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Site-Info: Editorial > Rides > Skyrush -
Intamin Wing Coaster im Hershey Park |
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In 62,5 Metern Höhe startet auf
Intamins Skyrush die Airtimeorgie |
Der Hershey Park im amerikanischen Bundesstaat
Pennsylvania ist einer der letzten unabhängigen Freizeitparks in den USA.
Das 45 Hektar große Anwesen gehört einer Stiftung des
Schokoladenherstellers Hershey und bietet neben einem Wasserpark, einem Zoo und
einer Schokoladentour ganze 13 Achterbahnen, welche sich durchaus dicht an oder
untereinander drängen. Skyrush, ein Wing Coaster von Intamin, ist die
neueste Schienenattraktion. Die 62 Meter hohe Anlage wurde 2012 eröffnet
und bietet als erste Achterbahn des Liechtensteiner Herstellers Züge, in
denen die Fahrgäste wie in einem normalen Achterbahnzug auf etwas
erhöhten Sitzen mit Boden unter den Füßen Platz nehmen
können oder links und rechts der normalen Sitzreihen und Schiene
völlig bodenlos "mitfliegen" - Hershey Park nennt diese einmalige
Besonderheit "Ride the Edge".
Skyrush wurde im ältesten Themenbereich The Hollow
errichtet, wo schon seit knapp 100 Jahren Vergnügungsanlagen kommen und
gehen. Die älteste Achterbahn des Parks, die Holzachterbahn Comet, findet
sich ebenfalls in diesem Parkareal. Daneben sind eine Sesselbahn, der
Schwarzkopf Loopingcoaster Superdooperlooper und auch die massive
Schienenführung des Inverted Coasters Great Bear beheimatet. The Hollow
ist gegenüber dem angrenzenden Parkniveau etwa zehn Meter tiefer gelegen,
wobei der durchlaufende Fluss namens Spring Creek bei starken Regenfällen
schnell über sein enges Flussbett tritt und bis zu zwei, drei Meter
Höhe gewinnen kann. |
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Die Skyrush
Gravitationsfahrt aus der Vogelperspektive |
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Das schnelle Kurvenlayout wurde auf vier
Meter hohen Betonpfeilern vor den möglichen Fluten des Spring Creeks in
Sicherheit gebracht |
Die Planer des Hershey Parks haben sich für ihre
neueste Achterbahn Skyrush die letzte Freifläche im dicht gedrängten
Areal ausgesucht, wobei diese zu rund 75 Prozent vom Spring Creek Becken
vereinnahmt wird. Auch sonst ist das Gelände nicht für jedes
Achterbahnlayout geschaffen: Links und rechts des Flussbettes weist die
Böschung bis zu zehn Meter Höhenunterschied auf und das Areal ist
parkseitig komplett durch die Achterbahn Comet aus dem Jahre 1946 umbaut. Die
etwa 40 mal 100 Meter große Fläche bietet zudem keinen Platz
für ein Stations- und Wartungsgebäude, welche letztendlich am
belebten Hauptweg von The Hollow in direkter Nähe zur Holzstruktur des
Cometen errichtet wurden. Zu- und Abgang der Achterbahnstrecke wie auch der
gesamte Stationsbereich nebst Bremse konnten nicht nach Schema F gelöst
werden. Derartige Restriktionen stellten an die Planer der Achterbahn eine
Herausforderung, wobei das Fahrvergnügen nicht offensichtlich durch die
örtlichen Gegebenheiten limitiert werden sollte.
Als Lösung für die Schienenquerung des Cometen sah
Intamin für den 62 Meter hohen Lifthügel eine leicht diagonale
Platzierung über die Holzachterbahn wie auch die Schlussbremse des
Superdooperlooper hinweg vor. Gerade einmal zwei Stützen erlauben dem 225
Tonnen schweren Stahlkonstrukt seinen Standort. Die 85 Grad steile Abfahrt ist
zudem eine weitere logische Konsequenz, da zwischen Liftausgang und Parkgrenze
gerade einmal 20 Meter Freiraum liegen. Eine bodennahe Steilkurve führt
den Flügelzug in Richtung Creek Mittelraum, wo ein Figur-8 Layout den
ersten Abschnitt der 1150 Meter langen Streckenführung bestimmt. Wieder am
Liftausgang angekommen schließt sich ein offenes Oval an, wobei die
knallgelbe Schiene extrem dynamischen Richtungsänderungen ausgesetzt ist,
bis sie über eine Steilkurve über die Holzachterbahn Comet ihren
einzigen Fluchtweg Richtung Station findet.
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Links: Hershey Park zu Füssen des
50° steilen Liftes - Rechts: Skyrush wurde in engen Korridoren in
bestehenden Parkbereiche integriert |
Der letzte Hügel, die Schlussbremse und der
Wartungsbereich werden durch einen engen 180° Kurvenbogen über die
Comet Station ergänzt, wobei die Streckenführung zudem durch die
Holzachterbahn nebst alten Rundfahrgeschäften limitiert wurde. Keines
sollte angetastet oder verschoben werden, wodurch die Achterbahn auf ihren
letzten 100 Metern mindestens sechs Meter hoch aufgebockt über den Park
fliegt, bis sie schließlich auf die Stationsebene abfällt. Die Idee,
die Stahlachterbahn zum Höhepunkt durch die Fachwerkstruktur des 65 Jahre
alten Woodies zu führen, wurde leider schnell verworfen.
Im Vergleich zu den meisten anderen stählernen
Achterbahnen im Hershey Park bietet Skyrush keine Inversionen, dafür aber
eine beeindruckende Ausgangshöhe. Von hier beschleunigt der 32-sitzige Zug
auf 125 Stundenkilometer und scheint dieses Geschwindigkeitslevel nicht mehr
verlieren zu wollen. Keine Hügelstruktur ist höher als 30 Meter, und
die 180 Grad Kurvenwenden wurden bewusst bodennah geführt, damit keine
hellblauen Stützenstelzen den Spring Creek verschandeln. Zugleich konnten
in den Creek nur wenige Stützen platziert werden, so dass sich die
Achterbahn als Figur-8 Layout mit anschließendem Oval präsentiert.
Trotzdem wird die farbenfrohe Parklandschaft unterhalb der
Bahn, welche durch einen Rundweg an einer Uferseite ergänzt wurde, durch
etwa zwei bis drei Meter hohe Betonfundamente leicht beeinträchtigt. Diese
sind eine Maßnahme gegen die regelmäßigen Überflutungen
des Spring Creeks. Die letzte erfolgte während der Installationsphase von
Skyrush. Die Fundamentoberkante liegt leicht über dem Rekord-Wasserpegel.
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Skyrush harmoniert mit
den engen Platzverhältnissen des Hershey Parks |
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Links: In der Station warten die vier
Mitfahrer auf der pfeilförmigen, weltweit einmaligen Sitzanordnung auf den
Liftstart |
Die Station wie auch der Kontrollraum der Anlage wurden wie
die Stützenfüße über dem bisherigen Rekordpegel platziert,
so dass die Elektroschränke, welche die Steuerung und die Frequenzantriebe
der Motoren beinhalten, nicht überflutet und somit zerstört werden
können. Die Architekten haben die Station wunderbar in den Themenbereich
eingefügt, jedoch die praktikable Nutzung unterschätzt.
Als Folge der engen Platzverhältnisse zwischen dem
Hauptweg und der Holzachterbahn Comet erfolgt der Einstieg in die viersitzigen
Reihen auf der gleichen Seite wie der Ausstieg, wodurch die Abfertigungszeit
der Züge ansteigt. Bevor die automatischen Anstehgitter aufgehen,
müssen die Mitfahrer komplett die Stationsplattform über einen
einzigen Ausgang am Kopf des Zuges verlassen. Wertvolle Sekunden verrinnen, der
zweite Zug ist schon längst von seiner Fahrt zurück und wartet auf
den Abschluss des Einstiegsprozesses.
Eine gerade einmal ein bis zwei Meter breitere Station
hätte dieses Manko mittels einer eigenen, breit genug gestalteten
Ausstiegsplattform ausgeglichen. Auch wenn Wartungsbereich und Elektroraum
gerade einmal eine Handbreit von den Holzbalken der Comet Achterbahn entfernt
stehen, der Hauptweg hätte diese ein bis zwei Meter noch verkraften
können. So wird die Kapazität von Skyrush stark vermindert. Statt
dass ein Zug alle 80 Sekunden den Lift emporklettert, fährt nur alle zwei
bis zweieinhalb Minuten einer empor.
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Links: Die 50 Grad steile Rampe steigt
ohne Umschweife aus dem Stationsgebäude hoch |
Der einfache Zugang zu den Sitzen beschleunigt den
Platzwechsel wieder. Die Mitfahrer können in Gruppen zu je vier Personen
die Sitze zügig einnehmen. Jeder der acht Wagen besitzt ein flache, breite
Bodenplatte, welche den Schienenbereich abdeckt und überquert werden kann.
So ist auch der äußere Platz auf der gegenüberliegenden
schmalen Plattform spielend erreichbar. Die Sitze sind in der Höhe derart
angeordnet, dass es keinen absenkbaren Boden benötigt, der wiederum
wertvolle Zeit und somit weitere Kapazität gekostet hätte.
Theoretisch erlaubt das Zugdesign einen Fahrgastwechsel innerhalb von 60
Sekunden. Mit einem üblichen Stationslayout mit Durchstiegsbeladung
wäre dies problemlos umsetzbar, doch die fehlende Ausstiegsplattform macht
hier einen Strich durch die Rechnung. Die Überkopf-Bügel sind ohne
viel Widerstand einfach herunterziehbar und werden neben einer doppelt
ausgelegten hydraulischen Verriegelung nochmals durch einen Gurt gesichert.
Statt der üblichen Intamin-Schultergurte besitzt diese
Sitz-Bügel-Neuentwicklung keine steifen Gurte im Schulter- oder
Halsbereich, sondern liegt mittels eines großzügigen Pads auf den
Oberschenkeln der Mitfahrer auf. Die ursprünglichen Bügel auf Skyrush
waren deutlich weniger gepolstert, was sich ob der intensiven Fahrt je nach
Statur des Fahrgastes teilweise schmerzhaft an den Oberschenkeln bemerkbar
gemacht hat. Dem wurde durch überarbeitete, grössere und extra weiche
Polster keine acht Wochen nach Eröffnung der Bahn im Sommer 2012
abgeholfen, wenn auch die starken abhebenden Kräfte immer noch ihren
Tribut fordern. Der Oberkörper ist frei von limitierenden
Rückhaltesystemen und auch der Sitz ist sehr offen gestaltet. Die Arme
sind auf das Schaumpad zu legen, wo auch Haltegriffe im Vergleich zu
früheren Intamin-Bügeln weitaus ergonomischer angebracht wurden.
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Der Zug startet und wird über die frequenzgesteuerten
Reibräder langsam voran geschoben. Unter dem Zug wartet ein
Mitnehmerschlitten, welcher von einem am Zug befestigten Haken überholt
wird, um sofort zu beschleunigen und den Haken wieder einzuholen. Dieser
Vorgang dauert gerade einmal zwei, drei Sekunden, dann ist der Zug mit dem
Seilwindensystem verbunden und wird auf seine Nominalgeschwindigkeit
beschleunigt.
Diese liegt bei 30 Stundenkilometern oder gut acht Metern in
der Sekunde. Innerhalb von zwei Sekunden ist die Geschwindigkeit erreicht und
der letzte Wagen legt sich bereits mit 30km/h in die enge Senke des Lifts. Auf
Skyrush kommt der gleiche leistungsstarke Antrieb wie auf dem 400 Kilometer
Luftlinie entfernten Intimidator 305 in Kings Dominion zum Einsatz.
Nicht nur der Antrieb, auch die gesamte Liftgeometrie wurde
von der 94 Meter hohen Achterbahn nahe Richmond übernommen. Die Liftrampe
steigt 50 Grad steil in den Himmel, geht aber deutlich schneller in die
gebogene Liftkuppengeometrie über. Bei Skyrush wurde erstmals auf einer
Achterbahn die gesamte Liftkonstruktion aus geschraubten H-Profilen
zusammengesetzt. Die Standardprofile wurden in einem Werk in Deutschland direkt
aus der Walzung abgelängt, gebohrt und im Hershey Park mit rund 50.000
Schrauben zusammengesetzt. Nur die zwei Schienenrohre mitsamt der
Schlittenführung sind verschweißt und mittels weniger Bolzen auf die
stabile Unterkonstruktion montiert. Dabei erinnert die Struktur aus drei
aufeinander gesetzten H-Profilen an alte Brückensysteme.
Die steife, äußerst stabile Liftstruktur wird
durch zwei Stützen mit derselben Profilstruktur getragen. Dabei schwebt
die knapp 30 Meter hohe und 45 Meter lange Liftkuppe förmlich auf den
beiden rund 30 Meter hohen Profilstützen und überragt wie eine
Brücke die ersten beiden Täler der Holzachterbahn Comet wie auch die
Schlussbremse des Superdooperloopers und das Spring Creek Flussbecken. Ein
normaler Achterbahn-Lifthügel dieser Höhe hätte die doppelte,
wenn nicht dreifache Zahl an Stützen benötigt, womit Skyrush im
Hershey Park nicht hätte realisiert werden können.
Statt 93 Meter beim Intimidator ist der Lift auf Skyrush nur
62,5 Meter hoch und wird durch die hohe Fördergeschwindigkeit des
Seilsystems in unter 15 Sekunden erklommen. Pro Sekunde überwinden die
Wagen sechs Höhenmeter. Das Liftsystem ist damit genauso so schnell wie
moderne Hochgeschwindigkeitsaufzüge in Hochhäusern.
Überfährt der Schwerpunkt des Zuges die
höchste Stelle des Liftes, wird der Seilantrieb motorisch abgebremst und
der Haken am vierten Wagen des Zuges löst sich automatisch vom
Mitnehmerschlitten. Der Zug mitsamt seiner 32 Insassen ist nun der
Gravitationsfahrt überlassen, welche es in sich hat. |
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Vom Lifthügel auf
die 61 Meter tiefe Abfahrt |
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Skyrushs Lifthügel prägt die
neue Skyline vom Hershey Park |
Zeit zum Luftholen bleibt nicht lange, während der 14
Tonnen schwere Wagenzug auf der 50 Grad steilen Liftrampe emporgezogen wird.
Ist die Kuppe erreicht, neigt sich ein Wagen nach dem anderen in die fast
senkrecht abwärst führende Abfahrt, die in einer engen, 100
Winkelgrade überbrückenden Steilkurvensenke direkt auf Bodeniveau
endet.
Durch die zu Intimidator 305 identische Kuppengeometrie und
gleiche Fördergeschwindigkeit wird bereits beim Start der
Gravitationsfahrt auf allen Reihen ein Airtime-Feuerwerk abgefackelt.
Während bereits die erste Reihe in die 85 Grad steile Abfahrt
beschleunigt, wollen die Mitfahrer wie auf einem Katapult einen weiten
Parabelbogen nachvollziehen, doch der hartnäckige Bügel zieht sie
schnell auf den Boden der Tatsachen, in diesem Fall auf den Sitz, zurück.
Dabei wirkt auf die Mitfahrer der ersten Reihe kurzzeitig eine Beschleunigung
von knapp -1g. Der Bügel zieht sie also mit einer Kraft der
Größe ihres eigenen Körpergewichtes zurück in den Sitz.
Die letzte Reihe, welche mit einer höheren Geschwindigkeit die Kuppe
passiert, erfährt sogar eine Spitzenbeschleunigung von -1.2g. Derartige
Beschleunigungen sind auf Intamin-Bahnen nicht unüblich, werden aber auf
Skyrush durch die offene Sitzgestaltung und insbesondere auf den
äußeren Sitzen ohne Bodenkontakt deutlich intensiver als auf anderen
Anlagen wie die Mega-Holzachterbahn El Toro im amerikanischen Six Flags Great
Adventure, Intimidator 305 oder Goliath im Six Flags Holland wahrgenommen.
Im Freien Fall stürzen die Mitfahrer in die Tiefe,
wobei etwa 25 Meter vor Bodenkontakt die erste Abfahrt in eine Senke nebst
gleichzeitiger Steilkurve übergeht. Deren Kurvengeometrie wurde durch die
limitierten Platzverhältnisse derart eng gestaltet, dass hier mit 5g die
höchsten Beschleunigungen auf Skyrush absolviert werden. Wo der Köper
gerade noch in den Bügel katapultiert wurde und Sekundenbruchteile
später im Freien Fall war, wird er nun mit dem fünffachen seines
Gewichtes in den Sitz gedrückt. Bei Tempo 125 blitzt die Fotoanlage kurz
auf, die Mitfahrer auf der linken Seite werden haarscharf an einer
künstlichen Felskante entlanggezogen, dann schwingt sich der Wagenzug nach
dem zwei bis dreisekündigen Kompressionsintermezzo wieder in die
Höhe.
Im Vergleich zu anderen Achterbahnen mit vier Sitzen pro
Reihe bietet Skyrush ein deutlich freieres Fahrgefühl. Die mittleren Sitze
mit Bodenkontakt sind zu den äußeren Sitzen um etwa 15 Zentimeter
erhöht und auch weiter nach Vorne angebracht worden. Dieses v-förmige
Arrangement erlaubt insbesondere auf den erhöhten Mittelsitzen einen 180
Grad Panoramablick ohne Kompromisse, wo bei Mitbewerbern nur eine deutlich
beschränkte Sicht nach links und rechts an den Mitfahrern vorbei herrscht.
Die Mitfahrer auf den Außenpositionen sind bei Skyrush etwas
lösgelöst vom Zug und haben fast keinen Fix- oder Haltepunkt. Im
Vergleich zu den B&M Wingcoastern werden vor allem die Füße
nicht durch ein sonderbares Stahlgeschirr umschlossen, um den Kontakt mit der
Schiene zu vermeiden. Stattdessen läuft die Bodenplatte der Wagen am Sitz
entlang und umschließt das Fahrwerk, sodass keine auch bewusst
herausgestreckten Extremitäten dort hineingeraten können.
Der erste von zwei diagonal über den Spring Creek
geführten Airtimehügeln schließt sich an, wobei Airtime
wörtlich zu nehmen ist. Mit rund -1g werden die Mitfahrer auf dem flachen,
gerade einmal 30 Meter hohen Hügelbogen in die Luft katapultiert und
wieder nur vom Bügel zurückgehalten. Dieser Vorgang dauert aufgrund
des weiten Parabelbogens nicht nur einen Bruchteil einer Sekunde an, sondern
wird auf zwei, drei Sekunden ausgeweitet. Nur die mutigsten Mitfahrer stemmen
ihre Arme in die Höhe, wenn der Wagenzug bockig über den Creek
springt. Auf der anderen Seite des Ufers angekommen neigt sich der Zug bereits
in der Abfahrt in eine Linkskurve, die haarscharf am Comet vorbeistreift und
schließlich den Zug in Bodennähe an der Uferkante entlangführt.
Auf dem 270 Grad Kurvenbogen mit einem Radius von etwa 40
Metern drückt eine Vertikalkraft von rund 3,5g die Mitfahrer in die Sitze.
Obwohl der Kurvenzug über fünf Sekunden andauert, wird aufgrund der
gemässigten Vertikalbeschleunigung selbst an heißen Tagen die
Durchblutung der Augen und somit die Sicht der Mitfahrer zu keinem Zeitpunkt
unangenehm beeinträchtigt. Greyouts werden nicht heraufbeschworen, jedoch
fährt der Zug durch die dauernde Kompression etwas unrund durch die Kurve,
was aber hauptsächlich auf den äußeren Sitzen durch ihre
Hebelwirkung zu den Fahrwerken wahrgenommen wird. Unangenehme Stöße
oder Vibrationen vertikal zum Sitz wie auf dem Intamin Prototypen Furius Baco
in Spanien werden nicht aufgeboten, dafür ist die Schiene zu präzise
gefertigt worden und die Beschleunigungen geringer. Es ist vielmehr ein
seitliches Schwingen der äußeren Sitze, welches auch auf den B&M
Wing Coastern wahrgenommen werden kann. Der Ursprung scheint im seitlichen
Spiel der Fahrwerke zueinander und zur Schiene zu finden sein. Zwar werden die
Seitenrollen über Gummidämpfer an die Schiene gedrückt, ein
leichtes, seitliches Aufschwingen des Zuges kann aber nicht gänzlich
vermieden werden - insbesondere nicht bei Tempo 120 und über 3g
Kompression, wo jede kleinste Abweichung von der Nulltoleranz auf den
Außensitzen sofort spürbar wird. |
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Dem Kurvenzug folgt im direkten Anschluss ein weiterer
Airtimehügel, der den ersten etwa fünf Meter tiefer gelegen kreuzt.
Beschleunigung und Fahrempfinden sind gleicher Natur und werden durch das
visuelle Ereignis der Schiene des ersten Hügels, die bedrohlich nahe
kommt, noch gesteigert. Auf dem Hochpunkt des zweiten, etwa 25 Meter hohen
Hügels wurde auch die erste von drei Reduzierbremsen installiert. Diese
rauben dem Zug jeweils etwa zwei bis drei Prozent seiner Gesamtenergie und
werden auf einem derart hohen Geschwindigkeitsniveau absolviert, dass sie kaum
wahrnehmbar sind.
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Die Neuinterpretaion des "Stengel" Dives:
Rasant geht es aus der überhängenden Steilkurve in die
Abfahrt |
Trotz moderner computerunterstützter
Berechnungsmethoden ist der Luftwiderstand eines neuen Zuges wie dem Wing
Coaster Modell auf Skyrush in der Berechnung nicht genau bestimmbar. Die
Hersteller nehmen bei der Auslegung der Dynamik tendenziell eine höhere
Reibung an, so dass der Zug nicht zum Ende der Gravitationsfahrt zu langsam
durch die Figuren fährt oder gefahr läuft stecken zu bleiben.
Auch bei Skyrush ist Intamin so vorgegangen und hat im
Probebetrieb erkannt, dass der Zug wie vermutet mit geringeren
Reibungsverlusten und somit schneller durch die Bahn fährt als für
die Berechnung angenommen. Damit die Beschleunigungen insbesondere auf dem
letzten Airtime-Hügel nicht über die Grenze für Mensch und
Material gehen, wurden die bereits in der Entwicklung vorgesehenen
Wirbelstrombremsen eingebaut.
An dieser Stelle ist das Figur-8 Layout nahezu absolviert.
Der langgezogenen Abfahrt des zweiten Airtime-Hügels schließt sich
ein weiterer Kurvenzug an, der wieder bodennah über den Creek führt.
Nun ändert sich das Fahrprogramm.
Statt eines dritten klassischen Airtime-Hügels
schwingt sich der Kurvenzug fast 20 Meter in die Höhe und verändert
dabei stetig seine Querneigung. Beträgt diese in der Kurve etwa 70 bis 80
Grad, um Lateralbeschleunigungen quasi auf ein Nullniveau zu minimieren, so
steigt die Querneigung bis zum Hochpunkt der Steilkurve auf 140 Grad an. Zug
und Passagiere hängen also fast kopfüber, werden aber dennoch durch
die im Kurvenzug wirkende Fliehkraft stetig in den Sitz gedrückt.
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Rechts: Dem "Stengel" Dive folgt die
letzte bodennahe Steilkurve |
Der Zustand wird schlagartig aufgehoben, wenn der Zug aus
diesem statischen Zustand um die Längsachse herausrotiert und gleichzeitig
in einer Abfahrt 17 Meter gen Boden fällt. Dieses Fahrelement ist dem
Stengel Dive des Mega Coasters Golitah im Walibi Holland in den Niederlanden
nachempfunden, besitzt aber den Unterschied, dass es quasi rückwärts
abgespult wird. Trotzdem ist der Effekt der schnellen aber dennoch ruckfreien
Rotation am Hochpunkt der Fahrfigur identisch. Wer jedoch allzu locker in
seinem Sitz hängt, dessen Oberkörper bekommt die einsetzenden
lateralen Kräfte zu spüren.
Kontrolliert fällt der Zug gen Boden, legt sich etwas
in eine leichte Linkskurve und fliegt die Uferböschung entlangt. Die
zweite Reduzierbremse nagt wieder leicht am Energieniveau, spürbar ist sie
aber wiederum so gut wie nicht. Der unnatürliche Fahreffekt von anderen
Bahnen mit Reduzierbremse, bei denen der Zug nicht weiter beschleunigt, obwohl
dieser eine Abfahrt heruntergleitet oder plötzlich in einer Auffahrt mehr
abbremst wird, als er eigentlich sollte, wird auf Skyrush durch die
intelligente Aufteilung auf mehrere kurze Bremsabschnitte vermieden.
Mit immer noch Tempo 90 km/h steuert der Zug einer kleinen
Auffahrt entgehen, wo er gleichzeitig innerhalb einer Sekunde temperamentvoll
um die Längsachse in eine Rechtskurve gelegt wird. Dieser 180 Grad
Kurvenbogen ist parallel zum ersten geführt, besitzt sogar dessen
gleichbleibende Höhe. Die geringere Geschwindigkeit wird durch einen
engeren Radius kompensiert, sodass die maximale Kompression innerhalb des
Kurvenzuges ebenfalls bei etwa 3g liegt. |
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Links: Schnelles Wendemanöver auf dem
S-Hump - Rechts: Airtime auf dem letzten Camelback |
Die Rechtskurve endet in der Auffahrt zu 16 Meter hohen
S-Hügel, der in klassischer Intamin-Manier am Hochpunkt einen schnellen
Richtungswechsel um die Längsachse in eine Linkskurve bietet, die
gleichzeitig wieder abwärts führt. Durchzugsstarke
Seitenbeschleunigungen, besonders in der letzten Reihe, wirbeln die Mitfahrer
durch. Der Zug steuert gen Boden, um dann einen klassischen, geradlinigen
Airtime-Hügel zu absolvieren.
Von Außen sieht dieser zwischen der Comet
Holzachterbahn und dem Creek positionierte, elf Meter Höhenunterschied
bietende Hügel wenig eindrucksvoll aus, doch beschleunigungstechnisch
bietet er in der hintersten Reihe die höchsten abhebenden G-Kräfte
auf dem gesamten Skyrush-Parcours, selbst wenn die letzte Wirbelstrombremse
kurz vor der Kuppe dies etwas minimieren will.
Der subjektive Eindruck des engen Parabelbogens
verstärkt diese Tatsache. Ein weites Tal mit nicht unbedingt
spürbarem Anpressdruck führt den Wagenverbund in eine
übergeneigte, enge Steilkurve mit 80 Grad Querneigung, die zusätzlich
zwei Spuren des Cometen überragt.
Treffen sich hier Stahl- und Holzachterbahnzüge, so
wird das Gefühl des Beinahe-Zusammenpralls insbesondere für die links
außen sitzenden Personen im Skyrush-Zug nochmals verstärkt - die
Lichträume beider Bahnen sind gerade einmal anderthalb Meter voneinander
entfernt.
Von allen Kurven ist diese 90° Linkskurve diejenige,
welche beschleunigungstechnisch am wenigsten bietet, visuell aber einiges
hermacht. Der Zug gleitet mit 60km/h aus der Kurve rund fünf Meter
abwärts über einen Serviceweg hinweg und streift zudem zwei
Rundfahrgeschäfte, welche die Höhe des letzten Tals auf sieben Meter
über den Boden beschränkt. Ein letzter Hopser nebst Rechtsknick
führt den Zug auf die zwölf Meter hohe Schlussbremse, welche als 30
Meter lange Gerade schräg über ein Restaurant, einen Serviceweg und
die Holzachterbahn Comet gebaut wurde. An ihrem Ausgang besitzt der Zug nur
noch eine Geschwindigkeit von etwa 30 Stundenkilometern und absolviert einen
extrem engen Rechtsbogen, der über die Station des Comet Coasters
führt und schließlich fünf Meter abfällt. Im zweiten Teil
der Schlussbremse auf Stationsniveau wird der Zug durch die Magnetbremse und
dahinter geschaltete Reibräder auf Tempo Null abgebremst. 70 Sekunden nach
Start in der Station ist das beschleunigungsintensive Abenteuer Skyrush
beendet. |
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Impressionen des
letzten Schienendrittels |
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Fakten zu Skyrush |
Erste Achterbahn der Welt, die
gleichzeitig zwei verschiedene Sitzpositionen und damit deutlich
unterschiedliche Beschleunigungsmanöver anbietet |
Schienenhöhe
über Fundament |
62,5
Meter |
Höhendifferenz
erste Abfahrt |
61
Meter |
Schienenlänge |
1150 Meter |
Max. Geschwindigkeit |
125 km/h |
Fahrzeit |
80 Sekunden |
Fahrzeuge |
2 Züge mit 8 Wagen; 4 Plätze pro Wagen |
Theoretische Kapazität |
1440 Personen pro Stunde |
Hersteller |
Intamin Transportation Ltd., Schaan, Liechtenstein |
Betreiber |
Hershey Park, Hershey, USA |
Eröffnung |
26.05.2012 |
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Link zur
offiziellen Webseite des Hershey Parks |
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Links: Einfahrt in die Reduzierbremse -
Rechts: Abfahrt in die Schlussbremse |
Skyrush zeigt deutlich, wie aggressiv eine Achterbahn ihr
Können ausspielen kann. Durchzugsstarke Kompression in den bodennahen
Kurvenzügen und Airtimehügel wechseln sich in der ersten Hälfte
ab, dann dominieren drei schnelle Richtungswechsel mit eindrucksvollen
Seitenkräften. Somit ist der neue Intamin Wing Coaster eine deutliche
Abwechslung im stellenweise doch recht beschleunigungsarmen B&M
Hyper/Wingcoaster Programm, welches immer mehr die amerikanischen Parks
einnimmt und somit in den USA derzeit einen Quasi-Standard für große
Stahlachterbahnen definiert: Wo bei Bolliger & Mabillard der Zug mit 0g
über die Kuppen gleitet, hebelt Intamin die Mitfahrer wie bereits auf
ihren vier baugleichen Mega Lite Coastern aus den Sitzen. Diese andersartige
Dynamik hat natürlich ihren Preis, nämlich insbesondere seitliche
Kräfte und intensiveren Kontakt mit den Bügeln.
Auch bietet Intamin schnelle, bodennahe
Hochgeschwindigkeitskurven, während beim Schweizer Mitbewerber diese
aufgestelzt mit reduzierter Geschwindigkeit und somit auch deutlich geringerer
Andruckkraft absolviert werden. Insbesondere diese
Hochgeschwindigkeits-Kurvenzüge verlangen jedoch der Schienenqualität
einiges ab, da jede Millimeter-Unebenheit sofort spürbar wird. Auf Skyrush
ist dies gut gelungen, erreicht aber vielleicht gerade auf den
äußeren Sitzpositionen und den damit einhergehenden schlechteren
Hebelverhältnissen nicht die Perfektion einer Formula Rossa in Abu Dhabi.
Skyrush bietet viel Dynamik, ist in diesem Punkt aber
vielleicht stellenweise zu ambitioniert: Etwas zurückhaltendere
Kräfte in der einen oder anderen Fahrfigur wären für die Zukunft
wünschenswert, um die Mitfahrer auch einmal Luftholen zu lassen. Trotzdem
ist Intamins erster Wing Coaster nach der eher verpatzen Wing Rider Premiere
auf Furius Baco im Jahre 2007 in Spanien sehr gut gelungen. |
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Der Schlussabschnitt
schmiegt sich an die Comet Holzachterbahn |
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Text: Coastersandmore - jp Bilder:
Coastersandmore, Intamin |
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