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Eejanaika im Fujikyu Highland |
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Six Flags Magic Mountain bei Valencia, rund 50 Kilometer
nördlich der Millionenmetropole Los Angeles, war 2002 der erste
Freizeitpark, der eine völlig neue Art des Achterbahn-Erlebens
präsentierte. Statt nur in statischer Position über, neben oder unter
der Schiene zu sitzen, nimmt der Fahrgast auf einem voluminösen Sitz ohne
Boden Platz, der gleichzeitig zum Schienenfahrerlebnis kontrolliert in Rotation
versetzt wird.
Während der Wagen bis zu 65 Meter in die Tiefe
beschleunigt oder eine Steilkurve absolviert, rotiert der Fahrgastträger
einem festen Ablauf folgend um 360° vor- und rückwärts um eine
Drehachse quer zur Fahrrichtung.
Fuhr man gerade noch rückwärts, wirbelt der Sitz
in einem Sekundenbruchteil um die eigene Achse und der Fahrgast stürzt das
Gesicht nach vorn gerichtet gen Boden, fliegt wie Superman im Bügel
hängend haarscharf an Stahlträgern vorbei oder rotiert wild umher,
während der Zug im gleichen Moment vertikal aufgestellte Kehrtwenden
absolviert. |
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Links: Der sechs Meter breite Zug von
Eejanaika in seiner vollen Spannweite |
Fakten zur Eejanaika |
4D-Coaster der zweiten Generation
mit kontrolliert rotierenden Sitzen links und rechts der Schiene |
Gesamthöhe |
76
Meter |
Schienenlänge |
1153 Meter |
Max. Geschwindigkeit |
126 km/h |
Max. Gefälle |
89° |
Max. Vertikalbeschleunigung |
4.5g |
Zeit Gravitationsfahrt |
56 Sekunden |
Fahrzeuge |
2 Züge mit 5 Wagen; 4 Plätze pro Wagen |
Hersteller |
S&S Power Inc., Logan, USA |
Gesamtkosten |
25 Millionen Euro |
Betreiber |
Fuji-Q Highland, Fujiyoshida, Japan |
Eröffnung |
19. Juli 2006 |
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Link zur Webseite von
Fujikyu Highland |
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So innovativ das Fahrerlebnis auch anmutet, ausgereift war
die Technik bei ihrer Premiere in Six Flags Magic Mountain nicht. Das
Stahlungetüm mit seinen fast sieben Meter breiten, wie ein Koloss
anmutenden tonnenschweren Fahrzeugen gestaltete sich zum Albtraum für
Betreiber und Hersteller.
Die Betreibergesellschaft Six Flags pumpte in den ersten
beiden Betriebsjahren über zehn Millionen US-Dollar in den innovativen
Loopingcoaster, fast das Doppelte des Initialinvestment. Trotzdem jagte ein
Ausfall den nächsten. Schon die Eröffnung wurde um ein halbes Jahr
verschoben, und selbst danach waren Stillstände von Wochen oder selbst
Monaten an der Tagesordnung. Eine Fahrt auf X wurde für den Besucher des
kalifornischen Thrillparks zum Lotteriespiel.
Schlimmer erging es nur noch dem Hersteller Arrow Dynamics.
Six Flags verklagte das Unternehmen um eben jene Millionen, die man in die
Maschinerie steckte, um sie irgendwie zum Laufen zu bekommen. Schließlich
hatte man alleine in das Marketing Unsummen investiert und wollte seine
Vorherschafft als "Xtreme" Park nicht verlieren. Arrow Dynamics trudelte, durch
den erbitterten Rechtsstreit folgten die Insolvenz und der Ausverkauf des
Traditionsunternehmens.
Die amerikanische S&S Power aus Utah sicherte sich 2003
mit dem Aufkauf von Arrow Dynamics die Patentrechte und
Konstruktionszeichnungen, doch für Brancheninsider war das Kapitel X
eigentlich beendet. Die von Marketing und den Medien zur "ultimativen"
Achterbahn proklamierte Anlage erschien als einmalige Totgeburt zu enden.
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Panorama von
Eejanaika |
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Ende 2004 drangen Meldungen durch, dass die
Luftdruckexperten von S&S Power einen Abverkauf des Konzepts nach Asien
verbuchen konnten. Das Ziel der zweiten Installation des Fourth Dimension
Coasters sollte Fujikyu Highland unweit der japanischen Hauptstadt Tokio
werden. Es gehört schon viel unternehmerischer Mut zum Risiko dazu, eine
Technik mit dieser Vorgeschichte nochmals umzusetzen, doch die Japaner wollten
im lokalen Wettbewerb mit der übermächtigen Konkurrenz von Tokio
Disney, welches 30 Millionen Besucher pro Jahr für sich verbucht, etwas
ganz Besonderes präsentieren.
Seit Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrtausends wurde das
Angebot im Vergnügungspark Fujikyu Highland am Fuße des bekannten
Vulkans Fuji grundlegend überarbeitet und sukzessive modernisiert. Dabei
setzt vor allem das Achterbahnsortiment auf Rekorde: Die Grossachterbahn
Fujiyama hielt 1996 mit ihren knapp 80 Metern Höhe für ein Jahr den
Titel der weltweit höchsten Achterbahn, 2001 wurde mit 172
Stundenkilometer auf Dodonpa dank Luftdruckaggregat von S&S ein neuer
Geschwindigkeitsrekord aufgestellt und seit dem Sommer 2006 werden auf
Eejanaika, eben jener zweiten Auslieferung des Fourth Dimension Coasters,
gemäß Betreiber ganze 14 Kopfsteher dargeboten.
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Links: Eejanaika überragt mit ihren
76 Metern (fast) alle Anlagen im Fujikyu Highland - im Vordergrund ist die
172km/h schnelle Dondonpa zu sehen |
Die japanische Ausgabe ist mit 76 Metern etwas höher
als der Prototyp X, bietet einige Überkopfdrehungen mehr und zeigt vor
allem, dass die Erkenntnisse aus dem Desaster der amerikanischen
Erstinstallation erfolgreich in einem Re-Design umgesetzt werden konnten. Die
Fahrgastträger wurden von S&S Power einer ausgiebigen
Überarbeitung unterworfen, das Gewicht drastisch reduziert und die
mechanische Ausführung verbessert. Haarrisse in der Chassisstruktur oder
der extreme Verschleiß der mechanischen Komponenten wie in Six Flags
Magic Mountain konnten vermieden werden. Im Ergebnis steht Eejanaika dem
Besucher vom Fujikyu Highland ohne lästige Kinderkrankheiten oder
monatelange Totalausfälle zur Verfügung.
Das 25 Millionen Euro Investment wurde binnen zwölf
Monaten Bauzeit auf der Fläche der in die Jahre gekommenen Loopingbahn
Double Loop des japanischen Herstellers Meisho errichtet. Neben der 76 Meter
hohen Liftstruktur bieten die 1153 Schienenmeter fünf
Schieneninversionsfiguren und in Kombination mit der kontrollierten
Rotationsmechanik der Sitze schier unglaublich dynamische Kopfsteher in
pulsierender Abfolge. Zeit zum Durchatmen bleibt auf der knapp
50-sekündigen Gravitationsfahrt nur einmal auf einem weiten 180°
Kurvenbogen.
Den Höhepunkt der Fahrt bildet der 89° steile First
Drop in Kombination mit einem fast 60 Meter hohen Loopingrund. Beim Passieren
mit bis zu 126 Stundenkilometern werden die Sitzreihen des fünfgliedrigen
Zuges gleich dreimal um 360° gedreht werden: Zweimal durch die Sitzrotation
und einmal durch Absolvieren des vertikalen Schienenbogens, der durch eine
voluminöse, gigantische Stützstruktur in Form gehalten wird. Der
fünfgliedrige Zug für 20 Mitfahrer hat trotz drastischer
Gewichtsreduktionen ein doppelt so hohes Fahrzeuggewicht wie auf Achterbahnen
üblich. Seine 20 Tonnen ziehen und zerren bei hohen g-Kräften an der
Schiene. In der Folge musste die gesamte Stahlstruktur im Vergleich zu anderen
Achterbahnen dichter ausgestaltet und die Profile weitaus steifer gewählt
werden. Das Ergebnis ist ein Stahlwald, durch den sich der Zug seinen Weg
bahnt.
Im Gegensatz zum Standort im Six Flags Magic Mountain kam
der Besucher der Strecke in Japan bis zum Jahre 2014 sehr nahe, vom
Eingangsportal führte sogar ein breiter Hauptweg mitten durch die Anlage
bis zum Stationsgebäude. Nach einem Vorfall, bei dem Gegenstände auf
den Hauptweg fielen, wurde dieser samt Vorplatz komplett für den Besucher
abgesperrt. Eine Trennwand verhindert heute den Zugang.
In direkter Nachbarschaft zur Hauptachse des Parks befindet
sich der First Drop nebst den beiden Raven Turn Inversionen - vertikal
aufgestellten Inversionsfiguren, welche den Zug seine Richtung umkehren lassen.
Beide Fahrfiguren wie auch die erste Abfahrt werben förmlich um neue
Mitfahrer. In Freizeitparks rund um Tokio ist es üblich, entweder eine
teure Tageskarte oder Einzeltickets zu kaufen. Letztere werden von den Japanern
favorisiert und daher ist das Werben um den Gast ein entscheidendes Mittel zum
Zweck. Zudem sieht der eher von Haus aus ängstliche Japaner, was ihn
erwartet und fällt eher eine Entscheidung, die Bahn zu benutzen.
Die Thematisierung der weit über 1500 Tonnen schweren
Stahlanlage, welche in blau - roter Farbgebung dem meist trüben Wetter
trotzt, ist minimal ausgeführt. Erstmals wurde seitens Fujikyu Highland
der Versuch unternommen, eine Achterbahn mittels Anleihen aus der japanischen
Kultur zu gestalten. So betritt der Parkbesucher das rund zwei
Fußballplätze große Areal von Eejanaika durch ein Tor, welches
bei Shinto Schreinen den Eingang des religiösen Bereich markiert. Im
Innern des nüchtern modern gestalteten, riesigen Bahnhofsgebäudes am
anderen Ende des länglichen Areals befindet sich ein farbenfrohes
Deckengemälde und der Ausgangsbereich unterhalb des Fußes vom
Lifthügel wurde als fernöstlich historisch anmutende
Ladenstraße thematisiert. |
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Laufrohre und Sitzrotationsschiene
interagieren mit dem Fahrwerk der fast sieben Meter breiten Fahrzeuge |
Um den Reiz der vierten Dimension auf Eejanaika
nachvollziehen zu können, ist ein Blick auf die Technik dieses
Schienenmonsters unumgänglich. Die wilden, halsbrecherischen Fahrfiguren
mit ihrem unausweichlichen "Außer Kontrolle" Gefühl werden erst
durch das Zusammenwirken der Streckenführung und der gleichzeitigen
Rotation der Sitze realisiert.
Das eigentliche Layout von Eejanaika ist simpel gestaltet:
Neben dem mittig in der Anlage platzierten 76 Meter hohen Kettenlift und der
direkt darauf folgenden Vertikalabfahrt nebst erster Kehrtwende im 60 Meter
hohen Raven Turn verläuft die Strecke parallel zum Lifthügel
zurück in Richtung Stationsbereich. Eine weitere Schieneninversion
später wird das massige Stationsgebäude mittels einer weiten 180°
Steilkurve umrundet. Die dritte Inversion folgt in direktem Anschluss und
führt in den zweiten Raven Turn. Dieser ist auf gleicher Höhe wie der
erste platziert und entlässt den Zug nach seinem Richtungswechsel direkt
in die Stationsbremse und Station, welche ebenfalls parallel zum Lifthügel
platziert wurden.
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Der Rotationsmechanismus im Bild: Ein
separates Bogie läuft entlang der Rotationsschiene, wobei eine Zahnstange
mit dem Ritzel der drehbar gelagerten Gondel im Eingriff steht |
Die Absolvierung dieses eher einfältigen Layouts in
einer sonst bei Achterbahnen üblichen statischen Sitzposition würde
keine Lorbeeren ernten. Doch Eejanaika bietet die vom Designer vorgegebene
Rotation der links und rechts der Schiene platzierten, offen gestalteten
Fahrgastträger.
Die Winkellage der Sitze auf jedem Schienenpunkt und somit
die Rotationsbewegung bei Bewegung des Zuges ist durch den Abstand eines
zusätzlichen Rohres - dem Sitzrotationsrohr - zum üblichen
Schienenrohr festgelegt. Die Abstandsänderung beider Rohre über einen
kurzen Schienenabschnitt wird von einem am Wagen angebrachten
Getriebemechanismus erfasst. Eine 1,3 Meter lange Zahnstange ist über ein
eigenes kleines Fahrwerk mit konkav ausgeformten Lauf- und Gegenrollen mit dem
Sitzrotationsrohr verbunden. Verringert oder vergrößert sich der
Abstand zwischen Schienenrohr und Sitzrotationsrohr, bewegt sich die Zahnstange
relativ zum Wagen auf und ab. Ein mit der Zahnstange im Eingriff stehendes
Zahnrad auf der Rotationsachse setzt die lineare Bewegung in eine vor- oder
rückwärts gerichtete Rotation des Fahrgastträgers um. Die
Mechanik garantiert, dass jede Gondel an jeder Fahrposition innerhalb des
Layouts eine vorher definierte Winkellage einnimmt. Somit wird ausgeschlossen,
dass die Passagiere Fahrfiguren mit hohen g-Kräften in einer Position
absolvieren, die zu gesundheitlichen Schäden führen könnte. So
wäre es zum Beispiel fatal, wenn der Zug durch das Tal des ersten
Loopingrundes mit über 4,5g rauscht und die Köpfe der Mitfahrer dabei
gen Boden zeigten.
Gleichzeitig erlaubt die gesteuerte Rotation eine
kontinuierliche Einnahme verschiedener Fahrpositionen: Mal fährt man
vorwärts, dann rückwärts oder gleitet liegend auf dem
Rücken, die Füße voran. Zusätzlich wird die dynamische
Rotationsmöglichkeit genutzt, um die Sitze urplötzlich in eine neue
Lage zu drehen und das Adrenalinerlebnis der Achterbahn zu verstärken. So
nähern sich die Fahrgäste rückwärts dem First Drop, werden
dann beim Einfahren in die senkrechte Abfahrt erst auf den Kopf gestellt und
dann frontal zum Boden wie ein Fallschirmspringer ausgerichtet. |
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Der tonnenschwere Zug fährt aus der
Station |
Bevor der Adrenalinkick absolviert werden kann, steht die
obligatorische Warteschlange an. Japaner sind geduldige Menschen und ertragen
eine durchschnittliche Wartezeit von zwei bis drei Stunden selbst unter der
Woche ohne Murren. Der Flaschenhals von Eejanaika ist die Kapazität:
Selbst wenn die beiden 20 Personen fassenden Züge voll ausgelastet sind,
erreicht die Anlage gerade einmal eine praktische Kapazität von 500
Personen pro Stunde. Die Stationscrew mit ihren zehn Mitarbeitern leistet
engagiert Schwerstarbeit, um stets Herr der Lage im riesigen, offen gestalteten
Bahnhofsgebäude zu bleiben, welches von seinen zwei Stationsplattformen
links und rechts der Schiene geprägt ist.
Für die Fahrt gibt es eine strikte Regelung für
lose Gegenstände: Taschen sind zu leeren und der Inhalt in separate
Schließfächer im Bahnhof zu verstauen. Dabei hat jeder Sitzplatz ein
eigenes Fach, und dies gleich in dreifacher Ausführung. Dazu stehen auf
jeder Seite der Schiene drei eigene Staubereiche zur Verfügung, in denen
den zehn Mitfahrer weit vor Einnahme des Platzes Einlass gewährt wird. Das
Personal instruiert die potentiellen Fahrgäste nochmals mit der strikten
Regelung, welche sobald penibel von den Besuchern befolgt wird. Die
überdimensionalen Schließfächer sind nur eine Schrittweite
entfernt und schlucken selbst größte Taschen. Der japanische Gast
lässt meist sogar sein Schuhwerk am vorgegebenen Ort stehen, seit 2014 ist
der Betreiber noch vorsichtiger geworden und verbietet jegliches Tragen von
Schuhen. Dann fährt der Zug ein, die Laderampe unter den Sitzen wird
hochgefahren und das kontrollierte Umherwuseln des Personals beginnt. Nachdem
die Fahrgäste den Zug verlassen haben, werden die Wartenden
persönlich zur korrekten Sitzreihe geführt und dürfen entweder
innen oder aussen auf dem Fahrgastträger Platz nehmen. Der Innenplatz ist
dabei durch ein GFK-Schild vom gerade einmal einen halben Meter entfernten
Fahrwerk nebst Rotationsmechanik getrennt.
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Links: Das gigantische
Stationsgebäude im Überblick |
Im Vergleich zu anderen Achterbahnen wirkt alles kolossal um
eine Nummer grösser aufgeblasen: Die mechanische Rotationstechnik verlangt
nach einem gut ausgesteiften Wagenaufbau, der neben einem Backbonekasten
mittels diagonaler Verbindungssteifen zum Kupplungspunkt hin stabilisiert wird.
Die Räder haben einen Durchmesser von einem halben Meter, sonst sind
Durchmesser von 30 Zentimetern an der Tagesordnung. Alles wirkt
überdimensioniert, auch die Sitze, welche beim Ein- und Ausstieg stets mit
dem Rücken in Fahrtrichtung zeigen.
Richtig klein kommt man sich vor, wenn man in die bequeme,
nach hinten geneigte Sitzschale schlüpft, die Oberschenkel links und
rechts an einem voluminösen Sitzhorn vorbeiführt. Die seitlichen
Schulterbügel werden dann vom Personal individuell wie die Träger
eines Rucksacks an die Körpergröße angepasst und umschlingen
den gesamten Oberkörper. Zum einen werden sie seitlich zum Körper
geschwenkt, zum anderen ist die gesamte Einheit in der Höhe verstellbar,
so dass die Unterseite der Bügel locker auf den Oberschenkeln aufliegt. Im
nächsten Schritt werden noch drei Sicherheitsgurte geschlossen und
abschließend der stramme Sitz der gesamten Rückhalteeinheit
geprüft. Schließlich sichert nur diese Bügeleinheit den
Fahrgast bei wilden Rotationen vor dem wahren "Freien Fall".
Die Sekunden vergehen, doch die Abwicklung wird so schnell
wie möglich vollzogen und der vorausgefahrene Zug kommt gerade im
Wartungsgebäude kurz vor der Station zum Stehen, wenn das Abfahrtsritual
vollzogen wird: Vor der Fahrt und selbst beim Einstieg werden die potentiellen
Fahrgäste vor den zahlreichen Kopfstehern gewarnt, und erst wenn sie durch
ein lautstarkes Ausrufen "Eejanaika" klarmachen, dass Sie es ernst meinen und
gerade nur deshalb eingestiegen sind, um von der Riesenmaschinerie in die
Mangel genommen zu werden, verlässt der Zug den Stationsbereich. Eejanaika
heißt schließlich so viel wie "Ist das nicht
großartig!" |
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Links: Der Raven Turn in seiner vollen
Breite - rechts: Beim Passieren des Hochpunktes werden die Passagiere auf den
Kopf gedreht |
Der Zug absolviert in langsamer Geschwindigkeit eine
180° Rechtskurve, welche direkt zum Fusspunkt des flachen Kettenliftes
führt. Die Fahrgäste werden dabei erstmals mit der Rotationstechnik
vertraut. Fuhren sie anfangs noch in leicht nach hinten geneigter Sitzposition
rückwärts aus dem Gebäude, werden die Fahrgastträger durch
das Zusammenwirken der Zusatzschienen und der Mechanik überraschend nach
hinten gekippt, so dass die Mitfahrer förmlich rückwärts liegend
den Lift erklimmen. Dieser bietet im Vergleich zum amerikanischen Pendant
leider keinen Blick auf das Parkgeschehen, doch die Anspannung unter den
Mitfahrern würde sowieso keine Zeit gewähren, die Parklandschaft zu
betrachten. Das Gefühl ist beklemmend, gleichzeitig die Erwartungshaltung
groß.
Am Hochpunkt in 76 Metern Höhe verschwindet
urplötzlich die Treppe, der einzige nahe Fixpunkt, der Sicherheit gab. Der
Zug löst sich über einen kleinen Pre-Drop von der Kette und
beschleunigt. Die Sitzbänke werden wie von Geisterhand aus ihrer liegenden
Position aufgerichtet und man sieht die gerade absolvierte kleine Abfahrt
vorbeihuschen. Die herannahende "Gefahr" der vertikal abfallenden ersten
Abfahrt wird einem weiterhin vorenthalten, der Sitz fährt immer noch
rückwärts. Der Zug absolviert nun ein kleines Tal in gut 70 Metern
Höhe und erklimmt einen leichten Anstieg. Die Mitfahrer können
erstmals so richtig gen Boden blicken, dann geht alles sehr schnell.
Während der Zug über den Totpunkt rollt, befinden
sich die ersten beiden Wagen urplötzlich im Gefälle und reißen
den Wagenverbund über die Kuppe in die senkrecht abwärts
führende Abfahrt. Über 70 Meter geht es in die Tiefe, davon 30 Meter
in senkrechtem Fall, fast 90 Grad Gefälle. Durch die plötzlich
einsetzende Sitzrotation wirkt der Spannungsbogen noch dramatischer: Bei
Passieren der Kuppe direkt vor dem Sturz werden die Gondeln gegen dem
Uhrzeigersinn derart ausgerichtet, dass die Fahrgäste einen kurzen
Augenblick von zwei bis drei Sekunden wie ein Fallschirmspringer im freien Fall
in liegender Position mit Blick gen Boden nach unten beschleunigt werden. Wenn
dann noch Arme und Beine ausgestreckt werden, bekommt der Name des Prototyps
"X" seine ganz eigene Bedeutung. Das Gefühl ist atemberaubend, die
Schwerelosigkeit im freien Fall überwältigend, und doch hat alles
schnell ein Ende. Die erste Taldurchfahrt mit Vertikalbeschleunigungen von bis
zu viereinhalb g nähert sich, und darauf wollen die Mitfahrer vorbereitet
werden.
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Zwei Extreme im Raven Turn:
Wannendurchfahrt und Hochpunkt in knapp 60 Metern Höhe |
Noch auf der vertikalen Abfahrt drehen die Sitze um 90°
im Gegenuhrzeigersinn und plötzlich fallen die Mitfahrer Kopf voran in die
Tiefe. Ihr Körper ist dabei parallel zur senkrecht verlaufenden Schiene
ausgerichtet. Die Taldurchfahrt beginnt, die Sitze werden leicht um etwa
45° rotiert, so dass eine sitzende Position mit Schräglage gegen die
Fahrtrichtung wie im Stationsbereich eingenommen wird. Der weite Schienenbogen
bringt die Wagen durch das Tal, welches sie in der Spitze mit 126,5
Stundenkilometern passieren. Immer noch in leicht schräg sitzender
Position ausgerichtet wird der Raven Turn erklommen, eine 60 Meter hohe
Fahrfigur, welche die Schiene vom First Drop kommend einen 300°
Vertikalbogen gegen den Uhrzeigersinn vollziehen lässt. Zug und Mitfahrer
fahren nach innen gerichtet. Das Tal auf sechs Uhr ist schnell passiert, dann
beginnt der Aufstieg. Die Fahrgäste werden durch die hohe
Zentrifugalbeschleunigung mit dem viereinhalbfachen ihres Körpergewichtes
in den Sitz gedrückt, der immer noch regelrecht statisch in seiner
schrägen Position zur Schiene ausgerichtet bleibt.
Erst auf drei Uhr, wenn der Zug schon wieder deutlich an
Geschwindigkeit verloren und etwa 30 Höhenmeter erklommen hat, beginnen
die Sitze ihr Rotationsspektakel wieder aufzunehmen. Zügig rotieren die
Gondeln kontinuierlich um 400° im Uhrzeigersinn. Am Hochpunkt des Raven
Turn auf zwölf Uhr weist die Blickrichtung kurz in den Himmel, liegend mit
den Beinen voran. Dann werden die Mitfahrer auf den Kopf mit Blick
rückwärtig auf den Rund des Raven Turn gestellt, der Zug passiert
derweil die Ausfahrt der vertikalen Inversionsfigur. Einen Augenblick
später hängen die Gäste wie Superman im Bügel, und
schließlich findet die kontinuierliche Drehung ihr Ende. Die
Fahrgäste fahren erstmals in sitzender Position vorwärts durch einen
Stützenwald, der Zug hat den Raven Turn über eine geschwungene
Abfahrt verlassen und befindet sich kurz oberhalb des Bodenniveaus auf einer
Taldurchfahrt.
Die Fotoanlage schießt ihre Blitze auf die Insassen
ab, welche nach gut zwölfsekündiger Gravitationsfahrt schon
völlig desorientiert sind. Dabei ist es erstaunlich, dass der
fünfgliedrige Zug seine Fahrfiguren bislang nur in der vertikalen Ebene
absolviert hat. Selbst wer jetzt noch weiß, wo oben und wo unten ist,
wird im zweiten Drittel der Anlage ebenfalls die Orientierung verloren haben,
nämlich dann, wenn die Strecke beginnt, um sich selbst zu rotieren, oder
der Schienenverlauf eine 180° Steilkurve annimmt. |
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Von oben nach unten:
Full Full, 180° Kehrtwende und Back Flip |
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Der Wagenverbund mit seiner gigantischen Spannweite von
über sechs Metern nähert sich in extremem Tempo dem Full Full, einer
extra für Eejanaika entwickelten Fahrfigur: Während der Zug eine
Zero-G-Roll ähnliche Fahrfigur bezwingt und dabei beim Passieren der
Hügelkuppe eine 360° Drehung der Schiene um ihre Längsachse
folgt, vollziehen die Sitze eine volle 360° Rückwärtsdrehung -
"Full full", um das Wortspiel zu vollenden. Das Manöver bietet erstmals
unterschiedliche Fahrerfahrungen je nach Seite und Sitzplatz: Während die
Außensitze stärker umhergewirbelt werden, da sie in gleicher Zeit
eine längere Flugbahn zu absolvieren haben, bietet das Flugmanöver
zudem andere Beschleunigungserfahrungen, je nach dem, ob man links oder rechts
der Schiene sitzt. Der Full Full ist neben dem First Drop und danach dem
gigantischen Raven Turn das Highlight des Achterbahntrips auf Eejanaika und
stellt durch seine räumliche Flugbahn bei gleichzeitiger Drehung von Wagen
und Sitz alle weltweiten Inversionsfiguren in den Schatten. Spätestens
nach diesem Manöver hat jeder Fahrgast seine Orientierung verloren.
Die danach folgende, übergeneigte weite Steilkurve
bietet für ein paar Sekunden Zeit der Erholung und Wiederfindung seiner
Sinne. Vor allem vom Außensitz der rechten Sitzreihe, wenn der Sitz
über 90° quergeneigt wird, bietet sich ein beeindruckendes Panorama
auf die Anlage.
Die Strecke tangiert hinter dem Stationsgebäude wieder
kurz den Boden, die Sitze wurden bislang nicht wieder rotiert. Inversionsfigur
Nummer drei, der Back Flip, steht kurz bevor. Der komplette Schienenstrang ist
wie beim Full Full über einen Hügel mit rund 20 Meter Höhe
gelegt, dreht jedoch nur um 180° um die Längsachse. Gleichzeitig
rotieren auch die Sitze um eine halbe Drehung. Saßen die Mitfahrer nach
Ausfahrt der Steilkurve mit Blick nach vorne, fahren sie nach dem Back Flip in
aufrecht sitzender Position mit dem Rücken in Fahrtrichtung.
Der zweite, diesmal außen befahrene Raven Turn wird
anvisiert, doch wieder sind die Fahrgäste nicht direkt mit der Inversion
konfrontiert worden. Die Auffahrt in den 400° Loopingrund wird noch in
sitzender Position absolviert. Am Hochpunkt, in knapp 20 Metern Höhe,
werden die Sitze mitsamt Fahrgästen blitzartig eine viertel Drehung gegen
den Uhrzeigersinn rotiert. Die Augen blicken also auf 12 Uhr komplett gen
Boden. Dann folgt die Ausfahrt über dem sich anschließenden 180°
Vertikalbogen. Bis auf drei Uhr ändert sich nichts an der Sitzstellung,
der Fahrgast liegt immer noch parallel zur Schienenführung, sitzt also auf
drei Uhr quasi senkrecht. An dieser relativen Position zum Erdboden soll sich
nun nichts mehr ändern, auch wenn der Wagen durch das Tal donnert. Der
Sitz verbleibt in seiner relativen Stellung zum Boden, während der Zug
durch die Schienenwanne fährt.
Das letzte Inversionsmanöver schließt sich dem
Raven Turn unmittelbar an. Die Strecke führt auf zehn Meter Höhe auf
das Niveau der Stationsbremse, während sich die Schiene gleichzeitig um
180° um ihre Längsachse dreht. Dabei drehen die Gondeln wieder in
rückwärts gerichteter Sitzposition, um für die Station korrekt
ausgerichtet zu sein. Die mechanischen Bremsen verzögern den Zug
ruckartig, die Oberkörper fallen in den Bügel, ein letztes Mal legt
sich die Gondel mitsamt ihrer Insassen nach vorne, so dass der Körper
parallel zur Schiene liegt, Kopf gen Boden blicken, dann fährt die Gondel
auf Ausgangsposition, Rücken voran, in die Station. |
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Wirbelnde Einfahrt in die
Stationsbremse |
Eejanaika kann wie schon der Prototyp X als eines der
absolut wildesten Achterbahnerlebnisse eingestuft werden. Extrem schnell,
waghalsige Fahrfiguren, desorientierend und leider auch etwas ruckhaft. Die
Mechanik zollt vor allem in schnellen Streckenpassagen und solchen mit hohen
vertikalen Beschleunigungen ihren Tribut. Durch das kleine
Übersetzungsverhältnis zwischen Zahnstange und Ritzel werden selbst
geringe Abweichungen vom Soll zwischen Fahr- und Rotationsrohr spürbar in
eine kleine Bewegung des Sitzes umgesetzt. Diese entstanden bei der Fertigung
der Schiene. Zusätzlich schlägt sich die Mechanik mit der Zeit aus.
In der Folge schaukelt der Sitz beständig etwas ruckhaft hin und her,
besonders in den Bereichen, in denen der Zug mit hohen Beschleunigungen durch
das Tal donnert. Dieses Schaukeln stört die elegante Bewegung des Sitzes
im Raum, ist aber durch die Wahl der mechanischen Umsetzung der Längs- in
eine Rotationsbewegung nicht vermeidbar. Zeitweilig kann das hochfrequente
Ruckeln bei dem einen oder anderen Fahrgast auch Kopfschmerzen
auslösen.
Trotz dieser negativen Trübung der Fahreigenschaften
überwiegt das Erstaunen über die einmalige Kombination der
unterschiedlichsten Fahrpositionen und Elemente. Da sich zur
Schienenführung noch die Sitzrotation gesellt, kann man den Fahrablauf
selbst bei einigen Wiederholungsfahrten nicht vollständig erfassen. Der
freie Fall, Salti im Loopingrund, Flugabschnitte wie Superman oder die extremen
Beschleunigungswechsel überraschen innerhalb der 50-sekündigen
Gravitationsfahrt immer wieder aufs Neue. Vor allem die Fallschirmsprunghaltung
im First Drop ist einmalig und verweist eine Vielzahl der Achterbahnkreationen
auf der japanischen Hauptinsel in Sachen ungewöhnliches und intensives
Fahrerlebnis auf die weiteren Plätze.
Seit 2015 werden auf Eejanaika komplett neu konstruierte
Züge eingesetzt. Gerade einmal neun Jahre hatte das ursprünglich
gelieferte Rollmaterial den extremen Belastungen Stand gehalten. Das
Fahrprinzip ist mit den neuen Zügen gleich geblieben, deutliche
Veränderungen finden sich in der technischen Ausführung des
Fahrwerks, des Sitzträger und des Chassis. Das Fahrelebnis ist auf
identischen Niveau geblieben - die neue Technik hat es weder positiv noch
negativ beeinflusst.
Für S&S haben sich die Bemühungen, den 4D
Coaster neu zu definieren bis heute nicht wirklich ausgezahlt. Nach X und
Eejanaika konnte in China im Jahre 2012 mit Dinoconda eine quasi baugleiche
Anlage zum japanischen Pendant im Dinosaur Park bei Shanghai eröffnet
werden. Weitere Abverkäufe des gigantischen Stahlmonsters sind nicht in
Sicht.
Text und Bilder: Coastersandmore - jp |
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