1836 alljährlich im nicht allzu fernen
Liverpool ausgetragen wird. Und wie es sich für ein echtes Rennen
gehört, liefern sich auch bei dieser Racing-Achterbahn zwei Kontrahenten,
in diesem Fall die beiden auf parallel verlaufenden Fahrspuren entlangrasenden
Wagenverbunde, einen Geschwindigkeitswettstreit. Gerade dieser Aspekt macht
Grand National zu einem äußerst beliebten Fahrgeschäft,
besonders bei größeren Gruppen, die in den beiden konkurrierenden
Zügen wetteifern. Hier wird um den Sieg gekämpft, alles wird gegeben,
um nach einem wahren Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem eigenen Zug zuerst wieder die
Station zu erreichen.
Nach einem Brand im Jahr 2004, bei dem der Bahnhof und die darin
befindlichen Achterbahnwagen zerstört wurden, erstrahlt die klassische
Attraktion wieder im vollen Glanz alter Tage. Gleich nach dem fatalen
Zwischenfall wurde das Stationsgebäude nach Embertons
Originalplänen restauriert und zur Saison 2006 neue Züge von der
Philadelphia Toboggan Coasters aus den USA erworben.
Ein weiter 180° Links- bzw. Rechtsbogen führt die
Chaisen aus der Station heraus, diese parallel an den
Einstiegsplattformen vorbei und durch einen Tunnel unter der zweiten
Nord-Süd Achse des Parks hindurch, bevor der 21 Meter hohe
Lifthügel erklommen wird. Eine 90° Linkskurve geleitet die
beiden Züge zum First Drop.
Was nun folgt ist keineswegs ein ruhiger Ritt, den vielleicht
manch ein Mitfahrer beim Erblicken des recht einfach gehaltenen Layouts der
über 70 Jahre alten Achterbahn erwarten würde. Größenteils
im Schatten der gewaltigen Halle des Valhalla Darkrides versteckt wartet
ein furioses Fest aus Airtime und Adrenalin, welches sich in seiner
Intensität auch vor Attraktionen heutiger Tage nicht zu verstecken
braucht.
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Rechts: Auf der Bremsstrecke mit
nachgerüsteten Magnetbremsen wird der Sieger gekürt |
Der First Drop ist im Falle der Grand National ein
Double Down, die eigentliche Talfahrt wird also durch einen
Extra-Hügel im Gefälle aufgewertet, wodurch eine enorme Portion
Airtime, insbesondere auf den hinteren Plätzen im Achterbahnzug, erzeugt
wird. Nach diesem rauschenden Start erklimmen die beiden Kontrahenten die erste
Steigung, an die sich eine langgezogene Rechtskurve anschließt. Von hier
an beschreibt das Layout zunächst eine große liegende Acht, in deren
Kehrtwenden sich die beiden Züge heiße Duelle liefern und die
jeweils innen liegende Spur natürlich einen kleinen Vorteil im Rennen
genießt.
Nach der Kurve geht es erneut steil bergab, über einen
Airtime-Hügel und wieder hinauf in den nächsten Richtungswechsel,
diesmal nach links. Was folgt ähnelt dem just zuvor erlebten, jedoch wird
dieses Mal zum einen die Holzstruktur der vorherigen Diagonalen durchbrochen,
wodurch die Insassen mit einem netten Headchopper-Effekt erfreut werden,
und zum anderen die Hügelabfahrt mit einem weiteren kleinen Double Down
versüßt.
Nach Absolvierung der Achterschleife tauchen die Achterbahnspuren
in das Tragwerk der darüber liegenden ersten Rechtskurve ein und die
Mitfahrer sind umgeben von einem Labyrinth aus Holzbalken und -streben, welche
die Geschwindigkeit der nie schneller als 60 km/h werdenden Züge scheinbar
um ein Vielfaches erhöhen. Wieder aus der Holzstruktur entlassen geht es
auf gerader Strecke über zwei Bunnyhops und durch die finale
90°-Rechtskurve auf die Zielgerade. Hier folgen noch zwei kleinere
Hügel und nach einer zweiten Unterquerung des Hauptweges erreichen die
beiden Wagenverbunde nach jeweils gut einem Kilometer Strecke die Station.
Dem aufmerksamen Achterbahnpassagier könnte nun - sofern er
nicht gerade vom Siegestaumel des gewonnen Rennens benebelt ist - etwas
merkwürdig vorkommen, denn der Zug hält nicht auf der Seite der
Station, auf welcher er auch bestiegen wurde. Wie durch Geisterhand wurden die
beiden Stationshälften anscheinend vertauscht. Hinter diesem letzten
Überraschungseffekt der Grand National steckt das
Moebius-Prinzip: Der Moebius-Racer besteht nur vermeintlich aus
zwei separaten Achterbahnstrecken, ist in Wirklichkeit aber nur ein einzelner
langer Schienenstrang. Der Seitentausch findet noch vor dem Lifthügel,
nämlich bereits bei der Stationsausfahrt statt.
Weltweit existieren heute lediglich drei hölzerne
Rollercoaster dieser Gattung. Neben der Grand National im
Pleasure Beach kann man einen solchen Achterbahnklassiker nur noch als
Racer im Kennywood Park von Pittsburgh oder als Montaña
Rusa im mexikanischen La Feria Chapultepec Magico bewundern.
Stählerne Möbius-Bahnen sind bislang nicht bekannt. |