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Der Kontrollraum der Winja Spinning Coaster |
5:00 Uhr - Für Simone Faßbender und Karl Heinz
Gehring, Techniker des Phantasialands, hat der Arbeitstag schon
begonnen. Beide sitzen im Kontrollraum der Achterbahnen Winja's
Fear und Winja's Force. Vor ihnen befindet sich ein Steuerpult mit
mehreren Displays, an der Decke unzählige kleine
Schwarzweißmonitore, die alle wichtigen Stellen der beiden Anlagen im
Bild festhalten.
Das zentrale Steuersystem ist das Herz der Roller Coaster, hier
erteilt die Elektronik Befehle an Bremsen und Motoren, hier wird dem Operator
ständig der Zustand der gesamten Anlage angezeigt. Ohne
leistungsfähige Computer wäre die hochkomplexe Achterbahn nicht
funktionsfähig: Bremsen werden überwacht, Spezialeffekte
gesteuert und die Bewegung der Wagen verfolgt. Diese Aufgabe übernehmen
redundante Systeme in Form einer so genannten SPS . Deren Sinnesorgane bestehen aus Sensoren, Schaltern und
Kontakten. Bewegungen und Zustände aller fest installierten, beweglichen
Bauteile werden überwacht und an das zentrale Steuersystem
rückgemeldet. Damit wird gewährleistet, dass sämtliche Prozesse
in der festgelegten Reihenfolge und im richtigen Zeitfenster ablaufen. Selbst
die Position der allein durch die Schwerkraft sich bewegenden Wagen wird an
verschiedenen Punkten auf der Strecke zentimetergenau erfasst.
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Die Strecken der Winjas Achterbahnen nebst ihren
Spezialeffekten in der Übersicht |
Beim Maurer Xtended SC 3000, so die Typenbezeichnung der beiden
Winja-Bahnen, findet ein dreifach redundantes Sicherheitskonzept
Verwendung: Drei intern quasi eigenständige Rechner bilden das Herz der
Anlage. Diese unterschiedlich aufgebauten Systeme müssen stets innerhalb
einer sehr engen Zeitspanne zum gleichen Ergebnis kommen. Ist dies - egal aus
welchem Grund - nicht der Fall, so wird die Achterbahn automatisch in einen
sicheren Zustand gebracht.
Dabei ist das Steuerungssystem zu jedem Zeitpunkt über den Zustand
sämtlicher verbauter Mechanismen informiert: So wird beispielsweise der
Zustand einer Bremse ständig kontrolliert. Das System ist darüber
informiert, ob diese geöffnet oder geschlossen ist. Über ein
schnelles Bussystem werden die drei Prozessorsysteme mit dem Input von den Sensoren
an der Bahn versorgt. Die Rechensysteme verabeiten die Daten in Echtzeit und regeln auf Basis dieser die gesamten
Abläufe der Anlage. Die dafür notwendige Verkabelung ist
kilometerlang, jedes fest an der Strecke installierte Bauteil will
überwacht und angesteuert werden können. Die Computer arbeiten nach
einfachen logischen Prinzipien - "Wenn Schalter 1 aktiviert, dann Bremse 1
schließen". Verknüpft man solche Regeln, entsteht ein komplexes
Regelwerk, welches in Echtzeit nur noch von einem Rechner bewältigt werden
kann.
Als Output liefert das Steuerungssystem wieder Stromimpulse, mit denen
Motoren aktiviert oder Magnete zum Öffnen und Schließen von Ventilen
in Pneumatikkreisläufen angesteuert werden. Die Anlage läuft (fast)
selbstständig. Der Operator ist beim täglichen Betrieb
hauptsächlich für die Freigabe der Züge innerhalb der Station
verantwortlich und überwacht die Kontrollbildschirme. Ein Handbetrieb mit
Fahrgästen an Bord ist selbst bei einer Störung nicht vorgesehen -
auch in diesem Fall überführt der Computer die gesamte Anlage in
einen sicheren Zustand.
Simone Faßbender holt einen Papierausdruck hervor. Auf
diesem sind die Fehlermeldungen des Vortages aufgelistet. Die Achterbahn regelt
sich selbst, jeder vom Normalfall abweichende Vorgang wird von den Sensoren
erfasst, jeder Defekt eines Bauteils wird registriert und führt zu einer
Sicherheitsabschaltung. Dem Operator wird dies unverzüglich gemeldet und
die Fahrzeuge über externe, an der Schiene montierte Sicherheitsbremsen
zun Stillstand gebracht. Karl Heinz Gehring betont: "Das
Steuerungssystem hat eine eigene Fehlerdiagnose, die sich gut bewährt hat.
Unser mobiler Einsatztrupp weiß meist sofort, welche Bauteile zu
überprüfen und gegebenenfalls auszuwechseln sind." Trotzdem: Der rote
Not-Aus-Schalter ist noch vorhanden.
Für Winja's Force und Winja's Fear wurde aufgrund
ihrer Komplexität und der mehrfach unterbrochenen Schienenstränge ein
gänzlich neues Sicherheitskonzept entwickelt, woran der TÜV von Anfang an beteiligt war. An vielen Stellen wurden in
technischen Einzelheiten neue Wege gegangen. So wurden Funktionen oder
Messtechniken von langjährig gut funktionierenden Methoden auf neue, mit
noch mehr Sicherheit versehene umgestellt. Ein absolutes Muss, um die
höchste Sicherheit der Mitfahrer garantieren zu können. |
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Fahrzeug bei der Durchfahrt einer Blockbremse |
5:15 Uhr - Nach dem ersten Systemscheck geht es auf die Bahn. Der
Computer meldete beim Hochfahren keine Besonderheiten, nun kann die
morgendliche visuelle Kontrolle der Verschleißteile und
sicherheitsrelevanten Komponenten im Streckenbereich beginnen. Diese
täglichen Routinechecks bilden nur einen Teil der aufwändigen
Wartungsmaßnahmen einer Achterbahn. Beispielsweise werden die
Fahrzeuge nach vorgeschriebenen Lastzyklen zerlegt, um hochbelastete Bauteile
mittels Ultraschall auf Mikrorisse im Inneren des Materials zu untersuchen.
Darüber hinaus wird der TÜV einmal pro Jahr als unabhängiger Dienstleister für
eine eingehende Prüfung in Anspruch genommen. Auf Hersteller und Betreiber
lastet eine hohe Verantwortung, der sie durch unzählige
Sicherheitsmaßnahmen gerecht werden. Dieser kontrollierte Thrill macht
Achterbahnen zu einem der sichersten Fortbewegungsmittel überhaupt.
Um nacheinander alle Komponenten überprüfen zu können,
wird das System für die Inspektionsphase auf Handbetrieb geschaltet.
Über Sprechfunk stehen die Mitarbeiter in Kontakt mit ihren Kollegen im
Kontrollraum. Überprüft werden vor allem die Bremsen, die
Sensoren und die komplexen Spezialeffekte. Teamleiter Werner Kuhl ist
schon auf der Bahn, ihn werden wir später noch treffen.
Als erstes steht der Check der Bremssysteme an. Wie jede moderne
Achterbahn besitzen auch die Winjas ein Blocksystem, das in
diesem Fall den zeitgleichen Betrieb von bis zu sechs Fahrzeugen pro Strecke
ermöglicht. Dazu ist jeder Parcours in acht Abschnitte unterteilt, wobei
an den Übergängen Bremselemente positioniert sind. Um
Auffahrunfälle auszuschließen, darf ein Block stets nur von
einem Fahrzeug befahren werden. Die Sicherheitssteuerung sorgt mit ihrem
Regelwerk dafür, dass die Bremsen vor einem Block erst dann geöffnet
werden können, wenn die Sensoren am Ende des Blocks die Durchfahrt des
Wagens registriert haben und der Streckenabschnitt somit frei ist. Die
Fahrzeuge sind also immer mindestens durch einen Bremsabschnitt voneinander
getrennt und können im Notfall sicher zum Stillstand gebracht werden.
Die Bremsen bei Wuze Town funktionieren nach dem Prinzip der so
genannten Coloumb'schen Reibung. Am Fahrzeugunterboden befindet sich ein
metallisches Bremsschwert, welches zu beiden Seiten zwei gleiche
Funktionsflächen aufweist. Der aktive Part der Bremse ist an der
Achterbahnstrecke angebracht: Längliche, über einen Meter messende
Bremsmodule weisen einen Spalt auf, in den das Bremsschwert eintaucht.
Hochfeste Bremsklötze werden dann wie bei einem Fahrrad von beiden Seiten
durch einen Getriebemechanismus auf das Schwert gepresst und es entsteht
Reibung. Die Geschwindigkeit des Fahrzeugs wird verringert.
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Die Bremse (links) sichert den nächsten
Blockabschnitt (rechts) |
Unser Ziel sind die Bremsen der blauen Bahn vor und nach dem Karussell
in der Haupthalle. "Wir bezeichnen die Achterbahnen zur eindeutigeren
Unterscheidung als blaue und orangefarbene Bahn", erläutert Simone
Faßbender die Farbbezeichnung. Die blaue wäre in diesem Fall
Winja's Fear. Sämtliche Bremsplattformen sind leicht zu erreichen,
trotz ihrer luftigen Höhe von bis zu rund zwölf Metern. Meist dienen
großzügig angelegte Treppenaufgänge als Zugang. Ein Vorteil
für die Techniker, aber auch für die Fahrgäste, da sie bei
Betriebsstörungen problemlos die Achterbahn verlassen können -
Blockbremsen dienen stets als definierte Evakuierungspunkte.
Jeder Bremsabschnitt besteht aus mindestens zwei voneinander
unabhängigen Bremsmechaniken, wobei jede von einem eigenen Antrieb
über Luftdruck geschaltet wird. Neben den Sicherheitsbremsen, die
aus Gründen der Redundanz stets zweifach vorhanden sind, findet sich
stellenweise eine Reduzierbremse. Während die Sicherheitsbremsen
für die Blockfreigabe eingesetzt werden und das Fahrzeug zum Stillstand
bringen und in der Position halten können, erfüllen die
Reduzierbremsen die Aufgabe einer Geschwindigkeitsregelung. "Rein
äußerlich unterscheiden sich die Bremsen nur durch eine Profilierung
des Reibbelages", erklärt Simone Faßbender. "Somit
können wir die Bremsen problemlos auseinanderhalten". Technisch gibt es
ebenfalls Unterschiede, die bei den Sicherheitsbremsen zu einer höheren
Ausfallsicherheit führen, das zugrundeliegende Wirkprinzp ist jedoch das
gleiche.
Die morgendliche Wartung beinhaltet vor allem die visuelle Prüfung
der Reibbeläge. Die Belagstärke wird gemessen und mittels einer Messlehre die Stellung der Bremse überprüft. Sollte
der Belag der etwa 15 cm langen Bremsklötze nicht den Betriebsvorgaben
entsprechen, werden diese umgehend ausgetauscht. Die Funktionsfähigkeit
der Sicherheitsbremsen ist ein äußerst relevantes Merkmal.
Würde der Wagen aufgrund eines zu hohen Verschleißes der Beläge
nicht zum Stillstand kommen, hätte dies möglicherweise fatale Folgen.
Dass dem vorgesorgt wird, ist die Pflicht eines jeden Betreibers einer
Achterbahn, aber auch die der Konstrukteure: Redundanz ist ein Merkmal, welchem
durch die zweifache Anordnung der Sicherheitsbremsmodule auf einem Abschnitt
Rechnung getragen wird. Fail Safe ist ein weiteres Kriterium: Sollte ein
Fehler auftreten, geht das System in einen sicheren Zustand über. Auf die
Bremsanlage übertragen bedeutet dies, dass die Fahrzeuge immer zum
Stillstand kommen, egal ob beispielsweise die Stromversorgung unterbrochen wird
oder der Luftdruck abfällt. Ermöglicht wird dies durch ein simples
mechanisches Bauteil: eine Feder, die in der Verstelleinheit der Bremse
eingebaut ist. In diesem sogenannten Federspeicherzylinder speichert die
(zusammengedrückte) Feder die eigentliche Arbeitsenergie und sorgt immer
für eine geschlossene Bremse. Erst durch Luftdruck erfolgt die
Öffnung gegen die Federkraft. Im regulären Fahrbetrieb muss die
Steuerung also ausdrücklich den Befehl zum Öffnen der Bremsen
erteilen, ansonsten bleibt diese verschlossen.
Eine visuelle Kontrolle der mechanischen Komponenten schließt die
Überprüfung jedes Bremsmoduls ab. Dazu gehört der sichere Halt
der Näherungsschalter, der kleinen, türkisen Kästchen,
die ein Signal geben, wenn sich ihnen ein metallischer Gegenstand nähert.
Die Näherungsschalter sind die Sinnesorgane der Steuerung und werden
vielseitig eingesetzt: Auf einem Bremsabschnitt findet man sie an verschiedenen
Stellen. Mit ihnen wir der Zustand der Bremse abgefragt - ob
geöffnet oder geschlossen - und mit ihnen wird auch die Position der Wagen
auf der Bremse festgestellt. Diese Daten werden verarbeitet und bewirken
in wenigen Millisekunden eine Reaktion: Beispielsweise wird die Geschwindigkeit
eines Fahrzeugs ermittelt und daraus die Schließzeit der Reduzierbremse
berechnet. Das Ziel ist eine kontrollierte Verzögerung auf eine bestimmte
Geschwindigkeit. Diese Geschwindigkeitsregelung wird zwar nicht an jeder
Bremse durchgeführt, sorgt aber dafür, dass eine zu schnelle
Chaise einem langsameren Fahrzeug nicht zu nahe kommen kann und
eventuell von der nächsten Blockbremse für kurze Zeit gestoppt werden
müsste. |