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Speed Monster - Powerrausch am Felshang |
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Links: Der Norwegian Loop ist eine
weltweit einmalige Loopingfigur |
Tusenfryd ist um eine Attraktion reicher - und was
für eine: Mit Speed Monster schlängelt sich seit der Saison 2006 ein
Intamin Accelerator Coaster am felsigen Hang des norwegischen Freizeitparks
entlang. Die fünfte Achterbahn des 1988 eröffneten Ausflugziels in
der Nähe von Oslo ist mit 7,5 Millionen Euro die größte
Investition in der Geschichte von Tusenfryd.
Technisch betrachtet erreicht das kurvige Layout mit
Rennsportthematisierung keine Superlative, doch statt Speed Monster auf
einer ebenen Fläche zu errichten, durften die Intamin Designer den
blauen Lindwurm in einen 20 Meter hohen, felsigen Steilhang integrieren, der
den Eingangsbereich und die Hauptebene von Tusenfryd voneinander
trennt.
Diese Ausgangslage gab die Möglichkeit, die Strecke
ausgiebig mit dem Gelände interagieren zu lassen. Erst wird der Zug
mittels Hydraulikaggregat innerhalb von rund zwei Sekunden mit rund 85
Stundenkilometern etwa 25 Meter hoch in den Norwegian Loop, eine
neuartige Inversionskombination, katapultiert, dann stürzen die Passagiere
durch eine Schneise aus Nadelbäumen in eine abwärts gerichtete weite
Steilkurve, die unter das Bahnhofsniveau fast bis zum Eingangsbereich
führt. Es folgt eine Mixtur aus bewährten Fahrfiguren wie
Airtime-Hügeln und wilden Richtungsänderungen, bei denen die
Fahrzeuge innerhalb weniger Streckenmeter herumgerissen werden. Speed
Monster schlängelt sich förmlich den Hang entlang, entfernt sich
vom felsigen Grund und stürzt wieder auf diesen zu, und wird zum Finale
nochmals in einem Korkenzieher auf den Kopf gestellt, bevor eine
aufwärts führende 180° Steilkurve das Geschoss vom tiefsten Punkt
der Streckenführung in die Magnetbremsen führt. |
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Panorama Speed Monster
von links nach rechts : 270° Down Turn, Camelback, Norwegian Loop, zwei
Airborne Hills, Launch, Station, Corkscrew und 180° Turn |
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Links: Von 0 auf 85 km/h in 2,5 Sekunden -
rechts: Ausfahrt aus dem Norwegian Loop |
Der neuentwickelte Norwegian Loop ist die
beeindruckendste Fahrfigur der 690 Meter langen Achterbahn. Die von den
Intamin Designern entworfene und vom Ingenieurbüro Stengel
perfektionierte Loopingfigur verknüpft nicht nur bewährte
Stilelemente zu einem vollkommen neuen Erlebnis, sondern thront als wahrer
Publikumsmagnet über dem Eingangsbereich des Parks. Eine 20
Höhenmeter überwindende Rolltreppe transportiert die Parkbesucher
inmitten durch das Loopingrund, das alle 60 Sekunden von Neuem von den
Rennflitzern durchfahren wird. Die aufheulende Winde des
Hydraulik-Katapultantriebes kündigt die Geschosse an, einen Wimpernschlag
später ist das Schreien der Fahrgäste zu vernehmen, wenn der Zug in
Sekundenbruchteilen auf den Kopf gedreht wird.
Das Besondere der zweifachen Inversionsfigur liegt in der
Abfolge der Fahrelemente: Der dreigliedrige Zug schießt aus dem
Launch kommend den Hügel hinauf, um bei Schwerelosigkeit kurz vor
Erreichen des Hochpunktes in einer viertel Rolle gegen den Uhrzeigersinn
gedreht zu werden. Am höchsten Punkt der Bahn, 40 Höhenmeter
über dem Eingangsbereich, hängen die Züge mitsamt ihren
zwölf Rennpiloten kurzerhand seitlich an der Schiene, um schließlich
in die Überkopfposition hineinzugleiten. Es folgt der freie Fall, dann
wird die Schwerelosigkeit von extremer Gravitationskraft verdrängt. Der
felsige Boden kommt näher, der Körper wird schwerer und langsam
drückt das Blut in die Beine. Bis zu 4,5g Vertikalbeschleunigung
werden im Tal erreicht. Die Welt liegt nicht mehr zu Füßen,
dafür braust der Rennbolide mit fast 90 Sachen unter der Rolltreppe
hindurch, um einen Wimpernschlag später wieder gen Himmel zu donnern.
In Sekundenschnelle sinkt die übermächtige
vertikale G-Kraft gegen null, der Zug hebt sich in die Höhe und mit sich
die Insassen über Kopf, bis er sich parallel zur Einfahrt in die
Inversionskombination bei Schwerelosigkeit aus dem zweiten Kopfsteher
herausdreht. 25 Höhenmeter über dem tiefsten Punkt der Strecke ist
wieder ein lokaler Hochpunkt erreicht, wenige Steckenmeter später ist der
Zug in Normalposition und dreht sich in die Steilkurve der nachfolgenden
Abfahrt.
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Der 270° Down Turn führt durch
einen Nadelwald den Hang hinab |
Der mit diesem visuellen Schauspiel verbundene Fahreffekt
ist äußerst beeindruckend und unterscheidet sich grundlegend von
einem herkömmlichen Vertikallooping. Während dort die Abfolge
starke positive Kräfte, Schwerelosigkeit, starke positive Kräfte
vorherrscht, bietet der Norwegian Loop zweimal Floating Airtime mit
dazwischenliegender positiver Belastung auf den Körper. Die Mitfahrer
haben das Erlebnis des Abschusses noch gar nicht richtig verarbeitet, schon
werden sie zwei Inversionen und Beschleunigungen zwischen 4,5 und 0 g
ausgesetzt. Dieses Zusammenspiel generiert äußerst angenehme
Sekunden der Schwerelosigkeit ohne jegliche Form von Hangtime, bei der
die Mitfahrer mit ihrem gesamten Körpergewicht im Bügel hängen
würden, wie es in klassischen Herzrollen Figuren der Fall ist.
Der Norwegian Loop ist optisch wie physisch die
Schlüsselfigur des Beschleunigungstrips. In seiner gesamten
Beschleunigungs- und Erlebnischarakteristik braucht er den Vergleich mit den
typischen, von Intamin Accelerator Coastern bekannten Top
Hat Figuren nicht zu fürchten. Die Abfolge und Intensität der
Beschleunigungen ist eindeutig knackiger, und das bei deutlich geringerem
Aufwand als bei einer 130 Meter hohen Schienenkonstruktion. Doch auch der Rest
der Strecke ist nicht zu verachten. Nach der Steilkurve folgt ein Hügel
mit intensiver, aber nicht aufdringlicher Airtime. Dann schließen sich
zwei Hügel mit Flips an, auf denen die Schiene innerhalb weniger Meter
gegen den Uhrzeigersinn tordiert. Nach einer Corkscrew führt eine
letzte Steilkurve aufwärts in die Schlussbremse.
Am Fuße der zweifachen Inversionsfigur staunt auch
Bjorn Havard Solli immer wieder über das Fahrerlebnis der neuesten
Hauptattraktion von Tusenfryd. Als technischer Leiter ist er für
die Sicherheit und Funktionsfähigkeit von Speed Monster
verantwortlich und kann nur Positives berichten: "Einen längeren Ausfall
haben wir noch nie erlebt, selbst nicht nach 30.000 Abschüssen. Seit der
Eröffnung ist die Bahn jeden Tag gefahren." Der kühne Nordländer
gibt sich auskunftsfreudig und erzählt offen über die
herausfordernden Installationsarbeiten, welche mit dem kältesten Winters
der letzten 20 Jahre zusammenfielen. |
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Links: Auf dem Airborne Hill werden die
Fahrgäste bei nahezu Schwerelosigkeit von rechts nach links
gewirbelt |
Eigentlich war die Achterbahnkombination aus Katapultstart,
Geschwindigkeit und Loopings langfristig für die Saison 2007 geplant, doch
die guten Geschäftsjahre des norwegischen Marktführers erlaubten eine
vorzeitige Realisierung des Projektes im Jahre 2005. Auf der IAAPA 2004
in Orlando, der größten Messe der Vergnügungsbranche, wurden
konkrete Angebote mit S&S, Vekoma und Intamin
diskutiert: Das pneumatische, luftdruckgepowerte Antriebssystem der Amerikaner
fiel der kalten Nebensaison zu Opfer, da es bei den kühlen Temperaturen im
hohen Norden nicht unbedingt problemlos funktioniert hätte. Die
niederländische Vekoma, mit denen Tusenfryd 2001 die
Holzachterbahn Thunder Coaster realisierte, unterlag letztendlich
dem Norwegian Loop: Das Vekoma-Design umrundete die Rolltreppe
mit einem klassischen Vertikallooping und überfuhr diese zudem mit
einem Airtime Hügel. Zuwenig Neues für das neue
Aushängeschild in Skandinavien.
Anfang 2005 startete das Projekt. Intamin lieferte
die komplette Anlagentechnik und zeigte sich auch für den Aufbau
verantwortlich, so dass sich Tusenfryd auf die Infrastruktur bestehend
aus Wartebereich, Stations- und Antriebsgebäude nebst der Fundamente
beschränken konnte.
Speed Monsters Fundamente mussten alle im harten
Felsgrund verankert werden. Die Fertigstellung der Betonfundamente mit ihrer
stählernen Armierung ging dabei nicht völlig problemlos vonstatten,
weiß Bjorn Havard Solli zu berichten: "Im Spätsommer 2005
haben wir mit den Fundamentarbeiten begonnen. Stellenweise waren die weichen
Erdschichten über den Felsgrund dicker als gedacht, so dass wir weitaus
mehr Kubikmeter Erde abtragen mussten, und die Fundamente schließlich
höher setzten."
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Links: Speed Monster wurde perfekt in die
Natur des Berghangs integriert |
Ende Oktober konnte Intamin mit der Montage der
Stahlstruktur und der mechanischen Komponenten wie Bremsen, Reibradmotoren,
Weiche und dem gesamten Antriebssystem beginnen, immer im Wettlauf mit dem
nahen Wintereinbruch. Mit dem Hamburger Ride Construction Service, der
sich auf den Aufbau von Achterbahnen spezialisiert hat, wurde ein Dienstleister
beauftragt, der die gesamte Stahlstruktur in zwei Wochen auf dem Steilhang
errichtet hat. Extra aufgeschüttete Baustraßen waren als
Infrastruktur notwendig, um die mobilen Kräne zu navigieren oder die
tonnenschweren Stützen und Schienen zu einem der extra planierten und im
Hang befestigten Kranplätze zu transportieren. Der Aufbau war eine
logistische Meisterleistung.
Anfang Dezember waren die Arbeiten in Eiseskälte und
Regenwetter abgeschlossen. Die meterhohen Schneemassen und Norwegens
härtester Winter der letzten 20 Jahre folgten wenige Tage später. Mit
ausgeweiteten Personalschichten konnte die Inbetriebnahme zum anvisierten
Eröffnungsdatum Mitte April abgeschlossen werden, erinnert sich Bjorn
Havard Solli: "Am Pressetag, einige Tage vor der Publikumsöffnung, gab
es einen Komplettausfall - den einzigen: Nur wenige millimeterkleine
Gummipartikel von der Schlauchmontage hatten ein Ventil blockiert und die
Anlage zum Erliegen gebracht. Ein Ersatzventil aus dem 400 Kilometer entfernten
Liseberg kam für die Journalisten leider etwas zu spät, die
Presseeröffnung musste um wenige Tage verschoben werden."
Danach folgten nur noch kleinere Anpassungen. "Die
Inbetriebnahme hat bei sehr niedrigen Temperaturen stattgefunden. Bei
wärmerem Wetter kam der Zug zu schnell in die Schlussbremse." Eine
Neujustage der Sensoren und ein zusätzliches Bremsschwert haben das
Problem gelöst, seitdem läuft der bewährte Hydraulikantrieb von
Intamin wie am Schnürchen: "Das Layout, die Technik und die
Besucherrückmeldungen passen einfach," sagt Solli. |
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Rechts: Die anderthalbmeter Durchmesser
große Winde dreht angetrieben von sechs Hydraulikmotoren auf bis zu 350
Touren pro Minute |
Speed Monster bietet zwei kurze Rennzüge mit
jeweils 12 Sitzplätzen, die von Intamin extra mit Frontnase,
Spoiler und Kulissenrädern geliefert wurden. Um eine Kapazität der
Anlage von 700 Personen pro Stunde bei gleichzeitiger Nutzung nur einer
Stationsplattform zum Be- und Entladen zu garantieren, werden die Züge
innerhalb der Station gleichzeitig verschoben. "Dabei folgt der zweite Zug dem
zur Startposition fahrenden in einem Abstand von wenigen Metern," so Bjorn
Havard Solli.
Sensoren überwachen die Positionen und
Geschwindigkeiten beider Züge in regelmäßigen Abständen,
so dass bei einer Fehlfunktion direkt ein Notstop vom Kontrollsystem
eingeleitet werden kann, um ein Auffahren der Züge ausschließen zu
können.
Fakten zu Speed Monster |
Europas vierte Intamin Accelerator
Installation führt nach einem Katapulstart von 0 auf 85km/h in 2,5
Sekunden auf fast 700 Metern Streckenlänge über felsiges
Terrain |
Schienenhöhe |
30
Meter |
Streckenlänge |
690
Meter |
Max. Geschwindigkeit |
85 km/h |
Max. Vertikalbeschleunigung |
4,5g |
Min. Vertikalbeschleunigung |
-0,5g |
Max. Beschleunigung beim Katapulstart |
1,1g |
Inversionen |
3: Norwegian Loop (2x), Corkscrew |
Netto-Fahrzeit |
40 Sekunden |
Fahrzeuge |
2 Züge mit 3 Wagen; 4 Plätze pro Wagen |
Kapazität |
700 Personen pro Stunde |
Hersteller |
Intamin Transportation Limited, Schaan,
Liechtenstein |
Betreiber |
Tusenfryd AS, Vinterbro, Norwegen |
Eröffnung |
23. April 2006 |
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Link zur offiziellen Webseite von
Tusenfryd |
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Typisch für Launch Coaster ist auch bei Speed
Monster die kurze Fahrzeit von gerade einmal 40 Sekunden zwischen
Beschleunigungs- und Bremsvorgang - 40 Sekunden, die es jedoch in sich haben:
Dem Katapultstart mit einer Beschleunigung von 1,1g folgen fünf
Airtime Abschnitte mit abhebenden Kräften von bis zu -0,5g, welche
sich mit Gravitationstälern von 4,5g in der Spitze abwechseln - etwas mehr
Beschleunigungspower als die Verantwortlichen von Tusenfryd eigentlich
gerechnet hatten.
Die Antriebstechnik findet sich am Fuße des
Norwegian Loops, in einem großzügigen Gebäude. Neben einem
separaten Steuerungsraum für die Antriebskomponenten findet sich dort der
eigentliche Windenraum mit den Hydraulikaggregaten. Statt die Motoren direkt
mit Netzspannung zu versorgen, setzt Intamin auf das Medium Öl.
Zwischen den Starts wird langsam ein hohes Druckniveau in einem Kolbenspeicher
aufgebaut. Die dazu benötigten Pumpen haben in der Summe ähnliche
Leistungswerte wie der Motor eines Kettenliftantriebes und erfordern
seitens des Parks keine zusätzliche elektrische Infrastruktur. Über
eine aufwändige Ventiltechnik entlädt sich der Druck innerhalb von
zwei Sekunden über sechs Hydraulikmotoren, welche über ein
zwischengeschaltetes Getriebe die Seilwinde in Rotation versetzen. Diese zieht
den rund sechs Tonnen schweren Zug über ein in der Launchschiene
eingebrachtes Catch Car auf seine benötigte
Ausgangsgeschwindigkeit. Laut Tusenfryd besitzt das
Beschleunigungsaggregat stolze 6000 PS Leistung. Zwar ist das Launcherlebnis im
direkten Vergleich mit dem 400 Kilometer südlich gelegenen Konkurrenten
Kanonen im schwedischen Liseberg - auch ein Accelerator
Coaster von Intamin - in Sachen Durchzugskraft unterlegen, die
Beschleunigungkurve wirkt jedoch auf der etwa 30 Meter langen Launchstrecke von
Speed Monster nachhaltiger.
Obwohl das Layout von Speed Monster mit seinen
bloßen Zahlenwerten nicht in der Liga der europäischen
Achterbahn-Superlative mitspielt, ist es zweifellos eines der interessantesten
Katapult Coaster Designs, welches von Intamin vorgestellt wurde. Statt
nur auf die Start-Beschleunigung, Geschwindigkeit oder Höhe zu setzen,
wird ein abwechslungsreicher Parcours aufgeboten, der von seinen extremen
Beschleunigungswechseln und der Interaktion mit der Umgebung lebt: Mal
durchfliegt das Gefährt einen Nadelwald, dann hebt es die Fahrgäste
in luftige Höhen, um im nächsten Moment in extreme bodennahe
Steilkurven zu stürzen. Dabei absolviert das Formel 1 Geschoss mit seiner
schlanken Nase und dem Spoiler im Heck die engen Fahrfiguren mit einer
beeindruckenden Laufruhe, so dass die Fahrgäste keine unangenehme
Bekanntschaft mit dem auf dem Schulter- und Brustbereich anliegenden
Bügelsystem fürchten müssen.
Bilder / Text: Coastersandmore - jp |
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