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Dodonpa - Katapultcoaster im Fuji-Q Highland |
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Launch Coaster gibt es viele: Seit Mitte der 70er Jahre
katapultieren Antriebssysteme wie Schwungrad, elektromagnetischer LIM /
LSM und der Hydraulikantrieb die tonnenschweren Achterbahnwagen auf
Geschwindigkeiten von bis zu 240 Stundenkilometern. Doch keine dieser
Technologien vermag es, mit dem Funktionsprinzip der Firma S&S aus dem
amerikanischen Utah mitzuhalten. Statt 1 bis 1.5g Initialbeschleunigung wie auf
modernen LSM-Bahnen oder knapp 2g auf Intamins Hydraulikkatapulten,
schießt S&S die Züge mit über 4g Spitzenbeschleunigung
Richtung Parcours.
Die Achterbahnstarts sind derart durchzugsstark, dass der
ein oder andere Parkbetreiber zurückschreckt. Das Geheimnis liegt im
Medium Luft, welches S&S Fimengründer Stan Checketts mit
leistungsstarken Kompressoren auf mehr als das Zehnfache des
atmosphärischen Drucks komprimiert, um es anschließend durch einen
gigantischen, meterlangen Kolbenzylinder zu schießen. Dort treibt die in
der komprimierten Luft gespeicherte Energie einen Mitnehmer inklusive Stahlseil
und den daran gekoppelten Fahrgastträger voran. Schon die
S&S-Verkaufschlager Space Shot und Turbo Drop bereiteten mit dieser
Technologie in den 90er Jahren kompromisslosen Airtimespaß bei einer
vertikalen Turmfahrt, seit dem Jahre 2001 wird das Antriebskonzept zum Abschuss
auf Katapultachterbahnen eingesetzt.
Im fernen Japan, im Fujikyu Highland Freizeitpark (die
Transkription aus dem Japanischen ist nicht eindeutig, man findet auch oft
Fuji-Q) südwestlich von Tokyo, debütierte im Dezember 2001 die
S&S-Katapultachterbahn Nummer zwei. Die technischen Kenndaten sind
beeindruckend: Auf einer 60 Meter langen Launchgeraden wird der achtsitzige Zug
innerhalb von 1,8 Sekunden von Null auf 172 Stundenkilometer beschleunigt. Es
zischt und pfeift, und mit einer Spitzenbeschleunigung von 4.25g werden die
Fahrgäste in die Sitze gepresst. Knapp 1200 Meter später steht der
Zug in der Schlussbremse. Zuvor sind die Mitfahrer quer durch den halben Park
gerast, haben eine Hochgeschwindigkeits-Steilkurve mit 150 Metern Durchmesser
passiert und schließlich einen 52 Meter hohen Vertikalturm erklommen, der
den viergliedrigen Zug an seiner Rückseite mit einer 90° steilen
Abfahrt in die Schlussgerade entlässt.
Klassische Camelbacks, weitere Auf- und Abfahrten oder
Helices sucht der Besucher vergeblich, obwohl die Restenergie des Zuges noch
für die ein oder andere Fahrfigur ausgereicht hätte. Dodonpa setzt
zielsicher auf zwei Schwerpunkte: So schnell wie möglich auf
Höchstgeschwindigkeit zu beschleunigen und diese die Fahrgästen ohne
Unterbrechung spüren zu lassen. Der durchzugsstarke Katapultstart,
bodennahe Kurven, verschiedene Tunneldurchfahrten und der vertikale Sturz in
die Tiefe ermöglichen, die Geschwindigkeit bewusst hautnah zu erleben.
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Mit 172
Stundenkilometern rast der mit Pneus bereifte Zug die Schienentrasse
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Das 1994 als S&S Power Incorporated gegründete
Unternehmen hat sich seit jeher auf extreme Erlebnismaschinen konzentriert und
dabei fast ausschließlich das Medium Luft als Energieträger für
den Antrieb verwendet. Stan Checketts, neunfacher Familienvater, war vor dem
Einstieg in das Vergnügungsanlagengeschäft als Möbelmacher
tätig. 30 Jahre lang verfolgte ihn die Idee, Leute in die Lüfte zu
katapultieren. Mit dem Space Shot, einem bis zu 100 Meter hohen stählernen
Turm, wurde diese Idee in die Tat umgesetzt.
Wie ein Ping-Pong-Ball wird der Fahrgastträger mittels
eines langen Druckluftzylinders erst in die Luft katapultiert, um dann
herunter- und wieder hinaufzuschwingen und dabei immer mehr an Momentum zu
verlieren. Beim Start wiegen die Fahrgäste kurzzeitig viermal so viel wie
ihr Körpergewicht, an den Wendepunkten in luftiger Höhe sind sie so
leicht wie eine Feder und spüren lang anhaltende Momente der Airtime.
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S&S neueste Generation von
Luftdruckcoastern findet sich ausschliesslich in chinesischen
Freizeitparks |
Kritiker verspotten die Turmkonstruktionen wegen ihrer
technisch simplen und stellenweise primitiven Bauweise. Doch mehr als 100
weltweite Abverkäufe von Space Shot (Abschuss von unten nach oben), Turbo
Drop (Abschuss von oben nach unten), Combo Ride (Abschuss in beide Richtungen)
und Double Shot (kompakte Variante des Space Shot, welche die Gondel zweimal in
die Höhe katapultiert) sprechen für den Erfolg der
luftdruckgepowerten Anlagen. 1999 stieg S&S in das Achterbahngeschäft
ein und mit dem Aufkauf der insolventen Arrow Dynamics im Jahre 2002 war der
Weg für weitere Kreationen mit dem patentierten Luftdruckantrieb
geebnet.
Im November 1999 wurde schließlich das Geheimnis um
den Thrust Air 2000 auf dem Firmengelände in Logan, Utah vor einer Schar
von Kunden und Journalisten gelüftet. Der Prototyp der ersten mittels
Luftdruck befeuerten Katapultachterbahn bot einen 50 Meter hohen Vertikalturm,
der direkt nach der kurzen Katapultgeraden erklommen wurde, um am Hochpunkt
mittels eines 180° Vertikalbogens auf der Rückseite senkrecht gen
Boden zu stürzen. Ein weiteres Kurvenrund später erfolgte die
Bremsung. |
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Links: Jeder Wagen hat eine Bogieeinheit
mit Learjet-Reifen - rechts: Das I-Träger-Schienenprofil im
Detail |
Neben dem beeindruckenden Katapultstart bot das Team um den
kühnen Tüftler Checketts mit dem Thrust Air 2000 ungewöhnliche
Neuerungen: Die Räder unterscheiden sich von herkömmlichen
Achterbahnrollen deutlich. Statt Aluminiumkernen mit dünnen
Kunststoffbandagen kommen luftgefüllte Reifen von Learjets zum Einsatz.
Die Pneus von Michelin sind wie bei Achterbahnen üblich um die Schiene als
Lauf, Seiten- und Gegenrollen angeordnet. Die technische Neuerung sollte, so
Checketts, den Thrust Air auch bei einem Tempo von 200 km/h fahrbar gestalten -
Eine Eigenschaft, die er zum damaligen Zeitpunkt herkömmlichen
Achterbahnrollen nicht zutraute.
Die luftgefüllten Reifen bedürfen einer planen
Auflagefläche, und so verwendet S&S anstatt Rundrohren standardisierte
I-Stahlprofile als Schienen. Die Inspiration holte man sich bei Intamin, welche
auf Superman the Escape im Six Flags Magic Mountain bereits derartige
Schienenprofile einsetzte. Auf der Intamin-Anlage in Kalifornien werden die
Einzelwagen durch Elektromagnete linear beschleunigt, fahren über einen
Vertikalbogen einen 120 Meter hohen Turm hinauf, um diesen im
Rückwärtsgang wieder hinab zu donnern. Horizontalkurven bietet die
Entwicklung aus der Schweiz nicht, doch eben solche kommen beim Konzept des
Thrust Air 2000 zum Einsatz. Dabei ist das Biegen der I-Träger zu einem
dreidimensionalen Schienenverlauf weitaus schwieriger zu handhaben als bei
Rundrohren. Die engen Toleranzen einer Rundrohrschiene sind mit der
S&S-Konstruktion nicht erreichbar.
Zwei Jahre später, im Frühjahr 2001,
debütierte die Achterbahnentwicklung im Paramount's Kings Dominion
Freizeitpark. Hierfür wurde der Prototyp von der Erstpräsentation
umgebaut. Doch der Hypersonic XLC sollte dem Betreiber mehr Sorgen als Freude
bereiten: So fielen die Wagen permanent aus, war die Lebensdauer der als
Innovation gefeierten, jedoch sehr teuren, luftgefüllten
Flugzeugräder im Vergleich zu herkömmlichen Achterbahnrollen
verschwindend gering und die ruppigen Fahreigenschaften der eigenwilligen
Fahrzeuge im Zusammenspiel mit der I-Träger Schiene nicht unbedingt
verkaufsförderlich. Im Ergebnis war die Spurtreue der Fahrzeuge nicht
optimal, die Fahrt glich einem Eiertanz. Selbst wuchtige Stoßdämpfer
konnten das Nicken der Fahrzeuge bei der Überfahrt des Stahlturms nicht
vermeiden. Die Züge wurden schließlich nach der ersten Saison
komplett überarbeitet.
Als Cedar Fair 2006 die Paramount Parks übernahm, war
das Ende der Achterbahn beschlossene Sache: 2007, nach gerade einmal sieben
Betriebsjahren, wurde Hypersonic XLC dem Erdboden gleich gemacht. Erst sollte
das Katapultmonster in einen Freizeitpark nach Südeuropa verschifft
werden, doch auch hier schreckte der potentielle Abnehmer zurück. Bis zum
Jahre 2010 waren die Einzelteile in Kings Dominion eingelagert, schliesslich
sind sie der Stahlschere zum Opfer gefallen. Noch nicht einmal ein Interessent
wollte die Anlage geschenkt haben.
Anlage Nummer zwei stand dagegen unter einem weitaus
besseren Stern: Das japanische Fujikyu Highland hatte sich bereits vor der
Inbetriebnahme des Hypersonic XLC für das Thrust Air Konzept entschieden
und konnte sich somit durch die Hiobsbotschaften aus den USA nicht abschrecken
lassen, eine schnellere, höhere und längere Version des
Luftdruckcoasters zu erwerben. In Japan geht das Konzept tatsächlich auf:
Enge Kurvenzüge gibt es nicht, die Fahrzeuge tendieren dadurch weitaus
weniger zum Ausbrechen, und eine Stabsmannschaft an Mechanikern hält die
vier Züge auf Vordermann. |
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Bodennahe Kurven und
Tunneldurchfahrten intensivieren das Geshwindigkeitsgefühl |
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Links: Der schlicht in rot gehaltene
Stationsraum - rechts: Bügel, Gurt und Beinklammer sichern jeden
Fahrgast |
Dodonpa überbot 2001 alles bisher Dagewesene:
Anderthalb Jahre vor Top Thrill Dragster im amerikanischen Cedar Point war sie
mit 172 Stundenkilometern Spitzengeschwindigkeit die schnellste Achterbahn der
Welt und mit knapp 1200 Metern Streckenlänge die längste unter den
Abschussanlagen.
Die Station nebst Startgerade und dazu parallel
geführter Bremse wurde auf dem Platz des ehemaligen, mit 7g Beschleunigung
fast legendären Shuttle Loops Moonsault Scramble in direkter Nähe zum
Hauteingang platziert. Parallel zum Hauptweg erfolgt der Launch auf die
nachgeschaltete Gerade, welche schließlich abtaucht, um in einer
beeindruckenden 270°-Wende am anderen Ende des Parks auf den Vertikalturm
zu führen. Im Vergleich zur ersten Publikumsinstallation in Kings Dominion
ist alles deutlich größer dimensioniert. Dodonpa ist im gesamten
Park präsent - visuell und auch hörbar: Obwohl die komplette,
über 60 Meter lange Abschussstrecke nebst Luftdruckbehältern in einem
Tunnel untergebracht wurde, ist das Geräusch der Abschusssequenz
ohrenbetäubend.
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Der 60 Meter langen, im Tunnel
eingehausten Katapultstrecke folgt eine langgezogene Gerade entlang der
Hauptachse des Parks |
Thematisierung sucht der Besucher im Fujikyu Highland nahezu
vergeblich, und so ist auch Dodonpa keiner ausufernden Gestaltung unterworfen
worden. Vielmehr ist die Attraktion ein Thema für sich - im
übergeordneten Sinne: "Dodonpa" ist im Japanischen die wörtliche
Beschreibung für Herzfrequenz, welche im Wartebereich, der Station und dem
Beschleunigungstunnel akustisch zu hören ist. Dabei steigert sich die
Lautstärke wie auch die Frequenz des eingespielten Herztons, je näher
der Besucher dem Abschuss kommt. Bei Wartezeiten von zwei bis drei Stunden -
selbst an Wochentagen in der Nebensaison - ein interessanter Effekt, der in der
zweckmäßig gestalteten Station mit der dominierenden Farbe rot die
einzige Abwechslung bringt.
Die Züge werden auf getrennten Positionen ent- und
beladen. Im überdimensionalen Sitz vermag jeder Fahrgast zu versinken, die
Sitzfläche ist stark nach hinten geneigt, damit der Bügel sicher den
Schoß des Fahrgastes umschließen kann. Zudem werden die Schienbeine
arretiert. Obwohl bereits mehrfach durch Flachbildschirme auch für
Nichtjapaner verständlich gemacht, weist das Personal darauf hin, den Kopf
beim bevorstehenden Katapultstart tunlichst an die Kopfstütze zu legen.
Reibräder manövrieren den viergliedrigen, fast
sechs Tonnen schweren Wagenverbund mit seinen überbreiten Fahrzeugen in
eine 90°-Rechtskurve direkt hinein in den Abschusstunnel. Das Herz
schlägt noch lauter und schneller und wird nun erstmals auch auf Monitoren
visualisiert. Dann folgt ein Countdown und schließlich der Moment, der
folgen muss: Der Katapultstart. |
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Der Bremse (rechts)
folgt eine S-Kurven-Kombination in die Station hinein |
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Antriebsschema Air Launch des S&S
Thrust Air 2000 |
Vorab haben drei jeweils 550 Kilowatt starke und permanent
laufende Schraubenkompressoren von Ingersoll-Rand die von außen
angesaugte Umgebungsluft auf Betriebsdruck gebracht. Dieser liegt mit rund zehn
bar deutlich über dem atmosphärischen Luftdruck von einem bar.
Gleichzeitig wird die Luft gefiltert und getrocknet, um die Kondensatbildung
bei der folgenden, schlagartigen Expansion zu minimieren. Hochdrucktanks dienen
als Zwischenspeicher. Die technischen Aggregate bilden in ihrem
Erscheinungsbild fast ein kleines Kraftwerk. Vor dem Abschuss wird die
aufbereitete und unter Hochdruck stehende Luft in drei lange, parallel zum
Launchzylinder installierte Abschusstanks geleitet. Diese werden im Laufe der
1,8-sekündigen Abschusssequenz sequentiell über Ventile dem
eigentlichen Launchzylinder zugeschaltet, der knapp 70 Meter lang ist und
unterhalb der gesamten Launchstrecke verläuft.
Ein durch den Kolbenzylinder geführtes Stahlseil wird
an dessen beiden Enden um zwei Umlenkrollen geführt und ein ebenfalls am
Seil befestigter, in der Katapultschiene auf einer zweiten Schiene fahrender
Mitnehmerschlitten katapultiert den Wagen über die gerade Abschussstrecke.
Dazu wird der entlang der Beschleunigungsstrecke positionierte Zylinder durch
einen beweglichen Schieber in zwei Kammern unterteilt. Strömt in die eine
Kammer die unter Druck stehende Luft, so wird der Schieber und das daran
befestigte Seil längs des Zylinders bewegt. Die Luft entspannt sich und
drückt dabei mit Leichtigkeit den Zug voran.
Es knallt beständig, wenn die Ventile nacheinander
öffnen und die Luft in den Zylinder strömt. Die Beschleunigung ist
gigantisch und erzielt im Durchschnitt 3,4g. Der technische Aufwand für
den Abschuss erscheint enorm, trotzdem ist die eigentliche Mechanik recht
einfach aufgebaut. Das Catch Car muss nicht etwa wie bei Intamins
Hydraulikkatapultcoastern durch eigene Magnetbremsen verzögert werden,
sondern bremst auf dem Luftpolster der zweiten Zylinderkammer ab. Zwei
Bremstanks mit einem stetig bevorrateten Luftvolumen sorgen für
zusätzliche Sicherheit. Beim Beschleunigungsvorgang wird das Volumen in
der zweiten Zylinderkammer minimiert, sodass der darin herrschende Druck
irgendwann den in der stetig expandierenden Beschleunigungskammer
übersteigt und somit das Catch Car wie an einen Gummiseil hängend
zurückwirft. Somit löst es sich automatisch vom Zug und schwingt
einige Male wild hin und her, bis es nach vier bis fünf Sekunden zum
Stillstand kommt. |
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Windschnittig legt
sich der Wagenverbund mit bis zu 150km/h in die Steilkurve |
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Fakten zur Dodonpa |
Katapultachterbahn mit einem Launch
der Extreme: Während des Startvorgangs werden die Mitfahrer mit dem fast
viereinhalbfachen ihres Körpergewichtes in die Sitze
gedrückt |
Gesamthöhe |
52
Meter |
Schienenlänge |
1189 Meter |
Max. Geschwindigkeit |
172 km/h |
Katapultstart |
von Null auf 172 km/h in 1,8 Sekunden |
Max. Beschleunigung |
4.25g (während des Beschleunigungsvorgangs in
Fahrtrichtung) |
Max. Steigung / Gefälle |
90° |
Fahrtzeit (Start bis Stillstand) |
55 Sekunden |
Fahrzeuge |
4 Züge mit je 4 Wagen, 2 Plätze pro Wagen |
Hersteller |
S&S Worldwide, Inc., Logan, Utah, USA |
Betreiber |
Fuji-Q Highland, Fujiyoshida, Japan |
Eröffnung |
21. Dezember 2001 |
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Link zur Webseite von
Fujikyu Highland |
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Die Mitfahrer bekommen von der Technik im Abschusstunnel
nichts mit, vielmehr sind sie auf ihre eigene Pulsfrequenz fixiert, die bei der
Anspannung durch den Katapultstart in die Höhe schnellt: In Sekunde Null
drückt es die Insassen mit dem vierfachen ihres Körpergewichtes in
die Rückenlehne, nach einer Viertelsekunde hat der Wagen bereits 40
Stundenkilometer erreicht, nach einer Sekunde sind es 140 km/h - wohl dem, der
den Anweisungen Folge geleistet und den Kopf an der Stütze angelehnt hat.
Unaufhörlich drückt es einen in den Sitz, doch bereits nach 60 Metern
ist die Druckkraft wie von Geisterhand verschwunden und das sechs Tonnen
schwere Fahrzeug donnert mit 172km/h aus dem Tunnel über eine
aufgeständerte, stetig ansteigende, etwa 200 Meter lange Schienentrasse.
Bevor der Wagenverbund in die gigantische Steilkurve
einfährt, sackt die Strecke einige Meter in eine Senke ab, leichte Airtime
inklusive, durchfährt in einem weiten Linksbogen einen Tunnel und neigt
sich schließlich im Uhrzeigersinn um die Längsachse, um den Wagen
auf den 270°-Kurvenbogen vorzubereiten. Dieser ist bis zu 20 Meter hoch und
bietet deutlich positive G-Kräfte, welche die Mitfahrer senkrecht in die
Sitze drücken. Zehn, elf Sekunden dauert diese Kurvenfahrt an, welche
immer noch mit Tempo 150 absolviert wird. Der Kurvenausgang führt sehr
bodennah durch einen weiteren Tunnel, dann erfolgt der Aufstieg auf den 52
Meter hohen Vertikalturm.
Ein 35 Meter langer Vertikalbogen führt den Zug "sanft"
in die Senkrechte, ohne dass die Züge wie beim Prototypen oder beim
Hypersonic XLC zu stark beansprucht werden. Am Wendepunkt wartet eine Batterie
von mechanischen Bremsen, welche die Geschwindigkeit für die
bevorstehende, parabelförmige Überfahrt kontrollieren. Der
180°-Bogen in luftiger Höhe kommt für alle Mitfahrer
überraschend - dem Aufstieg folgt in Sekundenschnelle der Abstieg.
Trotz der wuchtigen Stoßdämpfer zwischen den
Fahrzeugreihen tendieren die Wagen gerade auf dem Hochpunkt des weiten
Parabelbogens zu einem kurzzeitigen Nicken, dennoch weitaus weniger als auf dem
Kurvenzug des früheren Hypersonic XLC. Hier haben die Achterbahnpioniere
von S&S aus den Fehlern gelernt und die Streckenführung verbessert,
auch wenn diese im Vergleich zu den Top Hats von Intamin bei Weitem nicht so
perfektioniert erscheint.
Etwas Ejector-Airtime später fällt der Zug einige
Meter die 90° steile Abfahrt hinab, dann verhindert ein weiterer vertikal
aufgestellter Bogen den Aufprall auf den Boden. Der Wagenverbund wird am
unteren Tiefpunkt in eine weite, durch einen gläsernen Tunnel
geführte Linkskurve geworfen. Wieder unter freiem Himmel reckt sich die
Strecke sehr zügig auf drei, vier Meter Höhe, um einen Fußweg
zu überqueren. Anschließend führt die Abschlussgerade parallel
zur Startstrecke stetig aufwärts direkt hinein in die Schlussbremse.
Dort wird der Zug etwas unsanft durch mechanische Bremsen
verzögert, um mit gemäßigtem Tempo in rund sechs Metern
Höhe eine S-Kurven-Kombination hinein in das Stationsgebäude zu
absolvieren. Die Fahrt dauert gerade einmal 40 Sekunden, trotz 1100 Meter
langer Gravitationsfahrt. Das Geschwindigkeitsabenteuer nebst vorgeschaltetem
Beschleunigungskick macht jede Sekunde hautnah erlebbar, insbesondere durch die
Tatsache, dass die Strecke sehr bodennah geführt ist und der zweite
Höhepunkt der Fahrt, der 52 Meter hohe Vertikalturm, an den Schluss den
Abenteuers gestellt wurde. |
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Impressionen des
Vertikalturms |
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Dem Vertikalturm folgt eine bodennahe
Steilkurve inklusive Tunneldurchfahrt |
Nach Dodonpa wartete der Achterbahnfan erst vergeblich auf
weitere Luftdruckcoaster aus dem Hause S&S. So phänomenal der Antrieb
die Mitfahrer in den Sitz presst, so unausgereift wirkt die Umsetzung von
Schiene und Fahrzeuge. 2005 präsentierte der Hersteller aus Utah Powder
Keg, eine umgebaute Familienachterbahn mit Luftdrucklaunch, die früher
einmal eine Wasserachterbahn war. Diese ist mit standardisierten
Achterbahnrollen ausgerüstet und läuft auf weitaus präziser
gefertigten Rundrohren. An die extreme Faszination von Dodonpa kann das
familienkompatible Gefährt jedoch nicht anknüpfen.
Ein würdiger Nachfolger sollte 2009 am Nürburgring
entstehen. Direkt entlang der Start- und Zielgeraden der Formel-1-Strecke
sollten die Rennzüge innerhalb von 2,5 Sekunden von null auf 217
Stundenkilometer beschleunigt werden, um nach 100 Meter freier Fahrt auf
120km/h heruntergebremst zu werden. Die baulichen Gegebenheiten an der
Rennstrecke lassen keine ausgiebigen Schienenverläufe zu, und so folgt der
35 Meter hohen Steilkurvenschleife eine geradlinige Rückfahrt zur
Station.
Die vornehmlich von einem norditalienischen Produzenten
gefertigte Anlage sollte bereits zum Formel 1 Wochenende am Nürburgring im
Juli 2009 ihre Runden drehen, doch wartete zur besten Sendezeit nur eine
deutlich gebremste, mit etwa 130km/h Spitzengeschwindigkeit laufende Achterbahn
auf die Testfahrer. Eine Woche später wurde die Abschusstechnik bei
Testläufen auf Top-Speed Niveau unter einem ohrenbetäubenden Knall
regelrecht zerlegt. Intensive Untersuchungen und wochenlanges Warten auf
Ersatzteile folgten. Dabei riss die "Pannenserie" nicht ab: Erst wenige Tage
nachdem die Hochgeschwindigkeitstests im September 2009 aufgenommen wurden,
ereignete sich der nächste Crash des Katapultsystems. Die Eröfnung
war in weite Ferne gerückt.
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Links: Pfeilschnell schiesst der Zug in
die ruppige Schlussbremse - Onridefoto inklusive |
Im Sommer 2011 wurde ein weiterer Inbetriebnahmeversuch
gewagt, doch die Behörden erteilten schliesslich nicht die notwendigen
Betriebsgenehmigungen. Ende Oktober 2013, vier Jahre später als geplant,
konnte der ring°racer dann erfolgreich an den Start gehen - wenn auch mit
einer auf 160 Stundenkilometern begrenzten Geschwindigkeit. Skurillerweise
wurde die 12 Millionen Euro teure Achterbahn nur vier Tage für das
Publikum betrieben, gerade einmal zwei bis dreitausend Mitfahrer konnte die
Anlage verzeichnen. Anfang 2014 wurde der Nürburgring verkauft und der
Käufer, ein Automobilzulieferer, wird den Pleite-Vergnügungspark
zugunsten eines Technologieparks zurückbauen. Das Schicksal der
Stahlschere wie bereits beim S&S Air Launch Coaster Prototypen im
amerikanischen Kings Dominion scheint besiegelt, hat sich selbst nach mehreren
Jahren nach der Verkaufsaktion kein Käufer gefunden.
S&S konnte trotz des herben Rückschlags seine
Auftragsbücher mit nur einem Interessenten schlagartig füllen: Die
chinesische OCT Gruppe hatte drei gigantische Katapultachterbahnen für
ihre Happy Valley Parks in Peking und Shenzen nebst einer Kopie des Shenzen
Layouts für Wuhan geordert, welche 2010 eröffnen sollten. Die
Achterbahnen waren eine Neuauflage des Luftdruckkatapults, wobei wie am
Nürburgring eine Schiene mit Rundrohren nebst neuen Zügen mit vier
Sitzen pro Reihe zum Einsatz kommen. Der Euphorie folgte Ernüchterung:
Keine Anlage eröffnete termingerecht. Als erste ging die Achterbahn in
Peking mit rund einem Jahr Verspätung ans Netz, Shenzen folgte kurze Zeit
später, wurde aber kurz nach der Eröffnung für rund ein halbes
Jahr geschlossen, um Nachbesserungen durchzuführen. OCT hatte sehr viel
Vertrauen in S&S gelegt, doch die qualitative Ausführung der Schienen
ist suboptimal. Auf allen Anlagen wurden die gröbsten Schienenfehler
für Hunderttausende von US-Dollar korrigiert, in Peking musste sogar die
Struktur ausgesteift werden, da die lokale Behörde die Anlage ansonsten
nicht abgenommen hätte. Das Ergebnis bleibt ernüchternd: Der Zug in
Shenzen holpert trotz aufwendiger Korrekturmassnahmen über die Schiene, in
Peking ist die Fahrt angenehmer. Die beiden Layouts des bekannten
Achterbahndesigners Alan Schilke können nicht mit dem überaus
druckvollen, famosen Katapultstart auf rund 130km/h mithalten. Dieser ist und
bleibt der Höhepunkt der S&S Luftdruck-Coaster und ein Erlebnis
seinesgleichen.
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Von Null auf 135
Stundenkilometer in zwei Sekunden auf dem Extreme Rusher im Happy Valley
Peking |
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Text und Bilder: Coastersandmore - jp |
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