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Kawasemi im Tobu Zoo Park |
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Megacoaster müssen nicht unbedingt hoch oder
schnell sein, um eine ansprechende, dynamische Fahrweise mit wechselnden
positiven wie negativen Beschleunigungen zu bieten. Marktführer Intamin
macht dies in Zeiten der knapperen Kassen deutlich und präsentiert mit dem
Mega-Lite Coaster gleich eine wahre Powermaschine. Statt 100 Metern Höhe
sind es "nur" 33, statt 150 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit "nur"
85, und dennoch bietet die Fahrt im viergliedrigen Kurzzug auf dem Mega-Lite
Layout genau das, was eine Achterbahn ausmacht: jede Menge Thrill, G-Power und
nicht zuletzt einfach Spaß.
Intamin, bekannt für waghalsige
Rekordachterbahnen wie Top Thrill Dragster, Millennium Force oder
T-Express, setzte die Meßlatte nicht schon wieder ein
Stückchen höher, sondern preschte einfach mit Volldampf darunter
hindurch und kreierte ein Layout, welches gerade wegen seiner fehlenden
Rekorde den Fokus vor allem auf gelungene Fahrkombinationen legt. Dabei werden
auf der kleinen Spaßmaschine Beschleunigungen dargeboten, die der
Fahrgast auf manch größerer Schwester vergeblich sucht. Und gerade
wegen der geringen Höhe traut sich auch das Familienpublikum auf die Bahn.
Gleich vier Freizeitparks haben dieses Potential erkannt und nennen jeweils ein
baugleiches Layout ihr Eigen.
Angefangen hat die Geschichte der Mega-Lites 2008 in
Japan, es folgten eine Anlage in Dänemark und schließlich 2009 zwei
weitere Streckenkopien für die OCT Parkkette in China. Bislang hat
Intamin ihre Layouts nur selten vervielfältigt, die Kopienzahl des
Mega-Lites in einem derart kurzen Zeitraum zeigt das Potential dieser
Achterbahn. |
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Kawasemi wurde
inmitten eines Sees errichtet |
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Den Anfang nahm der Mega-Lite als Entwicklung
für den Tobu Zoo Park nördlich von Tokio. Eigentlich bereits
für die Saison 2007 angekündigt, eröffnete die Bahn erst im
Frühjahr 2008 und somit nur wenige Wochen vor Anlage Nummer zwei, dem
Piraten im dänischen Djurs Sommerland.
Der großflächige, 53 Hektar beanspruchende
Tierpark mit angeschlossenem Vergnügungsareal bei Saitama existiert seit
dem Jahre 1981 und bietet neben einer vielfältigen Tierwelt seit Jahren
Thrill und Achterbahnen in einer lokal arrangierrten Amusement
Zone. Bis zur Eröffnung von Kawasemi war Regina, eine
1335 Meter lange Holzachterbahn die Nummer eins, dahinter folgten die
skurrile Looping Maus Crazy Mouse wie auch der Mt. Rocky Coaster.
Letzterer nahm den heutigen Standort von Kawasemi
ein. Über einem See errichtet bot die 870 Meter lange Achterbahn ein
einfaches Out&Back Erlebnis im Stile einer großzügigen
Figur-8 Schleife. Von außen war ihr Erscheinungsbild einer
Holzachterbahn gleich, die Stahlstruktur war nur auf den zweiten Blick
erkennbar. Das außergewöhnliche Erscheinungsbild war das eigentliche
Charakteristikum des Mt. Rocky Coaster, die Fahreigenschaften waren
trotz der einfachen Fahrfiguren - die nicht quergeneigten Kurven wurden wie auf
einer klassisch amerikanischen Holzachterbahn im gemässigten Tempo
durchfahren - eher holprig und hölzern. Somit wurde die 1989
eröffnete Bahn keine 15 Jahre lang betrieben, ihre Struktur lag zwischen
2004 und 2006 brach.
Für den von der privaten Eisenbahngesellschaft Tobu
Rail geführten Familienpark, dessen Kerngeschäft auf dem
Zoobetrieb liegt, blieb letztendlich nur der Ausweg eines Rückbaus des
Mt. Rocky Coaster mit dem Ziel, auf den zahlreichen, aus dem See
herausragenden Fundamenten eine neue Stahlachterbahn ohne
Inversionsfiguren zu eröffnen. In Intamin hatte man den richtigen
Partner gefunden. Mit dem gerade einmal 50 Kilometer entfernten Thunder
Dolpin im Herzen von Tokyo City hat der Hersteller gezeigt, dass die
hauseigenen Mega Coaster Achterbahnen wahre Besuchermagnete sein
können. Für Tobu Zoo sollte jedoch ein kleineres Layout
realisiert werden, um auf die Fläche des früheren Coasters mitsamt
seiner Fundamente zu passen.
So ist es nicht verwunderlich, dass Kawasemis
Stationsbereich und Lifthügel in der Platzierung vollkommen gleich
sind wie beim Mt. Rocky Coaster. Auch die erste Kurve wie der hintere
Hügel nehmen ehemalige Standorte der früheren Achterbahn ein. Doch
die Fundamente der Ende der 80er Jahre des letzten Jahrtausends gebauten
Achterbahn waren für Kawasemis Powerfiguren etwas zu klein
dimensioniert und auch einige Stützen ließen sich nicht auf den
ursprünglichen Fundamentbereichen platzieren. So steht die hochdynamische
Achterbahn nun doch hauptsächlich auf eigenen, neu im See gegossenen
Betonfundamenten.
Für die Besucher hat sich das Warten auf die neue
Achterbahn dennoch gelohnt: Trotz der Zwänge und Restriktionen, mit denen
die Intamin Ingenieure das Layout festlegen mussten, ist Kawasemi
zweifelsohne eine der dynamischsten Achterbahnen der Liechtensteiner. Schon der
Auftakt auf dem 69° steilen First Drop mit waghalsig angeschlossener
Hochgeschwindigkeitskurve zeigt, dass auf allen Sitzplätzen im
viergliedrigen Zug keine Ruhe aufkommen wird. |
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Panorama von Kawasemi:
Der Streckenverlauf zeigt den Lifthügel, die 225° Steilkurve, den rund
20 Meter hohen Umschwung mit nachfolgendem Camelback, 180° Kehrwende sowie
die kompakte Slalomabfolge, kleinere Camelbacks und die Einfahrt in die
Schlussbremse |
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Der First Drop endet in einer
spektakulären Talfahrt nebst 225° Steilkurve |
Kawasemi, der "Eisvogel", gleitet majestätisch
über den See und seine zitronengelbe Schiene, um im nächsten
Augenblick wieder in die Höhe zu steigen. Die Anlage wurde von den
Besuchern aller Altersklassen des Tobu Zoo Parks schnell zum neuen
Lieblingscoaster erklärt und auch in Europa erntet die Zweitinstallation
Piraten viele Lobeshymnen. Kawasemi wird mit dem Slogan
"Herzklopfen für die ganze Familie" beworben, ist aber gerade wegen seiner
ausgeprägten Beschleunigungswechsel von positiven 5g bis negativen 1g und
gleichzeitigen hohen Lateralkräften in den Umschwüngen nicht zu
unterschätzen. Innerhalb der 45 Sekunden andauernden Gravitationsfahrt
bietet Kawasemi sogar deutlich mehr Action und ausgeprägtere
Beschleunigungsspitzen als die bekannte Intamin Bahn Expedition
Geforce im deutschen Holiday Park aus dem Jahre 2001.
Das Rollmaterial ist identisch mit dem Untersatz in
Deutschland, wenn auch ein mit vier Wagen deutlich kürzerer Zug als in
Haßloch zum Einsatz kommt. Dieser hat den Vorteil, dass gerade die engen
Slalomfiguren im Mittelteil des Mega-Lite Layouts dynamisch vollkommen
ausgereizt werden können, da sich die Designer nicht um die eklatanten
Dynamikunterschiede zwischen der ersten und letzten Reihe wie bei einem
siebengliedrigen Zug Gedanken machen mussten. Im typischen Intamin
Stadium Seating hat der Fahrgast von allen Sitzplätzen gute Sicht.
Die ist auch nötig, da der Fahrgast im Tobu Zoo wie fast
überall in japanischen Parks seinen Sitzplatz zugewiesen bekommt. Eine
Fahrt in der ersten Reihe zu erhaschen wird dabei zum regelrechten
Glücksspiel.
Den Bauchbügel und Beckengurt angelegt ist der
Fahrgast für die kommende Dynamikvorführung bestens gerüstet.
Wie bei den großen Schwestern zieht ein Kabellift mitsamt Catch
Car den Zug in Windeseile zur Kuppe in 33 Metern Höhe. Was auf Anlagen mit
Kettenantrieb meist eine Ewigkeit dauert, löst der
Seilwindenantrieb von Intamin mit der doppelten
Liftgeschwindigkeit. |
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Vom Lifthügel bis
zum ersten, rund 20 Meter hohen Camelback |
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Links: Luftaufnahme der
Slamlomstrecke |
Zeit zum Aufatmen bei Erreichen der Maximalhöhe bleibt
nicht: Während der Mt. Rocky Coaster erst einmal zur
gemächlichen 215° Kurve ansetze, folgt Kawasemi dem gleichen
Grundriss mit deutlich mehr Action und "Herzklopfen": Erst neigen sich die
Wagen in ein fast 70° steiles Gefälle, fallen in die Tiefe und steuern
auf einen Richtungswechsel zu, der sie mit fast Höchstgeschwindigkeit
wenige Meter vor Auftreffen auf der Seeoberfläche in eine 78° Neigung
aufweisende Steilkurve führt. Diese ist gerade einmal anderthalb
Meter über der Wasseroberfläche installiert, die Fundamente der
Stützen sind sogar komplett unter Wasser verborgen.
Die rechtsgerichtete 270° Steilkurve presst die
Mitfahrer mit durchschnittlichen 4g für mehrere Sekunden in ihre Sitze.
Diese Fahrfigur ist extrem an der Grenze der Familienfreundlichkeit,
dürfen doch schon kleinere Kinder von 120 Zentimeter Größe auf
den Sitzen Platz nehmen. In den schwül-heißen Tokioter Sommern kann
dem ein oder anderen fast schwarz vor Augen werden, bevor sich der Eisvogel auf
den letzten Winkelgeraden der Kurve urplötzlich in die Lüfte hebt,
auf 22 Meter steigt und das Stützendickicht des frontal zum Kurvenzug
stehenden Lifthügels durchfliegt. Wie auf Kommando dreht sich der
Zug beim "Überflug" des Scheitelpunkts bestimmt, aber trotzdem sanft um
90° nach links, um sofort in den Sinkflug überzugehen. Der Umschwung
um 90 Winkelgrade am Totpunkt des Hügels findet auf gerade einmal etwa 15
Metern Streckenlänge statt und bietet neben der Erfahrung der
Schwerelosigkeit um 0g gleichzeitig laterale Kräfte beim Umreißen
der Wagen in die nächste Schräglage. Derartige Umschwünge finden
sich auf vielen Intamin Megacoastern, doch auf Kawasemi
soll es nicht das letzte Erlebnis dieser Art gewesen sein.
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Links: Der Zug bezwingt die letzten
kleineren Camelbacks bevor er in die Stationsbremse einfährt
(rechts) |
An der rückwärtigen Längsfront der Anlage
navigiert der Zug aus der linksgerichteten Abfahrt kommend auf einen
klassischen, knapp 20 Meter hohen Camelback zu. Ohne jegliche
Einwirkungen von Seitenkräften erfahren die Mitfahrer bei einem Tempo von
etwa 40 km/h auf dem parabelförmigen Gebilde, wie sich Airtime bei
etwa -0.5g anfühlen kann. Sie werden regelrecht aus dem Sitz katapultiert,
während die Wagen schon wieder auf Talfahrt sind. Am Fußpunkt
erfolgt eine zügig absolvierte, wieder extrem wassernah installierte
180° Steilkurve, die jedoch mit deutlich geringerer
Vertikalbeschleunigung als die erste Kurve nach dem First Drop
aufwartet.
Dann schließt sich das Highlight der Fahrt an: In
dichter Abfolge reihen sich drei Hügel mit gleichzeitigen Umschwüngen
aneinander. Zwar werden bei dieser "Slalomabfolge" nur Höhenunterschiede
von gerade einmal zehn Metern geboten, doch die engen Scheitelpunkte der drei
Hügel werden mit einem Tempo überfahren, welches ein Feuerwerk an
dynamischen Beschleunigungswechseln bietet. In kurzer Abfolge werden die
Insassen mal mit rund viereinhalb g in die Sitze gepresst, erleben deutliche
Airtime unterhalb der 0g Marke und werden gleichzeitig noch von links nach
rechts und wieder zurück gewirbelt.
Unterhalb des Lifthügels und kurz vor Erreichen des
ersten Hügels folgt eine weitere Richtungsumkehr über 200°,
welche haarscharf an der Seilwinde der Anlage vorbei und direkt in eine
geradlinige Abfolge von niedrigen Camelbacks führt. Zweimal werden die
Insassen durch die begehrten deutlichen Airtimes aus den Sitzen gehoben, dann
folgt der Schlußspurt.
Der Zug erklimmt eine leichte Anhöhe und legt sich in
eine links gerichtete 180° Steilkurve, welche wieder knapp die
Wasseroberfläche berührt. Noch einmal geht es am Kurvenausgang
kurzfristig in die Höhe, wieder ist deutliche Airtime fern der 0g zu
spüren, und dann folgt die Einfahrt in die ruckfreie Magnetbremse.
Keine 60 Sekunden nach Ausfahrt aus der Station befördern die
Reibräder den Zug in seine Ausgangsposition. |
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Vom Slalomparcours bis
zur Stationsbremse |
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Fakten zu Kawasemi |
Erster Intamin Mega-Lite Coaster mit
agiler Streckenführung |
Gesamthöhe |
33
Meter |
Höhendifferenz erste Abfahrt |
31,5 Meter |
Schienenlänge |
748 Meter |
Max. Geschwindigkeit |
85 km/h |
Max. Gefälle |
67° |
Max. Querneigung |
80° |
Max. / Min. Vertikalbeschleunigung |
+5g / -1g |
Zeit Gravitationsfahrt |
45 Sekunden |
Fahrzeuge |
2 Züge mit 4 Wagen; 4 Plätze pro Wagen |
Theoretische Kapazität |
810 Personen pro Stunde |
Hersteller |
Intamin Transportation Ltd., Schaan, Liechtenstein |
Betreiber |
Tobu Zoo Park, Saitama, Japan |
Eröffnung |
02. März 2008 |
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Link zur Webseite vom
Tobu Zoo Park |
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Die agile Streckenführung von Kawasemi und ihren
drei Schwesteranlagen macht deutlich, dass auch mit geringem
Investitionsvolumen ein Fahrvergnügen bereitet werden kann, welches es mit
jedem Mega- oder Giga Coaster aufnehmen kann. Statt purer
Höhe oder Geschwindigkeit bietet der Eisvogel Kawasemi ein
abwechslungsreiches Beschleunigungsvergnügen für die ganze Familie -
Der Belastungsausrutscher in der viersekündigen g-Keule der ersten
Steilkurve sei den Intamin Designern verziehen.
Für den Tobu Zoo Park ist der Mega-Lite
Coaster ein perfektes neues Highlight, um im Dickicht der Konkurrenz von
Tokyo Disney oder den Rekordcoastern vom Fujikyu Highland nicht
unterzugehen. Trotzdem wird der Park vielfach unterschätzt oder einfach
übersehen. Mit Kawasemi hat man jedoch eine Anlage platziert, die
es im Großraum Tokio mit jeder Achterbahn aufnehmen kann.
Text und Bilder: Coastersandmore - jp |
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