|
Für die morgendlichen Testfahrten werden
Zusatzgewichte auf den Sitzen montiert |
8:00 Uhr - Nun ist auch das Bedienpersonal eingetroffen. Im
Wartungsraum herrscht geschäftiges Treiben. Die Chaisen werden auf
die Strecke geschickt, einige leer, andere mit bis zu vier 75 kg schweren
Gewichten. Die maximal 300 kg zusätzliche Last entsprechen dem
Durchschnittsgewicht der vier Mitfahrer. Die Laufkatze an der Decke leistet
Schwerstarbeit, hievt die Gewichte in die Höhe, welche dann von Karl
Heinz Gehring auf den Plätzen befestigt werden. Per Funk wird dem
Kontrollraum die fertige Chaise bestätigt, dann schieben
Reibräder den Wagen in Windeseile auf den Vertikalheber und ab geht
es.
Es steht der tägliche Systemtest an, der vor allem die
Funktion der Bremsen und Spezialeffekte kontrolliert. Dieser wird vom System
vollautomatisch nach einem exakt vorgeschriebenen Zyklus durchgeführt, der
vom Menschen kaum zu manipulieren ist. Es werden dabei eine Vielzahl von Tests
ausgeführt, die das gesamte Spektrum vom ganz leichten bis zum schwersten
Fahrzeug abdecken. Sollten beispielsweise die schwersten Fahrzeuge aufgrund
ihrer größeren Trägheit in den Sicherheitsbremsen zu
weit durchrutschen, erteilt das System keine Freigabe. Dieser Automatismus ist
ein neuer Schritt seitens des Herstellers Maurer Söhne, um
höchste Sicherheit garantieren zu können. Nach einigen Minuten ist
das Testprogramm abgeschlossen und die überschüssigen Fahrzeuge
werden von der Strecke genommen. An solch einem ruhigen Wochentag wie dem
heutigen genügt die halbe Kapazität der beiden Bahnen, um das
Besucheraufkommen problemlos abarbeiten zu können.
8:15 Uhr - In weniger als einer Stunde wird die Bahn
eröffnen, die Station wird geputzt, die eingesetzten Fahrzeuge
gesäubert. Etwas Zeit, um die Abstellgleise näher zu betrachten. Seit
über einem Jahr bewähren sich die Winjas im Betrieb, und dabei
werden die eigentlichen Rollmaterialien, die Räder mit ihren
strapazierfähigen Kunststoffbelägen, besonders beansprucht. "Vor
allem die vorderen Seitenräder erfahren einen hohen Verschleiß, da
sie die Spur vorgeben und in den Kurven einlenken", informiert Werner
Kuhl. "Rund 160 Rollen mussten seit der Betriebsaufnahme gewechselt
werden." Eine Zahl, die recht hoch erscheint. Bedenkt man aber, dass jedes
Fahrzeug über 24 Rollen verfügt (insgesamt jeweils acht
Laufräder, Seitenrollen und Rollen gegen das Abheben von der
Strecke), dann relativiert sich diese Zahl bei 15 Fahrzeugen. Mit Hilfe von
Maßhilfen wird der Abstand der sich stetig abnutzenden Rollen einer jeden
Achse zu den Fahrrohren neu eingestellt. "Ein gewisses Spiel muss vorhanden
sein, aber auch nicht zu viel, besonders nicht bei den Seitenrollen," so
Werner Kuhl. "Wird deren Spiel zu groß, beginnen die Achsen
während der Fahrt hin und her zu schlagen; dies verbraucht Energie und die
Fahrzeuge werden langsamer." |
|
Sabine Faßbender sichtet die Bremsen des
Vertikalheberantriebes |
8:30 Uhr - Ein letzter Check im Maschinenhaus der beiden
Express-Vertikallifte steht noch an. Dieses ist über das Flachdach
des Wuze Town Komplexes erreichbar. Wir folgen Simone
Faßbender durch die Treppenhäuser. Sie will vor allem die
Sicherheitsbremsen der Antriebsrollen kontrollieren, um welche die Stahlseile
laufen. Von dort oben besteht sogar die Möglichkeit, über einen
schmalen Evakuierungssteg zwischen den beiden Vertikalhebern in den Schacht zu
blicken. Ein interessantes Schauspiel, wenn binnen weniger Sekunden der
Stahlkäfig mitsamt des Fahrzeugs näher kommt.
Dort oben offenbart sich dann auch die Vorrichtung für den
Kippmechanismus der Schiene: Eine zusätzliche Leitschiene läuft
über die 17 Meter Höhendifferenz an der Wand entlang und entfernt
sich dabei stetig auf bis zu zwei Meter von den vertikalen Führungen, an
denen der Käfig entlangläuft. An der Leitschiene angreifende
Rollenpaare setzen diese lineare relative Bewegung über eine Hebelmechanik
in die Kippbewegung des Schienenstücks um, welches in der oberen
Endposition des Vertikalhebers um 30 Grad zur Horizontalen geneigt ist.
|
|
Links: Kurz vor dem Lösen der Bremsen -
rechts: Einblick in den Schacht des Vertikalliftes |
8:50 Uhr - Bei Sabine Fassbender meldet sich plötzlich
das Walkie Talkie. Die Ausgabeeinheit der SPS im Kontrollraum meldet bei abschließenden Testfahrten
einen Fehler beim Lift der orangefarbenen Bahn. Schnell ist die Taschenlampe
zur Hand, doch am Antrieb sind keine Auffälligkeiten zu entdecken. Der
Elektriker wird gerufen und der große Schaltschrank an der Wand schon
einmal vorsorglich geöffnet.
9:00 Uhr - Warten - Etwas Luft schnappen und die Morgensonne
genießen. Ein Blick gen Wuzetown See zeigt schon die ersten
Besucherschwärme, die durch die Fantasy Gardens zielstrebig
Richtung Wuze Town schreiten. Noch ist dessen Haupttor verschlossen.
Fünf Minuten später ist der Elektriker zur Stelle und
hat das Problem schnell geortet. Ein Sensor ist nicht richtig justiert und
sorgt so regelmäßig für eine Sicherheitsabschaltung. Es wird
nicht mehr lange dauern, dann kann auch die orangefarbene Bahn ihren
neunstündigen Marathonbetrieb aufnehmen. Noch fällt Sonnenlicht durch
die Tür in das Maschinenhaus und erhellt ein wenig den Schacht des
Expressliftes.
Doch schon bald werden die ersten Fahrzeuge mit Besuchern nach
oben transportiert. Eine Stimme erklingt, dann ein weiterer Soundeffekt, der
die Bremsenentlüftung übertönt: "Enter the world of
Winja´s Fear". Dann saust die Chaise gen Boden und die rund 100
Sekunden dauernde Achterbahnfahrt hat begonnen. Die Mitfahrer wissen nicht, wie
viel Aufwand in den letzten vier Stunden betrieben wurde, um ihnen ein genauso
aufreibendes wie sicheres Vergnügen zu bereiten. Sie vertrauen bedenkenlos
dem Park und seinen Technikern - und das zu Recht.
Text: Coastersandmore - jp, Bilder, Skizzen: Phantasialand,
Maurer Söhne, Coastersandmore |