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Express - Everlands Holzachterbahnimport |
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Kann eine Kombination aus zwei bekannten, überaus
erfolgreichen, jedoch komplett gegensätzlichen Achterbahnlayouts zu einem
erfolgreichen Ergebnis führen? Im Jahre 2008 hat der Achterbahnhersteller
Intamin diesen Versuch unternommen und Samsung Everland in Yong-In, 35
Kilometer entfernt von der südkoreanischen Hauptstadt Seoul gelegen, eine
gigantische, 1640 Meter lange Holzachterbahn ausgeliefert. T Express ist die
erste Holzachterbahn in Südkorea. Während das erste Drittel einem
Out&Back-Coaster gleicht, bieten die nachfolgenden 900 Streckenmeter die
Charakteristika eines kompakten Twisters.
Für den Auftakt stand der Intamin-Woodie El Toro im
amerikanischen Six Flags Great Adventure Pate, für den Hauptteil wurde die
schwedische "Götterbahn" Balder kopiert, und einzig die Stützstruktur
an die abfallende Topographie im hügeligen Everland angepasst. Letztlich
sind beide Layouts nur durch eine 35 Meter hohe Blockbremse unterbrochen.
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Die Ausfahrt aus der Blockbremse leitet
den Balder-Teil ein - im Hintergrund der dominante Lifthügel mit 56 Metern
Höhendifferenz |
Während der Balder-Teil Akzente auf kleinere
Airtimehügel setzt und innerhalb seiner kompakten Struktur
Steilkurvenfahrten auf bis zu drei Etagen bietet, setzt der Auftakt nach einem
56 Meter hohen Lifthügel die erfolgreiche erste Abfahrt von El Toro fort:
In Everland stürzen die Fahrgäste sogar eine 77° steile Abfahrt
in die Tiefe - ein Grad mehr Gefälle als in den USA, 2008 ein neuer
Weltrekord auf einer Holzachterbahn. Der mit El Toro baugleiche, sechsgliedrige
Zug absolviert auf dem First Drop einen Höhenunterschied von knapp 45
Metern, um in der nachfolgenden geradlinigen Auffahrt einen 40 Meter hohen
Airtimehügel zu erobern, der seinem Namen zweifellos gerecht wird.
Während der Überfahrt werden den Fahrgästen negativ abhebende
G-Kräfte von bis zu -1.5g geboten. Kräftig werden sie in die Luft
geschleudert, um vom Gurt und dem komfortablen Sitzbügel sicher wieder
"aufgefangen" zu werden.
Während die beschriebenen, ersten 150 Meter der
Gravitationsstrecke eine spiegelbildliche Kopie von El Toro sein könnten,
folgt im weiteren Verlauf eine Abwandlung: Statt auf gerader Linie einen
zweiten Hügel in Angriff zu nehmen, verdreht der Zug auf der
parabelförmigen Abfahrt des Airtime Hügels in eine
rechtsgeführte Steilkurve, die quer durch und über die Südwende
des Balder-Abschnitts führt. Mit bis zu 100 Stundenkilometern vollzieht
der Wagenverbund eine Achterschleife, die kurzzeitig ansteigt, um dann stetig
abzufallen. Dabei durchsticht die Kurvenanordnung die Struktur des
Airtimehügels, umrundet das Tal nach dem First Drop, um schließlich
dem steilen Felshang zu folgen und in Richtung Blockbremse abzuheben.
Atempause gefällig? Diese ist nach gerade einmal 20
Sekunden Gravitationsfahrt regelrecht von Nöten: Intamin reizt in der
Streckenführung des ersten Drittels das technische Machbare aus und zwingt
die Besucher an ihre körperlichen Grenzen: Erst der "fast" senkrechte
Fall, dann der durchzugsstarke Airtimehügel und schließlich eine
etwa zehn Sekunden anhaltende Kurvenfahrt mit stetigen drei bis vier g
Anpressdruck, welche nur kurz von einer Richtungswende unterbrochen wird.
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T Express im
Panorama-Überblick von rechts nach links: First Drop, Lifthügel,
Camelback mit dahinter liegender Blockbremse und Steilkurve sowie der kompakte
Balder Teil |
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Links: Der legendäre Suspended
Coaster Eagle Fortress von Arrow Dynamics wurde zum Ende der Saison 2008
geschlossen |
Holzachterbahnen waren bis zum Debüt von T Express im
aufstrebenden Tigerstaat Südkorea eine unbekannte Spezies. Die
großen, bekannten Freizeit- und Themenparks Lotte World und Everland
setzten bislang ausschliesslich auf Stahlimporte aus den USA und Europa. Der
Familienpark Everland, welcher 1992 vom Mischwarenkonzern Samsung als Yong-In
Farmland übernommen wurde, wird seit der Eingliederung in den
Großkonzern zum Ferienresort ausgebaut.
Der in einem langgestreckten Tal platzierte Erlebnispark
wurde bis heute durch massive Investitionen zu einem ansprechenden Themenpark
umgestaltet. Dabei setzen die Südkoreaner seit 2001 auf die Dienste des
kanadischen Designbüros Forrec, welches bereits für Universal am
bekannten Themenpark Islands of Adventure in Florida Themenbereiche gestaltet
hat.
Ein Besuch im Everland-Park bietet eine Reise rund um den
Globus. Alles beginnt in der Global Fair, dem Eingangsbereich, wo sich
Gebäude in Form von Repliken aus allen Ländern der Erde aneinander
reihen. Sah man gerade noch die Skyline von Venedig, zieht im nächsten
Moment das Taj Mahal die Blicke auf sich.
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Summer Splash, bevor alle Dämme
brechen |
Direkt neben der für europäische Geschmäcker
überaus kitschig anmutenden Hauptstraße befindet sich der
Retro-Bereich American Adventure, welcher in weiten Teilen eine Hommage an die
60er Jahre des Rock 'n' Roll bietet. Hier präsentierte sich bis zur Saison
2008 der schier übermütige Suspended Coaster Eagle Fortress von
Arrow. Letzterer bot eine derartig schwungvolle Fahrt, dass die Wagen seitlich
um 90° und mehr ausschwangen. Was für den Fahrgast einem
Adrenalinschock gleich kam, war der Struktur nicht zuträglich. Seit Jahren
kämpfte die Wartungsmannschaft von Everland um den Erhalt dieser
einzigartigen Anlage, 2009 wurde die Achterbahn stillgelegt. Für das
Gelände ist seitdem eine LSM-Katapultachterbahn geplant, welche jedoch
bereits einige Jahre auf sich warten lässt.
Weiterhin stechen die Safari World mit Hafema Rafting und
Erlebnissafari wie auch das thematisch sehr gelungene Kinderland Magic Land ins
Auge, wo ein Junior Coaster von Vekoma mit einer an die Topographie angepassten
Schienenführung seine Runden dreht.
Neben dem Everland-Park setzt Samsung auf dem
hügeligen, weiträumigen Resort auf weitere Angebote wie den
gigantischen Wasserpark Carribean Bay, die Rennstrecke Everland Speedway oder
ein Kunst- und Verkehrsmuseum. Natürlich dürfen verschiedene
Hotelangebote und ein Golfplatz nicht fehlen.
Der 365 Tage im Jahr geöffnete Themenpark zieht jedes
Jahr die magische Zahl von fast zehn Millionen Besuchern an. Neben Shows und
Rides bilden vor allem die pompös aufgezogenen,
kitschig-zuckersüßen Paraden die Erfolgsgrundlage. Zu jeder
Jahreszeit wird ein anderes Thema geboten. Im Sommer läuft beispielsweise
Summer Splash, wo innerhalb weniger Minuten mittels Wasserkanonen
kubikmeterweise das kühle Nass in Richtung Publikum verteilt wird - den
Südkoreanern gefällt das Schauspiel, schließlich ist im
schwülwarmen Sommer jede Abkühlung willkommen. |
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Blick über das
weite Everland-Tal mit europäischem Themenbereich und Blumengarten im
Vordergrund und T Express sowie andere Attraktionen im Hintergrund |
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Links: Für VIP-Gäste des
Sponsors wartet eine eigene Lounge im Alpine Village - links mit T Express im
Hintergrund |
In der Talsohle des zwischen zwei Hügelfronten
angelegten Everland-Parks findet sich der europäische Themenbereich
European Adventure, welcher neben einer Gartenanlage unweit eines
Freilichttheaters eine Häuserfront in Hommage an die Niederlande wie auch
das Alpine Village bietet. Letzteres ist im Investitions- und
Renovierungsprogramm von Everland bislang vernachlässigt worden und bot
neben einer Restauration drei an einem Berghang installierte Sommerodelbahnen
von Wiegand, welche in den harten und intensiven Wintermonaten durch eine
Schneepiste ergänzt wurden.
Mit der Investition in eine Holzachterbahn wurden im Alpine
Village neue Impulse gesetzt. Nach Beginn des Ausbauprogramms im Jahre 1996 ist
T Express mit rund 30 Millionen Euro die größte Neuinvestition im
Bereich der Fahrgeschäfte. Die Holzkonstruktion nimmt eine langgezogene
Fläche von etwa 300 mal 50 Metern ein und wurde auf der zuvor genutzen
Skipiste errichtet. Bis zum Sommer 2007 waren hier auch die Rodelbahnen
beheimatet. Im "Tal" wurde ein neuer, zentraler Dorfplatz mit typischen
Schweizer Häusern errichtet. Etwas abseits liegt das großzügig
angelegte Bahnhofsgebäude von "Grindelwald", wo der Besucher mit der
Bergbahn auf das bekannte Schweizer Jungfraujoch starten kann. Die Etappe
beginnt tatsächlich mit einer gemächlichen, etwa 30-sekündigen
Panoramafahrt, auf der im Intamin-Kabellift 56 Höhenmeter überwunden
werden. Die nachfolgende 180° Kurve bietet zusätzlich einen optimalen
Ausblick auf den Everland-Park und den gegenüberliegenden Berghang mit
seinen weiteren Attraktionen. Der dann folgende, turbulente Auftakt wurde
bereits angesprochen.
T Express ist augenscheinlich nur eine hochmoderne
Holzachterbahn, thematisch wurde sie aber perfekt in das Alpine Village
eingebunden. Vom Dorfplatz aus sieht man das auf einer Anhöhe zwischen
Nadelbäumen errichtete Bahnhofsgebäude sowie die Nordkurve des
Balder-Abschnittes. Etwas dahinter ragen der Lifthügel und der First Drop
hervor. Mehr Holz"achterbahn" ist nicht auszumachen. Gänzlich anders
präsentiert sich T Express vom restlichen Park aus. Die mit ihrer
Längsseite in den Hang platzierte Anlage ist von verschiedenen Punkten in
Everland perfekt einzusehen. Dabei ist die Fahrt der drei Züge fast
vollständig aus der Ferne nachvollziehbar.
Beim Betreten der Anlage wird dem Besucher zuerst Zugang in
die Schalterhalle des zur Kopfseite stehenden Bahnhofsvorgebäudes
gewährt. Dort wird er durch ein Sicherheitsvideo über das Verhalten
während der Fahrt und über mögliche Evakuierungspunkte des Zuges
aufgeklärt. So signalisieren zum Beispiel wild blinkende Pfeile die
Notausgänge der Blockbremse. Die Vorbereitung auf das Abenteuer gleicht
beinahe dem Prozedere vor einem Flugzeugstart, doch die Verantwortlichen wollen
scheinbar die (meist) panisch reagierenden Koreaner für alle
möglichen Situationen gerüstet wissen.
Anschließend kann die Besuchergruppe der Warteschlange
folgen, welche quer durch den gedrängten Balderbereich führt. Immer
wieder hört man die bis zu 30 Meter hohe Holzstruktur rumoren, etwa wenn
der Zug eine der vielen Steilkurven mit bis zu 80° Querneigung passiert. In
regelmäßigen Abständen signalisiert das Kreischen der Insassen
eine Überfahrt der insgesamt 14 Airtimehügel des Parcours. Mehr
Interaktion mit der Holzachterbahn wird den Wartenden aber nicht geboten.
Trotzdem ist der Wartebereich abwechslungsreich gestaltet:
Dieser führt an original aus Europa importierten Einrichtungen von
Gleisanlagen vorbei und in einem Infozelt wird mit Plänen und Fotos
über die Planungs- und Bauphase des für Everland bislang
einzigartigen Projektes berichtet. Irgendwo findet sich sogar eine Abwicklung
der Fahrstrecke, die deutlich werden lässt, welche Ingenieurkniffe
nötig waren, um T Express auf dem hügeligen Gelände zu
platzieren. |
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Die Abwicklung von T
Express zeigt, dass die Streckenführung mit sehr viel Aufwand an die
hügelige Topographie angepasst wurde |
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Vom neuen Schweizer Dorfplatz bis zur 300 Meter entfernten
Panoramakurve steigt das Gelände der ehemaligen Skipiste um knapp 30
Höhenmeter an. Durch diesen Topographieverlauf ist die Holzstruktur des
Lifthügels an ihrer höchsten Stelle gerade einmal rund 25 Meter hoch.
Absolviert der Zug die Panormakurve, kommen weitere 15 Stützenmeter dazu,
da der Steilhang zum Park hin abfällt. Somit konnte die rund 45 Meter hohe
Abfahrt des First Drop realisiert werden.
Im Wartebereich innerhalb des Twister Teils wurde das
Gelände terrassiert. Zum Bahnhofsgebäude auf der Rückseite des
Balder Abschnittes folgt die Warteschlange einigen Treppenstufen hinauf, dann
hat der Besucher freie Sicht auf die Ausfahrt aus der Station inklusive
Lifthügel.
Etwa alle 90 Sekunden startet ein Zug auf die Reise zum
Jungfraujoch, um 150 Sekunden später unter euphorischem Geklatsche der
Passagiere in der Stationsbremse einzufahren. Die Designer bei Intamin haben
aus den 56 Höhenmetern das maximal erdenkliche Potential an
Bewegungsenergie herausgeholt, der Zug fährt im Idealfall gerade einmal
mit rund 30 bis 40 Stundenkilometern in die Stationsbremse ein.
Ein letzter Blick auf den Fuß des Lifthügels,
dann folgt der Eintritt in das Stationsgebäude. Dieses ist bis in das
letzte Detail thematisiert worden. Leider sind die Wände von den
jugendlichen Besuchern schon nach der ersten Hauptsaison derart verschmiert
worden, dass die an der Wand kunstvoll platzierten Stiche und Bilder von
bekannten schweizerischen Alpenpanoramen nicht mehr erkennbar sind. Auf der
oberen Galerie mit Blick auf den Zug im Ein- und Ausstiegsbereich folgt ein
weiterer Wartebereich. Schließlich geht es die Treppe hinab, um unterhalb
der Galerie auf die 18 Reihen des Zuges aufgeteilt zu werden. Für die ganz
mutigen Mitfahrer gibt es separate Anstehbereiche für die erste und letzte
Reihe.
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Rechts: Der 180°-Panoramakurve folgt
der 77° steile Sturz |
Die Züge sind baugleich mit denen von El Toro und
bieten einen Schoßbügel mitsamt den bekannten Intamin-Gurten. Die
Front ziert statt des Bullenkopfes bei El Toro eine Lokomotive inklusive
Kessel, Lichtern und kleinem Schornstein. Die Stationscrew führt nach der
Kontrolle der Rückhaltesysteme unter wildem Glockengebimmel ihr
Abfahrtsritual auf, dann schieben die frequenzgesteuerten Reibräder den
Zug aus der Station in die Hitze des südkoreanischen Spätsommers.
Bis zum Fußpunkt des Lifthügels rollt der Zug
gemächlich etwa 25 Meter eine leichte Neigung hinab und wird von einer
Gruppe leistungsstarker Reibräder empfangen. Diese stoßen die
Fahrzeuge auf den 33° steilen Lifthügel. Ein in der Steigung wartender
Mitnehmerschlitten beschleunigt gleichzeitig durch einen Seilwindenantrieb, bis
der Kettenhaken unterhalb des Zuges in die Aufnahme des Schlittens einrastet.
Von nun an zieht der Windenantrieb den Zug selbstständig den Hügel
hinauf.
Die Übergabe des Wagenverbundes an den Seillift
geschieht für die Mitfahrer völlig unbemerkt. Zügig zieht die
über zwei Meter Durchmesser große Winde den Zug hinauf. Dabei wird
eine Spitzengeschwindigkeit von 25 Stundenkilometern erreicht. Anfangs wird der
Zug durch die dichte Holzstruktur entlang einer Steilwand transportiert und
unterquert dabei die finale Kurve wie auch die Steilkurve nach dem ersten
Airtimehügel. Dabei werden einige Stahlböcke passiert, welche die
Hochgeschwindigkeitskurve tragen - letztere schneidet den Kabellift und die
finale Schlusskurve in einem derart spitzen Winkel, dass der Einsatz von
Holzböcken wohl nicht möglich war. Gleichzeitig kann der aufmerksame
Mitfahrer feststellen, dass das Gelände um den Fußpunkt des
Lifthügels bis zu zehn Meter unter der natürlichen Topographielinie
liegt, welche aufwendig mit viel Einsatz von Beton terrassiert wurde.
Nach etwa 35 erklommenen Höhenmetern zieht der
Kabellift den Zug an der Blockbremse vorbei - von nun an haben die Passagiere
freien Blick auf den in Bälde folgenden Hochgeschwindigkeitsteil wie auch
einen herrlichen Ausblick auf Everland selbst. Der Schienenlindwurm liegt ihnen
in der anschließenden, 180°-Panoramakurve vollends zu
Füßen. |
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Mit einem maximalen Gefälle von
77° stürzt der Wagenverbund 45 Meter in die Tiefe |
Das gesamte, gigantische Bauwerk ließ Intamin in
Europa vorproduzieren. Die Struktur besteht aus über siebzigtausend
einzelnen Holzelementen. Diese wurden direkt aus dem Baumstamm gesägt,
abgelängt und auf Hochleistungsbearbeitungsmaschinen mit den notwendigen
Löchern für die Verbindungsschrauben vorgebohrt.
Das Holz stammt aus den Schweizer Wäldern und wurde in
Gossau bei Sankt Gallen am Bodensee von der Firma Blumer Lehmann geschnitten
und kesseldruckimprägniert, um Pilz- und Insektenbefall im feucht-warmen
Klima Südkoreas trotzen zu können. Die Ingenieure von Blumer Lehmann
haben jedes Holzstück auf Basis der Statikdaten des Ingenieurbüros
Stengels konstruiert, um mit diesen die vollautomatische CNC Schnittmaschine
füttern zu können. Die dreidimensionale Konstruktion im Computer
bildet dabei das reale Bauwerk in Everland 1:1 ab.
Auf der Baustelle in Everland wurde das Schienenungetüm
innerhalb von nur fünf Monaten über die Wintermonate 2007 / 2008 wie
ein gigantischer Bausatz errichtet. Durch die hundertprozentige Vorproduktion
in Europa musste kein Holzelement wie bei klassischen Holzachterbahn
üblich durch Zimmerleute zugeschnitten werden. Die gesamte Holzstruktur
mitsamt der Schiene wurde vom koreanischen Aufbauteam ausschließlich nach
festgelegten Plänen verschraubt.
Während die Ingenieure bei Intamin das Layout und die
Dynamik den Kundenwünschen entsprechend ausgestaltet und festgelegt haben,
wurde die Streckenführung vom deutschen Ingenieurbüro Stengel
nochmals eingerechnet, um Fertigungsdaten für die Holzschiene zu
erstellen. Letztere wurde wie bei den drei Vorgängeranlagen der
Plug&Play-Woodies aus dem Hause Intamin von Finforest Merk in Aichach aus
geleimten und ebenfalls kesseldruckimprägnierten Kerto
Furnierschichthölzern gefertigt. Das dazu miteinander verleimte und
vorgebogene Holzpaket kommt der finalen Schienengeometrie sehr nahe und wird in
einem letzten Bearbeitungsabschnitt in einer dreidimensional geführten
Fräse auf seine Endkontur hin bearbeitet und mit Stahlplanken für den
Kontakt der Räder versehen.
Auf der Baustelle werden die Schienensegmente auf der zuvor
errichteten Holzstruktur miteinander verbolzt und mittels Stahlschuhen auf die
Struktur geschraubt. Der überdimensionale Holzbaukasten wird dabei durch
rund 125 Tonnen Stahl- und Schraubenmaterial zusammengehalten. |
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Lifthügel, First
Drop, Camelback und Blockbremse im Panorama |
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Zurück zur Fahrt: Etwa 40 Sekunden nach Ausfahrt der
Station passiert der Zug den Panoramabogen und rollt auf dem etwas
abschüssigen Kurvenzug mit leicht, aber stetig ansteigender
Geschwindigkeit dem ersten Fall entgegen. Dieser stellt sich als nahezu nicht
einsehbar heraus: Aus der letzten Reihe betrachtet taucht ein Wagen nach dem
anderen in die Tiefe und beschleunigt den gesamten Wagenverbund derart, dass
der letzte Wagen mit einer so hohen Geschwindigkeit der parabelförmigen
Abfahrt folgt, dass die Mitfahrer das Gefühl haben, geradezu aus dem Wagen
geschleudert zu werden. Dabei ist das Erlebnis noch bedeutend stärker
ausgeprägt als bei der "Schwesteranlage" El Toro.
Auf der 77° steilen Abfahrt geht es für einige
Zehntelsekunden im Freien Fall beinahe senkrecht in die Tiefe, dann drängt
sich eine positive Zentripetalbeschleunigung auf. Mit bis zu 5g, dem
Fünffachen ihres Köpergewichtes, werden die Insassen in die Sitze
gedrückt und erleben gleichzeitig eine Spitzengeschwindigkeit von rund 105
Stundenkilometern. Ein, zwei Meter über der Topographielinie des Hangs
wird die Sohle passiert, die Strecke der nachfolgenden Steilkurve unterquert,
und schließlich schießt der Zug über den parabelförmig
ausgeprägten Airtimehügel. Dessen Beschleunigungs-Erlebnis in
Kombination mit seiner nahezu unfahrbar anmutenden Abfahrt in eine
rechtsgerichtete Kurve stellt problemlos jedes Fahrerlebnis auf einer
Holzachterbahn weltweit in den Schatten. Für die Mitfahrer bleibt keine
Zeit zum Luftholen.
Das gilt nicht nur für die Kurve, die noch ein kleines
Stück über den Lift führt, sondern auch für die nun
folgende Hochgeschwindigkeits-Slalomstrecke durch das Herz der Holzstruktur.
Diese endet in der Auffahrt in die Blockbremse, welche parallel zum
Lifthügel auf der Rückseite des Hochgeschwindigkeitsparcours
positioniert wurde. Dann beginnt der Balder-Abschnitt und mit ihm ein
kompletter Stilwechsel.
Bietet die Holzachterbahn Balder im schwedischen
Freizeitpark Liseberg für sich gesehen ein wagemutiges Fahrerlebnis, so
kann die Fahrdynamik der "Kopie" in Everland nicht mit dem ersten Drittel des
Schienenabenteuers von T Express mithalten. Zwar werden auch Airtime-Erlebnisse
geboten, die Beschleunigungen sind aber geringer und vor allem die
Geschwindigkeit und das Anpressverhalten in den Steilkurven ist nicht so stark
ausgeprägt wie im Schienenparcours vor der Blockbremse. Der Mitfahrer hat
stellenweise das Gefühl, als ob der Zug durch die Steilkurven schleicht,
wenn er das Dargebotene mit der vorher erlebten Kurvenfahrt vergleicht.
In sich bietet T Express also kein rundes Fahrerlebnis, doch
hat gerade dieser Makel seinen eigenen Charme. Die Streckenführung bietet
quasi zwei Holzachterbahnen in einer. Für sich gesehen ist Balder ein
perfekter Woodie mit ausgeprägter Fahrdynamik, im Vergleich mit dem
furiosen Auftakt von T Express jedoch mehr ein weichgespültes
Familienerlebnis. Dennoch ist auch dieses viel besser, als es jetzt klingen
mag. Durch den abwechselnden Einsatz von kleinen Airtimehügeln und
Steilkurven auf bis zu drei Fahrebenen kann die rund 900 Meter lange
Streckenführung sehr kompakt gehalten werden. Absolviert der Zug das
"Achterlayout" erst in der obersten Ebene, gleitet er später auf den
beiden unteren fast vollständig durch die dichte Holzstruktur.
Beinahekollisionen mit den Holzbalken, welche den Mitfahrern regelrecht die
Sicht auf die freie Strecke versperren, sorgen für zusätzliche
Spannung.
Im Finale folgen zwei, drei letzte Bunny Humps an der
Vorderseite der Anlage. Dann schrammt der Zug, vorbei an der Fotoanlage,
innerhalb der letzten Steilkurve mit gerade einmal rund 40 Stundenkilometern an
der Südkurve des Balder-Teils vorbei und gleitet sanft in die langgezogene
Stationsbremse. Diese ist hinter dem Bahnhofsgebäude installiert und
bringt den Zug fast zum Stehen. Die abschließende 180°-Kurve umrundet
das groszügig angelegte Stationsgebäude im Fachwerkstil, dann kann
der Zyklus von Vorne beginnen. |
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Der Twister Teil ist
geprägt durch Camelback- und Steilkurven-Kombinationen auf mehreren
Ebenen |
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Fakten zu T Express |
Intamins vierte komplett
vorfabrizierte Holzachterbahn bietet einen gelungenen Parcourmix auf
schwieriger Topographiegrundlage |
Schienenhöhe |
56
Meter |
Schienenlänge |
1640 Meter |
Max. Geschwindigkeit |
110 km/h |
Max. Längsneigung |
77° |
Beschleunigung |
-1.5 g bis +4.5 g |
Netto-Fahrzeit |
120 Sekunden |
Fahrzeuge |
3 Züge mit 6 Wagen; 6 Plätze pro Wagen |
Kapazität |
1500 Personen pro Stunde |
Hersteller |
Intamin Transportation Ltd., Schaan, Liechtenstein |
Betreiber |
Samsung Everland, Korea |
Eröffnung |
12. März 2008 |
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Link zur offiziellen Webseite vom Samsung
Everland Resort |
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Das ruhige Fahrgefühl auf dem gefrästen,
hochmodernen Schienenbett zeigt selbst bei 5g Anpressdruck in den Kurven und
Tälern, dass Intamin bei ihren Plug&Play-Woodies auf Perfektion
getrimmte Anlagen mit der Optik von Holz und den Fahreigenschaften von Stahl
setzt. Eine klassisch gefertigte und errichtete Holzachterbahn wäre im
ersten Abschnitt bis zur Blockbremse vermutlich unfahrbar. T Express ist eine
Augenweide und gerade im Sommer bietet die Holzachterbahn vor dem dicht
bewaldeten Hang ein harmonisches Bild aus künstlicher Struktur und
Natur.
Auch wenn Samsung Everland die Bahn bis ins letzte Detail
werbewirksam ausschlachtet - selbst der Name wurde im letzten Augenblick von
Alpine Coaster auf T Express geändert, um dem Sponsor T World gerecht zu
werden - ist die Anlage für den Familienpark Everland ein konsequenter
Schritt in die Zukunft der durchzugsstarken Thrillabenteuer - die berechtigte
internationale Aufmerksamkeit hat der Park jedenfalls schon erreicht.
Text und Bilder: Coastersandmore - jp |
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