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Links: Das Wildwasser-Rafting ist die bisher
neueste Großattraktion im symphatischen Bayern Park - rechts: Die
Enthüllung der Neuheit 2011: Der Launch Coaster Freischütz (v.r.n.l.:
Silke Leitl (Parkchefin), Franz-Xaver (Parklöwe), Parkbesucher, Walter
Kagerbauer (Marketingleiter), Josef Kleeberger (technischer
Betriebsleiter)) |
"Der Bayern Park baut für 2011 einen LSM-Coaster". Diese
Ankündigung machte nach einem Interview mit Jörg Beutler, einem der
Geschäftsführer von Maurer Söhne, im März 2010 die Runde.
In diesem Artikel wird die Entstehung der Achterbahn in mehreren Fortsetzungen
porträtiert - von der ersten Idee bis zur Eröffnung.
Teil 1: Entwürfe, Konstruktion und
erste Präsentationen
Teil 2: Pressekonferenz
Teil 3: Bautagebuch
Teil 4: Presseeröffnung
Sommer 2007: In vier Jahren wird der Bayern Park
sein 20-jähriges Bestehen feiern. Daher überlegt man sich seitens der
Geschäftsführung, wie sich der Park weiter entwickeln soll. Die
bisherige Zielgruppe sind Familien mit Kindern bis zwölf Jahren, doch
zukünftig sollen auch vermehrt Jugendliche angesprochen werden. Also plant
man, größere Fahrgeschäfte zu bauen. Der erste Schritt ist in
der Saison 2008 das Wildwasser-Rafting, in der Jubiläumssaison 2011 soll
eine weitere Großattraktion folgen. Schnell fällt die Entscheidung
für eine Achterbahn und die ersten Kontakte zu potentiellen Herstellern
werden geknüpft. Fest steht zu diesem Zeitpunkt nur eines: Es soll eine
Stahlachterbahn von einem deutschen Unternehmen sein. Eine
Holzachterbahn würde zwar thematisch ausgezeichnet in den landschaftlich
geprägten Park passen, doch wäre sie in der Anschaffung wie im
Unterhalt zu teuer.
Frühjahr 2009: Die ersten Angebote und
Layoutvorschläge liegen vor. Seitens des Bayern Parks wird eine
Achterbahn mit vertikalem Kettenlift favorisiert, und von den
süddeutschen Herstellern Gerstlauer und Zierer werden
Angebote für entsprechende Anlagen unterbreitet. Gerstlauers
Eurofighter haben schon mit bestehenden Bahnen punkten können, und von
Zierer stehen bereits zwei Tivolicoaster unterschiedlicher
Größe im Park. Der Münchner Hersteller Maurer Söhne
hingegen hat nur einen Entwurf für eine LSM-Katapultachterbahn
abgegeben, die dem Park jedoch nicht spektakulär genug ist. In der Folge
bereist das Team des Bayern Parks diverse Parks in Europa, um
verschiedene Anlagen Probe zu fahren.
1. März 2010: Der Kaufvertrag wird unterzeichnet. Aber
nicht mit Gerstlauer, wie es der unterschriftsreife Kontrakt bis zuletzt
vermuten ließ, sondern mit Maurer Söhne. Die Münchner
haben kurzfristig ein weiteres Angebot vorgelegt, das sowohl von der Achterbahn
als auch vom Preis überzeugen konnte. So traf der Bayern Park in einer
internen Abstimmung die Entscheidung, die denkbar knapp gegen den Eurofighter
ausfiel. Damit konnte der März-Newsletter von Maurer
"deutschlandweit die Bahn mit den meisten Überkopfelementen und
weltweit die Katapultbahn mit den meisten Überkopfelementen"
ankündigen, dazu einen fliegenden Start und eine
Bremsenergierückgewinnung.
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Wie bereits das Wildwasser Rafting wird
Freischütz auf einem abschüssigen Gelände installiert
werden |
20. April 2010: Die Berechnung des endgültigen Layouts
ist abgeschlossen. Wie üblich erfolgt in der Angebotsphase keine finale
Berechnung der Fahrdynamik, sondern nur eine Vor-Berechnung, welche das
Fahrerlebnis hinreichend genau wiedergibt und Grundlage zur Preiskalkulation
bildet. Zwar werden auch dazu bei Maurer Söhne bereits die
hausinterne Software X-Track sowie No Limits verwendet, um das
Angebot mit dreidimensionalen Ansichten und Animationen zu visualisieren. Die
zeitaufwändige Optimierung, die trotz Computerunterstützung einiges
an Handarbeit und Erfahrung erfordert, findet aber erst nach Vertragsschluss
statt. Die geplante Lage der Bahn neben dem Wildwasser-Rafting und zwischen
Kindereisenbahn und Imbiss ist eine besondere Herausforderung. Denn die
Fläche bildet in Längsrichtung einen 15 Meter hohen Hang, der
einerseits die Gestaltung einschränkt, andererseits aber auch ganz
besondere Möglichkeiten zur Individualisierung verleiht. So wird der
Launch den Hang hoch erfolgen, an dessen oberen Ende der kopfüber
durchfahrene Top Hat warten wird.
Für die Ingenieure von Maurer Söhne gilt es nun
nach der Dynamikberechnung in einem zweiten Schritt, die Schienen derart
abzustützen, dass die dynamischen Lasten, hervorgerufen von Wind und
Fahrdynamik der Fahrzeuge, sicher in den Boden geleitet werden. Dies geschieht
mit der Erstellung der Statik, die besonders bei kompakten Achterbahnen schnell
kniffelig werden kann. Während dieses Prozesses werden die Stützen
designed und platziert, Berechnungen durchgeführt und Fundamentlasten
definiert, auf welche der Kunde seine Betonfundamente auszulegen hat. Dabei
gilt es, unter den gegebenen Voraussetzungen die Anzahl der Stützen zu
minimieren, um neben den Produktionskosten des Herstellers auch die
Infrastrukturkosten des Parks für die Fundamente so weit wie möglich
zu reduzieren. Den Anschaffungspreis sowie die eigenen Kosten zusammengenommen
rechnet der Bayern Park derzeit mit einem Gesamtvolumen von
ungefähr 4,5 Millionen Euro.
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Einblick in die Konstruktion: In der hauseigenen
X-Track Software von Maurer Söhne wird gerade der über Kopf
absolvierte Top Hat ausgestaltet |
02. Juli 2010: Seitens des Bayern Parks beginnen die
Werbemaßnahmen für die neue Achterbahn. Dabei hat man sich für
eine offensive Strategie entschieden und versucht nicht, die Attraktion so
lange wie möglich geheim zu halten. So steht im Park eine große
Bautafel mit dem Layout der Bahn. Der Clou ist jedoch, dass die Tafel alle zwei
Wochen stückweise enthüllt wird und die Planungen somit nach und nach
freigibt. Noch bis zum 12. September wird regelmäßig ein
Parkbesucher ausgewählt, um zusammen mit dem Parkmaskottchen das
nächste Stück des Geheimnisses zu lüften. Die Grafik auf der
Internetseite wird jedoch nicht verändert, sodass die Parkbesucher hier
immer wieder voraus sind.
Die neue Achterbahn wird als Weltneuheit und extremster
Launchcoaster Deutschlands beworben. Damit folgt man dem Beispiel
anderer Parks, die keine objektiv vergleichbaren Kriterien wie Höhe,
Länge oder Geschwindigkeit heranziehen können, sondern mit
qualitativen Merkmalen wie der "härtesten" Achterbahn werben.
Ursprünglich wollte man auf dieses Marktgeschrei verzichten, doch ist es
heutzutage wohl unerlässlich, um mediale Aufmerksamkeit zu erzielen. Die
Angabe der Weltneuheit kann durchaus gerechtfertigt sein, wenn man die
Gesamtheit aller Eigenschaften betrachtet. Und extrem wird die Bahn auch sein,
wenn man die Anzahl der Fahrfiguren pro Streckenmeter ansetzt, da es
außer der Beschleunigungsstrecke keinen geraden Schienenabschnitt geben
wird.
Zusammen mit dem ersten Teil des Layouts wurde auch der Name
enthüllt: Freischütz wird die Achterbahn heißen.
Wäre es eine Anlage von Gerstlauer geworden, hätte man die
Minenthematik der benachbarten Wasserattraktion weitergeführt, bei einem
Launchcoaster hielt man dies aber für unpassend. So hat man mit
Maurer zusammen einen Namen gefunden, der auf die Jagdmythologie und die
gleichnamige Oper von Carl Maria von Weber anspielt. Darin ist der
Freischütz ein Jäger, der die sogenannte Freikugel besitzt,
die ihn jedes Ziel treffen lässt. Dies eröffnet regionaltypische
Gestaltungsmöglichkeiten, die der Bayern Park bisher insgesamt sehr
konsequent umsetzt, und auch die Wolfsschlucht aufzugreifen würde sich
anbieten. Zwar werden die beiden zu einem Tandem gekoppelten X-Cars
nicht als Gewehrkugel thematisiert, was nicht weiter verwundert, da diese
Fahrzeuge kaum für aufwändige GFK-Verkleidungen ausgelegt sind, doch
passt das Bild schon recht gut zu einer Katapultachterbahn - und zeigt
einmal mehr, dass es nicht immer hippe, englischsprachige Bezeichnungen sein
müssen.
Text: Coastersandmore - jp, Bilder: Coastersandmore, Maurer
Söhne, Werner Berthold |