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Was für eine Aussicht. Der Zug gleitet dahin. Eine
weite Rechtskurve, der Blick geht über die ausgedehnte Parklandschaft, das
Tempo ist angenehm. Dann der Absturz: Ein Wagen nach dem anderen verschwindet
aus dem Blickfeld, der Zug beschleunigt und plötzlich ist auch das letzte
Gefährt in der steilen ersten Abfahrt - Die Arme gehen reflexartig gen
Himmel, es folgt ein Wahnsinnsfall - Schweben... .
Zu Ostern 2001 wurde in der deutschen Parklandschaft mit
Colossos ein neues Zeitalter eingeläutet. Dominierten vorher nur
Achterbahnen im Bereich der 30 Meter Höhenmarke war das Holzbauwerk in der
Lüneburger Heide der este Gigant eines Achterbahntrios mit Höhen von
50 Metern aufwärts. Colossos brach Rekorde und musste sich zu
seiner Eröffnung im internationalen Vergleich nur zwei
Holzachterbahnen geschlagen geben: In Europa sucht man Seinesgleichen
bis heute vergebens, und selbst in den USA, dem Mutterland der "Woodies", wird
der Koloss aus Deutschland nur dreimal in der Höhe übertroffen.
Höhe ist aber nicht alles, dem waren sich auch die
Verantwortlichen bei Colossos bewusst. Der Fahrspaß auf einer
Holzachterbahn wird vor allem durch ein entscheidendes Merkmal
beträchtlich gesteigert: Airtime - kurze Augenblicke, in
denen der Fahrgast seinen Sitz nicht mehr spürt, Augenblicke des
Schwebens, nur noch von einem Bügel nebst zusätzlichem Gurt gehalten.
In Zahlen bedeutet dies, dass die Erdanziehungskraft von einem g deutlich
unterschritten wird. Der Fahrgast wird "spürbar" leichter bis hin zum
Empfinden von Schwerelosigkeit und des Extrems darüber hinaus.
Colossos bietet davon reichlich und übertrifft
sogar alles bisher Dagewesene. Erreicht wird dies durch ein klassisches
Out & Back Design: Lange, geradlinige Streckenabschnitte, bei
denen einer Abfahrt sogleich wieder der nächste Hügel folgt - nur
eine Dimension größer als üblich. Vom konstruktiven Standpunkt
her kann Colossos als wahre Airtime-Maschine bezeichnet werden. |
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Gespanntes Warten, dann geht es
aufwärts |
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Ein Jahr vor dem anvisierten Eröffnungstermin blickten
die Besucher des Heide-Parks auf eine riesige Freifläche. Zwei
Jahre vorher war hier noch der parkeigene Wildpark zu finden. Die beschauliche
Welt des größten Freizeit- und Familienparks in Norddeutschland
schien in Ordnung: Ein buntes Sortiment an Fahrgeschäften, eine
ausgedehnte Parklandschaft, garniert mit Motiven aus der Heide, den
Niederlanden und der Alpenregion. Nur wenige Bereiche erinnern an den
gedrängten, teils hektischen Charakter eines Rummelplatzes. Thrill Rides
fehlen jedoch genauso wenig wie geruhsame Fahrattraktionen. Trotzdem kam die
Ankündigung von Colossos, der fünften Achterbahn im Park,
überraschend.
Nach der Deutschlandpremiere Bandit im Movie
Park bei Bottrop ist die norddeutsche Holzachterbahn die zweite ihrer Art.
Überraschender als die Bauart ist jedoch die Höhe: Über 50 Meter
wurden angepeilt, exakt 52 Höhenmeter ragt das Bauwerk in den Himmel.
Selbst die vierte Abfahrt übertrifft den First Drop von
Bandit. Colossos bietet Dimensionen, die man bisher nur aus
amerikanischen Parks gewohnt war, und mit einem Budget von 22 Millionen Euro
liegt der Anlagengigant auf ähnlichem Niveau wie die Top-Achterbahnen in
Übersee. |
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Majestätisch thront der
Lifthügel über den Park |
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Das "Projekt der Superlative" konnte beginnen. Mit dem
Ingenieurbüro Stengel aus München und der Intamin AG,
der Schweizer Innovationsschmiede im Achterbahnsektor, waren die weltweit
führenden Experten am Vorhaben beteiligt. Dem reihten sich zwei bisher
unbekannte Firmen hinzu: Ing.-Holzbau Cordes GmbH & Co. KG war
verantwortlich für die Erstellung der gewaltigen Holzkonstruktion, Merk
Holzbau GmbH & Co fertigte nach Plänen Stengels die
Holzschiene und war für deren Installation verantwortlich. Für das
Tragwerk wurden insgesamt 3000 Kubikmeter heimisches Kiefernholz verbaut. Auf
einen Import aus den USA, bei Konstruktionen dieser Art normalerweise
üblich, wurde bewußt verzichtet. Die Aufbereitung der Hölzer
wurde vom Sägewerk Hartling bei Celle durchgeführt, danach
erfolgte der exakte Zuschnitt des Bauholzes, der sogenannte Abbund. Dem schloss
sich eine Druckkesselimprägnierung im Sägewerk an, die zum Schutz
gegen Pilz- und Insektenbefall dient, bevor die Einzelteile schließlich
auf die Baustelle in den Heide-Park transportiert wurden.
61° steil geht es auf dem First
Drop in die Tiefe |
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Der Clou dieser neuen Generation von Holzachterbahn liegt im
einhundertprozentigen Vorfertigungsgrad der gesamten Holzstruktur. Das
Intamin Design liefert ähnlich einem Ikea Bausatz alle
Hölzer komplett vorgeschnitten an die Baustelle. Säge und
Zimmereihandwerk sind für den Aufbau nicht mehr von Nöten. Der
extreme Vorfertigungsgrad erlaubt einen stark beschleunigten Aufbau - ein
zusätzliches Ablängen, Fräsen und Bohren, wie bei anderen
Holzachterbahnprojekten der Fall, ist nicht von Nöten.
Die Vorfertigung aller Holzteile garantiert zusätzlich
eine weitaus höhere Lebensdauer der gesamten Baustruktur. Da der gesamte
Zuschnitt vor der Imprägnierung stattfinden kann, entstehen keine
ungeschützten Angriffsstellen für einen Pilzbefall durch
Feuchtigkeit. Die Planer schätzen die Lebensdauer der Holzachterbahn auf
100 Jahre. Zusätzlich fördert die Holzart der Kiefer die
Lebensdauer.
Insgesamt wurde das Tragwerk aus etwa 120.000 vorgefertigten
Holzteilen zusammengesetzt. Colossos ist in ihrer Gesamtheit eine
logistische Meisterleistung, die von den beteiligten Firmen aus der Holzbranche
über die Winterpause 2000/01 mit Bravour gemeistert wurde. Die Erwartung
der Fans wuchs stetig mit der Errichtung des Holztragwerkes, und eine Frage
interessierte besonders: Werden die Fahreigenschaften des Giganten
überzeugen können? Das nur ausreichende Fahrverhalten des
amerikanischen Höhenrekordhalters Son of Beast, einem Projekt, bei
dem das Ingenieurbüro Stengel mit der Roller Coaster Corporation
of America und Premier Rides aus den USA zusammenarbeitete, war noch
in vielen Köpfen manifestiert. Auch Colossos sollte in dessen
Superlative vorstoßen: Die Höhe und die daraus resultierende hohe
Geschwindigkeit nebst auftretenden dynamischen Kräften erreichen
beeindruckende Dimensionen. Fahrwerk und Schienensystem werden weitaus
höher beansprucht als auf herkömmlichen Holzachterbahnen.
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Luftaufnahme aus einer anderen
Perspektive |
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Vor allem einer - Werner Stengel - wollte der
Fachwelt mit Colossos beweisen, dass Holzachterbahnen dieser
Größenordnung auch mit exzellenten Fahreigenschaften aufwarten
können. Weitreichende Innovationen mussten dafür getätigt
werden: Das Engineering setzte seine Schwerpunkte auf die Verbindung von
Fahrwerk und Schiene. Üblicherweise wird die Holzschiene auf der Baustelle
aus einzelnen Holzlagen laminiert und in Form gezwängt, wobei viel
handwerkliches Geschick gefragt ist. Notwendige Anpassungen werden direkt auf
der Trägerstruktur vorgenommen. Selbst die auf das Schienenbett
angebrachten Stahlplanken, mit denen die Räder später im Kontakt
stehen, werden vor Ort gebogen. Entsprechend schlecht sind die erreichbaren
Toleranzen. Die Räder haben großes Spiel, die Wagen rumpeln im
weiten Schienenbett hin und her, der Fahrkomfort leidet. Bei geringen
Geschwindigkeiten zeichnet dieser Effekt gerade den Reiz klassischer
Holzachterbahnen aus und wegen dieser Natürlichkeit sind die Bauten vor
allem in den USA äußerst beliebt. Im Hochgeschwindigkeitsbereich von
100 Stundenkilometern und mehr, kann eine nicht passgenaue Schiene jedoch zur
Qual für Mensch und Material werden, da extreme Beschleunigungsspitzen
entstehen, wenn der Zug umhergerissen wird oder an der Schiene
entlangschrammt.
Für Colossos entwickelte das Ingenieurbüro
Stengel in Zusammenarbeit mit Merk ein Fertigungsverfahren, welches eine
hochpräzise Schiene garantiert und den Werkstoff Holz weiterhin verwendet.
Darüber hinaus wurden Berechnungsprinzipien aus dem Stahlachterbahnbau
übernommen. Das Stengel'sche Herzlinienprinzip, welches die
unangenehmen Lateralbeschleunigungen auf ein Minimum reduziert,
wurde mit der Abbildung des Schienenstranges als Raumkurve
kombiniert.
Der Clou hinter der neuen Schiene steckt in ihrer
Vorproduktion im Werk. Die einzelnen Schienensegmente werden anschließend
auf der Baustelle zusammengesetzt. Stahlschuhe zu beiden Enden garantieren eine
effiziente und einfache Verbindung mittels Bolzen. Die Schiene besteht aus
hochfestem, kesseldruckimprägnierten Kerto-Furnierschichtholz, einem
Spezialholz der europäischen Finforest Gruppe. Nach dem Laminieren
und Vorbiegen erfolgt je nach geforderter Geometrie eine CNC-gesteuerte,
dreidimensionale Präzisionsfräsung der laminierten Holzpakete. Diese
hochgenaue Fertigung ermöglicht neben ihren geringen Fertigungstoleranzen
und stetigen Übergängen zwischen Abfahrten und Kurvenelementen eine
optimale Abbildung der vom Ingenieurbüro Stengel nach dem
Raumkurvenprinzip berechneten Schienenstränge. Auch der Stahlbelag, die
Kontaktfläche für die Lauf-, Gegen- und
Seitenräder, wird im Werk vormontiert.
Die Schiene trägt am späteren Fahrkomfort den
größten Teil, das Rollmaterial wollte jedoch ebenfalls optimiert
werden. Die zwei Züge sind, wie die gesamte Technik der Bahn, ein Produkt
aus dem Hause Intamin. Der als Generalunternehmer tätige Hersteller
aus der Schweiz entwickelte für Colossos ein komplett neues
Zugdesign, um den hohen Ansprüchen der Bahn gerecht zu werden. Besonderes
Augenmerk wurde dabei auf das Fahrwerk gelegt: Optimal für die hohen
Geschwindigkeiten ausgelegt, verfügt es über mit Vulkollan
beschichtete Lauf- und Seitenräder. Die harte aber elastische
Kunststoffschicht ist bei Stahlachterbahnen Standard, findet bei
Holzachterbahnen normalerweise aber keine Anwendung. Auf den klassischen Bahnen
läuft Stahl auf Stahl. Nur bei den Gegenrädern der
Colossos Züge wurde auf die Kunststoffbeschichtung verzichtet. Die
Lagerung der Lauf- und Seitenräder weisen eine weitere Besonderheit
auf: Sie sind an Schwingen gelagert, die über einen harten Gummipuffer
gedämpft werden, so dass etwaige Stöße gemindert werden und in
der Querachse eine "steife" Verbindung zwischen Zug und Schiene realisiert
wird. Im Vergleich zu den sonst äußerst primitiven Fahrwerken der
Holzachterbahnen ein kleiner Quantensprung.
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Airtime "Hügel" |
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Der Praxistest bestätigt die theoretischen
Überlegungen: Colossos bietet eine sehr ruhige und angenehme
Fahrweise, irgendwie atypisch für eine Holzachterbahn dieses Formats. Das
bekannte, permanente Rattern und die von vielen Holzachterbahnen bekannten
Erschütterungen fernab der typischen Richtwerte werden fast
vollständig unterdrückt. Der im Heide Park nicht unweit
gelegene stählerne Looping-Coaster der niederländischen Firma
Vekoma fordert in dieser Beziehung den Fahrgast deutlich mehr, obwohl
die Spitzengeschwindigkeiten des Holzexponates noch nicht einmal annähernd
erreicht werden. Von außen ist Colossos eine Holzachterbahn, vom
Fahrgefühl eine Stahlachterbahn, nur irgendwie weicher.
Selbst die Ergonomie der Züge ist stimmig: Die
Sitzposition ist verhältnismäßig hoch und die
Wagenaußenseiten sind niedrig gehalten, so dass die Mitfahrer in offenen
Gefährten über die Holzbalken jagen. Geboten werden Schalensitze, wie
sie in ähnlicher Form schon bei dem Intamin Stahlgiganten
Millennium Force und den anderen hauseigenen Megacoastern
zu finden sind. Zudem kommt das von den Schweizern bekannte
Stadium-Seating zum Einsatz: Die Sitzreihen - jeweils drei pro Wagen -
steigen leicht nach hinten an. Zehn Zentimeter pro Reihe, die viel ausmachen:
Getreu dem Motto "Freie Sicht für alle".
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"Kehrtwende" |
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Selbst die redundante Personensicherung mag gefallen: Zwar
stört das notwendige, arg fummelige Gurtsystem ein wenig, der mit dem Sitz
perfekt abschließende Schoßbügel verdient jedoch
Bestnoten. Jeder Bügel ist Teil eines eigenen hydraulischen Kreislaufes.
Die beiden am Bügel arretierten Kolbenzylinder garantieren eine
stufenfreie Einstellung, zudem bleibt das Sicherungselement während der
Fahrt an der vorher definierten Position. Bewegen lässt sich der
Hydraulikzylinder und damit der Bügel nur, wenn die elektromagnetischen
2-Wege-Ventile den Ölfluss freigeben. Dies geschieht ausschließlich
im Bahnhofsbereich über elektrische Kontakte.
Weitere Innovationen wurden sogar im für den Fahrgast
nicht einsehbaren Unterbau des Fahrzeugs getätigt: Wo ansonsten die
Rücklaufsperre auf dem Lifthill laut klackernd in das
Sägezahnprofil einrastet, lässt Intamins
Kettenlift ein solches Geräusch vermissen. Zwar ist das
Sägezahnprofil neben der Kette deutlich zu erkennen, doch der am Wagen
angebrachte Sicherungshebel wird bei der Vorwärtsfahrt induktiv (über
ein Magnetfeld) angehoben, das hörbare Einrasten in das Profil wird
verhindert. Ein beim Hochtransport mitlaufendes Rad hält dieses Magnetfeld
aufrecht, bei einem Stillstand oder einer Bewegung des Zuges in
entgegengesetzter Richtung ist die Sperrklinke wie gewohnt im Eingriff, um
einen stabilen Zustand des Zuges auf dem Lifthill sicherzustellen. Dem
Verschleiß vom Sägezahnprofil und Sicherungshebel wird mit dieset
Methode vorgebeugt. |
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Hinterer Streckenabschnitt |
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Insgesamt werden auf Colossos zwei Züge
gleichzeitig eingesetzt. Während der eine die 1344 Meter lange Strecke
entlangbraust, wird der andere be- und entladen. Eine Blockbremse
ist somit nicht von Nöten. Trotzdem erreicht die Bahn eine hohe
Kapazität: 30 Personen können gleichzeitig am Abenteuer teilhaben,
maximal 1500 in der Stunde. Der Kettenlift zieht den fünfgliedrigen
Zug mit einem ungeheuren Tempo den 35° steilen Lifthügel
hinauf, so dass dieser gut 110 Sekunden nach Ausfahrt aus der Station in die
Abschlussbremse einfährt. Eine halbe Minute nach Verlassen der Station
befindet sich der Zug am höchsten Punkt, 52 Meter über dem
Erdboden.
Ein weiter Rechtsbogen führt zur ersten Abfahrt. Mit 61
Grad bot der First Drop bei seiner Premiere die steilste Abfahrt
auf einer Holzachterbahn weltweit. Nur die dritte und vierte
vorgefertigte Holzachterbahn aus dem Hause Intamin, El Toro im
amerikanischen Six Flags Great Adventure und T Express im
südkoreanischen Samsung Everland, vermögen diesen Wert mit
76° beziehungsweise 77° deutlich zu schlagen.
Es geht abwärts, die Fahrgäste heben ab,
Airtime total, das Gefühl des Schwebens. Temporär wirken fast
anderthalbfache negative G auf die Mitfahrer, die eineinhalbfachen
Erdbeschleunigung versucht sie aus den Sitzen gen Himmel zu katapultieren. Nur
die üppig dimensionierten Rückhaltevorrichtungen wissen dies jedoch
gekonnt zu verhindern. Am Boden angekommen, keine zwei Meter über der
planierten Standfläche von Colossos, bekommen die Passagiere das
andere Extrem der G-Keule zu spüren: Mit berechneten 4,3 g, also dem fast
viereinhalbfachen des eigenen Körpergewichtes, wird der Fahrgast in den
Sitz gepresst. Der Zug ist zu diesem Zeitpunkt rund 110 Stundenkilometer
schnell.
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Speedbump |
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Der Koloss von Soltau zeigte recht schnell seine
Unberechenbarkeit, die vom Ingenieurbüro Stengel ermittelten
Maximalwerte wurden bei Messungen deutlich überschritten - die
Geschwindigkeit war viel zu hoch. Das Reibungsverhalten zwischen Zug und
Schiene wurde im Entwicklungsprozeß zu konservativ abgeschätzt, so
dass in der Realität weitaus höhere Geschwindigkeiten erzielt wurden.
Die Konsequenz folgte fünf Wochen nach der Eröffnung in Form einer
Reduzierbremse im oberen Drittel des First Drops. Ein Mittel, dem
sich vor allem viele amerikanische Parks bedienen, um nachträglich das
Material zu schonen. Bei Colossos stand die Anpassung der hohen
Belastungen für Mitfahrer und Material auf die berechneten Werte im
Vordergrund.
Bestückt mit Permanentmagneten entzieht die Bremse dem
herunterdonnernden Zug basierend auf dem Funktionsprinzip einer
Wirbelstrombremse einen Teil seiner kinetischen Energie, die
nachfolgenden Fahrelemente werden langsamer durchfahren, die Beschleunigungen
für den Fahrgast reduziert. Geraume Zeit später wurden weitere
Bremselemente platziert. Im Sommer des Eröffnungsjahres wurde eifrig mit
den Bremsen experimentiert, deren Zahl und Positionen gewechselt, wobei
Intamin schließlich eine Lösung entwickelte, welche die fest
an der Strecke positionierten Verzögerungsabschnitte überflüssig
machte: Die "Bremse" wurde als aufsteckbares System auf der Radachse integriert
und bremst nun induktiv den Zug bei jeder Raddrehung kontinuierlich ab.
Innerhalb von 15 Minuten kann das System montiert werden, um in wärmeren
Perioden die schneller werdende Bahn auf ein erträgliches
Beschleunigungsniveau einzubremsen.
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Lift, Camelback und zweiter
Hügel |
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Dies erscheint nötig, denn subjektiv gesehen zieht der
Gigant auf jedem Hügel die Fahrgäste aus ihren Sitzen.
Colossos ist in seinem Layout eine klassische Holzachterbahn: Ein
Hügel folgt dem anderen, Kurven gibt es nur wenige. So reihen sich nach
dem First Drop zwei dieser gigantischen "Flugparabeln" auf: Ungemein steil geht
es hinauf und wieder hinab, dazwischen das Abheben aus dem Sitz. Die
Gegenräder leisten wahre Schwerstarbeit, ständig ist ihr
Grummeln in Passagen mit Airtime zu vernehmen.
Hügel um Hügel reiht sich auf, dann wird der erste
Richtungswechsel bei voller Fahrt absolviert: Dabei handelt es sich nicht um
eine erhöhte Steilkurve, die emporgefahren wird - die 180° Wende ist
ein Drop erster Güte. Mehr als dreißig Meter geht es hinab,
eine Querneigung von 67 Grad ist erforderlich, um die lateralen
Beschleunigungen für die Fahrgäste erträglich zu halten. Fast
senkrecht nach rechts geneigt wird der Boden berührt, dann ein
ausgleichender Schlenker nach links. Nun liegt die Strecke wieder parallel zum
Hinweg. Erneut geht es hinauf, zwar nicht so steil ansteigend wie die drei Male
zuvor, aber trotzdem noch gewaltig. Dann der nächste Drop, gefolgt
von einem sehr flach gehaltenen Hügel. Pfeilschnell rast der Zug
darüber hinweg, die mittlerweile liebgewonnene Airtime wird einem jedoch
versagt. Wieder geht es aufwärts, zudem wieder ungemein höher als auf
dem vorangegangenen Speed Bump. Rechter Hand erhebt sich die vor wenigen
Sekunden absolvierte erste Abfahrt, dann neigt sich der Zug in ein
weitläufiges Karussell.
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Links: Camelback - Rechts:
Detailaufnahme |
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Fast 500 Winkelgrade dreht der Zug gegen den Uhrzeigersinn
im Kreis. Ungefähr 40 Meter misst diese Todesspirale im Durchmesser. Immer
schneller drehen die Laufrollen, der Zug taucht für einen kurzen
Augenblick in die Holzsttruktur ein, dann ist die fast eineinhalbfache
Kreisdrehung beendet. Wieder folgt ein gerader Streckenabschnitt, gespickt mit
drei kleineren, aufeinanderfolgenden Hügeln. Rauf, runter, rauf und wieder
hinab - ein Blick nach rechts zeigt das Stationsgebäude. Der letzte
Hügel. Ein letztes Mal geht es hinauf, wieder dieses Grummeln, noch einmal
Airtime. Eine Kehrtwende führt auf den Bremsabschnitt. Mittels
Permanentmagneten, basierend auf dem physikalischen Prinzip einer
Wirbelstrombremse, wird der Zug verzögert. Dabei erfährt der
Fahrgast keine ruckartige Verzögerung wie bei den sonst üblichen, auf
Reibung basierenden, pneumatisch geschalteten Bremsen, und verschleißfrei
ist das System zudem. Reibräder befördern den
tonnenschweren Zug zurück in die Station, der andere rastet gerade in die
Kette ein. Es ist vollbracht: Maximale 70 Sekunden High Speed Fahrt, die gerade
einmal eine kleine Erholungspause bot.
Colossos bietet ein Erlebnis, welches nicht so
schnell vergessen wird. Zwar fehlen dem gut zu überblickenden Layout die
Spannungsmomente eines Twisters mit seinen mehrfachen Kreuzungen der
Fachwerkstruktur und spannungsfördernden Tunnelfahrten, doch das Out
& Back Design fördert das Adrenalin durch seine atemberaubenden
Stürze in die Tiefe. Colossos ist und bleibt einfach
kolossal. |
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Links: Letzte Kurve - Rechts: Einfahrt
in die Station |
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Das 22 Millionen Euro teure Wunschkind von
Hans-Jürgen Tiemann, dem Gründer des Heide-Parks, hat
sich sehr gut etabliert. Es war die letzte Großinvestition unter seiner
Federführung. Seit Ende 2001 ist die englische Tussauds Gruppe
Besitzerin des Heide-Parks, einige Jahre später folgte die
Eingliederung in die Merlin Gruppe.
Gefahren wird seit dem 13. April 2001, auch wenn das Umfeld
im Premierenjahr mehr einer Baustelle mit Sandwüstencharakter glich. Zur
Saison 2002 präsentierte sich Colossos mit einem fertiggestellten
Stationsbereich und einer obligatorischen Fotoanlage: Der Standort an einem der
kleinen Camelbacks zum Ende der Fahrt fängt den Moment der
kurzweiligen Airtime gekonnt ein. Das weitere Umfeld präsentiert
sich bis heute als "wilde" unangetatstete Landschaft. Inwieweit dieser Bereich
in den nächsten Jahren überhaupt eine Aufwertung erfahren wird bleibt
offen. |
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