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Provisorischer Fahrbetrieb für die
Filmaufnahmen |
16. August 2011: Die Inbetriebnahme verläuft gut, und
nun geht alles recht schnell: Der Park lädt für Sonntag, den 20.
August 2011 zur Pressekonferenz inklusive Jungfernfahrt
18. August 2011: Der TÜV Süd ist für die
zweitägige Prüfung des Freischütz im Bayern Park. Entgegen dem
sonst üblichen Verfahren werden einige Punkte durch Maurer Söhne im
Beisein der Prüfer bearbeitet, und nicht schon im Vorfeld. Die
Prüfung ergibt - wie üblich - eine Mängelliste.
Sicherheitsrelevante Aspekte werden durch Arbeiten bis tief in die Nacht
ausgeräumt, schließlich steht die Pressekonferenz kurz bevor. Dieser
Termin muss jetzt, da er breit kommuniziert wurde, auf jeden Fall gehalten
werden. Im Ergebnis wird die Anlage freigegeben, jedoch unter der Bedingung,
dass ein Mitarbeiter von Maurer Söhne vor Ort ist, bis einige weitere
Arbeiten erledigt sind. Obwohl das X-Car prinzipiell ab 1,30 Metern
Körpergröße freigegeben ist, schreibt der TÜV mindestens
1,40 Meter (und maximal 2 Meter) vor, zu intensiv sind die kurz aufeinander
folgenden Fahrfiguren.
20. August 2011: Der Freischütz ist abgenommen und schickt nun die
ersten lebenden Freikugeln auf die Strecke, denn es werden Filmaufnahmen für
Werbezwecke durchgeführt. Befüllt ist der zweigliedrige Zug, immer in derselben
Besetzung, mit Mitgliedern der Munich Coasterfriends - nur hartgesottene
Achterbahnfahrer überstehen bei 29 Grad im Schatten die bis zu 16 Fahrten zu je
zwei Runden in nur zweieinhalb Stunden. Gefilmt wird von Kai Böcking mit seinem
Team, der in den letzten Jahren bereits etliche Beiträge zum Thema Achterbahnen
gedreht hat. Eine Testrunde drehen dürfen auch einige Star-Wars-Fans, die an
diesem Tag am neunten Stormtrooper-Treffen im Bayern Park teilgenommen haben.
Aufgrund der kurzen Inbetriebnahmephase ist dieser Tag der erste
wirkliche Belastungstest für die Achterbahn. Mit vier Notebooks auf zwei
Klapptischen programmieren und überwachen die Ingenieure von Maurer
Söhne und Aradex, dem Zulieferer des LSM-Antriebs, die Anlage, sodass der
Bahnhof eher nach Camping oder Computerspieleconvention aussieht als nach
Achterbahn - in dieser Phase ein durchaus übliches Erscheinungsbild. Wie
provisorisch der Fahrbetrieb an diesem Tag war, zeigte sich
auch darin, dass nach der TÜV-Abnahme noch nicht wieder alle Abdeckungen
für die Bügelverriegelung montiert waren.
Während der Antrieb an sich reibungslos funktioniert, besteht
die Herausforderung in der übergeordneten Steuerung der Gesamtanlage.
Diese misst die Fahrzeuggeschwindigkeit im Launch anhand von
Magnetfeldsensoren, die auf die Magnete an den X-Cars reagieren. Diese Sensoren
sitzen in den LSM-Modulen. Ihre Ausgangssignale werden aber, trotz
abgeschirmter Leitungen, durch die große Antriebsleistung gestört,
sodass die Steuerung hin und wieder eine Übergeschwindigkeit detektiert
und den Antrieb abschaltet. Nun gilt es, die Störungen durch die
Programmierung der Steuerung herauszufiltern.
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Das Layout mit bayrischen Bezeichnungen |
21. August 2011: Der große Tag für den Bayern
Park ist da. Pünktlich um 11 Uhr beginnt die Pressekonferenz, in der
einige der am Freischütz beteiligten Personen über ihre Arbeit und
den Werdegang der Bahn berichten. Moderiert von Thomas Schächtl von der
allmender GmbH, die den Park bezüglich der Kommunikation unterstützt,
gehen Geschäftsführerin Silke Holzner und Pressesprecher Walter
Kagerbauer auf die Beweggründe für die neue Achterbahn, die
Namensfindung und den Park an sich ein.
Architekt Johann Vogginger erläutert die
größtenteils noch ausstehende Thematisierung und Statikingenieur
Marcus Polster beschreibt die Arbeit an den Fundamenten. Während für
die verschalte Fundamentbasis ein Beton verwendet wird, der erst nach
vierwöchigem Aushärten seine endgültige Festigkeit erreicht,
erfolgt das Auffüllen mit Spezialbeton, der in 48 Stunden aushärtet.
Zuerst wird in zwei Schritten die Basis befüllt, bevor der Beton in einem
dritten Schritt durch Stutzen in die Stützen verfüllt wird. Jörg
Beutler von der Geschäftsleitung von Maurer Söhne erläutert
abschließend noch die technischen Neuerungen des Freischütz.
Vorgestellt wurden auch die Namen der Fahrfiguren. Während
der Bauphase hatte der Park dazu aufgerufen, bayrische Namensvorschläge
für die sonst englischen Bezeichnungen einzureichen. Der Top Hat
heißt nun Schreigrampfraim ("Schreikrampfkurve"), der Looping Da Agathe
sei Ring ("Ring der Agathe"), die erste Heart Roll Mongdraza ("Appetithappen")
der Inclined Loop Hoiwada Iwakopfstea ("halber Überkopfsteher"), die
zweite Heart Roll Dradingsl ("Drehding") und die Overbanked Curve
Schicksoiskurvn ("Schicksalskurve").
Gegen 12 Uhr folgte das feierliche Durchschneiden des roten Bandes
durch Frau Holzner, einige Mitglieder der Besitzerfamilie Hochholzer und die am
Bau beteiligten Personen. Während die erste Reihe der Jungfernfahrt
natürlich von Silke Holzner und Jörg Beutler besetzt wurde, durften
Johann Vogginger und Marcus Polster ihre ersten Fahrten in der zweiten Reihe
absolvieren. Hermann Bockhorni und Projektleiter Thomas Hahn von Maurer
Söhne besetzten die dritte Reihe, während sich Inbetriebnahmeleiter
Franz Friedl mit dem Startknopf begnügen musste.
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Links: Das rote Band wird durchschnitten - Rechts: Die Besatzung
der Jungfernfahrt |
Nach dessen Betätigung ertönt ein Grollen im Keller des
als Kanone gestalteten, sich aber noch im Rohbau befindlichen Bahnhofs und mit
einem ansteigenden Summen setzt der Antrieb das X-Car-Tandem langsam in
Bewegung, bevor er richtig zugreift und den Zug in 2,5 Sekunden auf 80 km/h
beschleunigt. Nach nur 43 Sekunden rauscht die Freikugel wieder durch die
Station, wird vom LSM-Antrieb abgebremst und in die Einstiegsposition
zurückgeschoben - bei der Jungfernfahrt wurde von der Möglichkeit,
gleich in eine zweite Runde durchzustarten, kein Gebrauch gemacht. Am Vortag
hatte sich dieser Zyklus aber bereits in der Praxis bewährt. Bei allen
Beteiligten fiel die Anspannung sichtlich ab, und dann wurde direkt eine zweite
Fahrt in gleicher Besetzung gewagt.
Anschließend sollten die Pressevertreter den Freischütz
testen. Die Betonung liegt auf sollten, denn die Bahn litt unter technischen
Problemen. Genauer gesagt klemmte die Netzwerkverbindung zwischen einigen
Steuerungskomponenten, was einen vollständigen Neustart der Anlage unter
telefonischer Mitwirkung durch Aradex notwendig machte - und eine Betriebspause
von ungefähr zwei Stunden zur Folge hatte. Für eine
Presseveranstaltung ist das eine sehr ungünstige Situation, die aufgrund
der kurzfristigen Inbetrieb- und Abnahme aber allgemein auf
Verständnis stieß. Mit weiterem Feintuning in den nächsten Tagen
wird sich die übliche Zuverlässigkeit noch einstellen. Schließlich
konnte der Freischütz wieder Fahrt aufnehmen.
Diese ist äußerst intensiv und bietet keinerlei
Verschnaufpause, die Werbeaussage "Deutschlands extremster Launchcoaster" ist
also keinesfalls übertrieben. Sobald der Launch richtig zugreift, beginnt
der abenteuerliche Ritt auf der Freikugel. Dabei sind die Beschleunigungsphase
und der Top Hat, der ohne größere Hangtime auskommt, noch die
harmlosesten Abschnitte. Bereits in der Ausfahrt des sich anschließenden
Vertikalloopings setzen starke positive Beschleunigungen ein. Maximal sind es
bis zu 4,4g, und bis zur Ausfahrt aus der Halfpipe, einer 360-Grad-Rechtskurve
mit wellenförmigem Höhenprofil durch den Looping hindurch, wirken
über drei Sekunden lang mehr als 3,5g auf die Fahrgäste. Gerade bei
Temperaturen von über 30 Grad wie am Tag der Pressekonferenz belastet dies
spürbar den Kreislauf, auch wenn die Belastungen selbstverständlich
im erlaubten Rahmen der einschlägigen Normen liegen. |
Die erste Heart Roll bietet nur eine kurze Pause von den positiven
Beschleunigungen, bevor man im linksgerichteten Inclined Loop über die
Station hinweg und in der Durchfahrt durch die Wolfsschlucht wieder
kräftig in den Sitz gedrückt wird. Die zweite Heart Roll, genau wie
die erste sehr schnell durchfahren, mündet in die übergeneigt
Schlusskurve, die rechts herum zurück in die Station und weiter in den
LSM-Antrieb führt. In einer Betriebsart gibt es einen fliegenden Start,
der den Zug kurz anschiebt und auf eine zweite Runde schickt. Damit
verlängert sich die Fahrt auf 86 Sekunden und acht Inversionen. In der
zweiten Betriebsart wird der Zug durch den LSM abgebremst und zurück in
die Station geschoben. Dort kommt er in einer Senke zum Stehen und wird
für den Ein- und Ausstieg mit einer Haltevorrichtung arretiert.
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Top Hat und zweite Heart Roll |
Mit ihrer Charakteristik geht die Bahn tatsächlich an die
Belastungsgrenzen, zumal es einige Stellen gibt, die kräftig am Fahrzeug
rütteln. Von störenden Schlägen kann aber keine Rede sein. Derzeit
arbeitet Maurer Söhne an einer Lösung, um den
Fahrkomfort zu erhöhen. Das je nach Sitzplatz
unterschiedlich stark ausgeprägte Schütteln addiert sich zu der
sehr intensiven Fahrdynamik, sodass man insgesamt schon fast von
einer aggressiven Fahrt sprechen kann. Mit ihrer Farbgebung aus grüner
Stütze und schwarzer Schiene passt sich die Bahn gut in das Parkbild ein,
und mit einer Maximalhöhe von 24 Metern über dem Gelände - bei
einer Gesamthöhe von 33 Metern - wirkt die Bahn von Außen eher
harmlos, was sie nun wirklich nicht ist. Eher unscheinbar machen die Anlage
auch die kaum hörbaren Eigengeräusche, die sich auf das Summen des
LSM-Antriebs beschränken. Aber ganz im Gegenteil versteckt sich hier sehr
erfolgreich ein Wolf im Schafspelz.
Bei den Parkbesuchern haben die Pressefahrten einige Neugier
geweckt, und ab ca. 15 Uhr wurden auch die zahlenden Gäste, die sich schon
in einer großen Traube vor dem Bauzaun versammelt hatten, schubweise zur
Bahn vorgelassen. Die Reaktionen waren durchweg begeistert, wobei der
Freischütz nicht nur von den eigentlich angepeilten Jugendlichen und
jungen Erwachsenen sehr gut angenommen wurde, sondern besonders von
jüngeren Kindern. Zwischenzeitlich geäußerte Bedenken, die
Achterbahn könnte zu stark aus dem sonstigen Angebot an Attraktionen im
Bayern Park herausstechen, haben sich also in den ersten Minuten
zerschlagen.
Momentan läuft der Freischütz noch im Soft Opening. Der
Innenausbau der Station ist noch sehr provisorisch, und auch die Brücke,
die vom Ausgang über die Wolfsschlucht führen soll, wird erst im
Verlauf der nächsten Woche installiert. Solange müssen die Mitfahrer
die Anlage auf der Einstiegsseite verlassen. Auch die Gestaltung des
Geländes und die Fertigstellung des Stationsgebäudes stehen noch aus,
werden aber erst in der Winterpause abgeschlossen. Die vollständige,
offizielle Eröffnung wird zu Beginn der Saison 2012 erfolgen. Dann wird
sich zeigen, ob der Freischütz die erhoffte Steigerung der Besucherzahlen
von 320.000 auf 350.000 pro Jahr mit sich bringt. Das erste Ziel haben der Bayern
Park und Maurer Söhne aber schon erreicht: Eine intensive Achterbahn zu bauen,
die ihren Fahrgästen vom Start an den Atem raubt und die sich nicht nur im
deutschsprachigen Raum nicht zu verstecken braucht. |