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Pegasus - Das geflügelte Pferd im Europa Park |
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Rechts: Schwungvoll legt sich Pegasus in
die Kurven |
Pegasus, das geflügelte Pferd der griechischen
Mythologie, startet seit Himmelfahrt 2006 im Europa Park Rust zu einem wilden
Flug durch. Im griechischen Themenbereich wurde innerhalb von fünf Monaten
der Prototyp des Youngstar Coasters errichtet, eine Achterbahn des
Achterbahnherstellers Mack Rides aus Waldkirch für die gesamte Familie.
Somit wurde bereits der neunte Roller Coaster im erfolgreichsten
deutschen Freizeitpark in Betrieb genommen.
"Im Vordergrund der Entwicklung dieser neuen Achterbahn
stand, dass Mack Rides eine Anlage für Kinder ab vier Jahren und einem
Meter Körpergröße anbieten wollte", erklärt Christian
Freiherr von Elverfeldt, Geschäftsführer des
Traditionsunternehmens aus dem Schwarzwald. Trotzdem sollten Thrillelemente wie
beispielsweise ein um 80° quergeneigter Horseshoe nicht fehlen.
Um die Fahrt für die ganz kleinen Fahrgäste
trotzdem so sanft wie möglich zu gestalten, wurde bei der Berechnung der
Dynamik von der Herzhöhe von Kindern mit einem Meter
Körpergröße ausgegangen. Günter Burger, technischer
Leiter bei Mack Rides, ergänzt: "Die gesamte Anlage wurde für
Kinder ausgelegt. Dies ist auch der Grund, warum die Bahn für Kinder
besonders sanft ist und selbst für Erwachsene nicht uninteressant."
Besonders stolz ist man beim Familienunternehmen Mack
Rides, dass die gesamte Anlage in Deutschland gefertigt wurde. "Es handelt
sich um 100 Prozent deutsche Wertarbeit und wir setzen auf den Standort
Deutschland. Dank der Fertigung der Schiene mit Hilfe unserer
Nullebene können wir heute
kostengünstig eine höhere Qualität anbieten als Fertiger aus
Osteuropa", resümiert Christian Freiherr von Elverfeldt stolz.
Günter Burger ergänzt: "Bei dieser Anlage hatten wir null
Prozent Ausschuss, das ist fast unglaublich!" Die 430 Meter lange Schiene wurde
in kürzester Zeit gebogen und geschweißt.
Im Fertigungsbetrieb in Waldkirch selber wurden keine
zwei Schienenstücke probeweise aneinandergesetzt, um den
Stoßübergang anzupassen. Dank der hausintern entwickelten
Nullebenenfertigung geschieht dieser zeitaufwändige Prozess
virtuell im Rechner, der den gesamten Fertigungsablauf begleitet und den
Arbeitern eine immer präsente Qualitätsrückmeldung bietet. Dazu
wird die Schiene alle zehn Zentimeter über ein Laser-Tracker-System
eingemessen, wobei sich für die vorhandenen 430 Schienenmeter von
Pegasus immerhin 4300 Messpunkte ergeben - Hoher Fahrkomfort folgt
mitunter aus geringen Toleranzen der Schiene und höchsten
Qualitätsmerkmalen. Erstmals wurden die Schienen erst auf der Baustelle im
Europa Park zusammengebaut und zeigten die erwartete hohe
Passgenauigkeit. |
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Links: Flug durch den Himmel über
Rust - Rechts: Die erste Abfahrt |
Neben der Nullebene lautet das zweite Schlagwort in
Waldkirch "Modularer Aufbau". Der neu entwickelte Zug wurde derart
gestaltet, dass jedes Element schnell und kostengünstig austauschbar ist.
Außerdem können so bestimmte Teile für die unterschiedlichsten
Arten von Wasser- und Achterbahnen eingesetzt werden. Die Sitze werden zum
Beispiel unter anderem im SuperSplash sowie in den Powered
Coastern eingesetzt. Die Kombination aus diesen ergonomischen Sitzschalen
mit Mittelsteg und den für jeden Fahrgast einzeln einstellbaren
Beckenbügeln ermöglicht erst die geringe Mindestgröße von
100 Zentimetern. Im Gegensatz zum SuperSplash im belgischen Plopsaland
sind die Bügel bei Pegasus jedoch leider nicht stufenlos
einstellbar.
Das Layout der Familienbahn wurde in enger Zusammenarbeit
zwischen der Bauabteilung des Europa Parks und den Konstrukteuren von
Mack Rides ausgearbeitet. Beide Unternehmen gehören der Familie
Mack, welche den Europa Park seit seiner Eröffnung 1975 als
Schaufenster der hauseigenen Produkte nutzt.
Aufgrund der Positionierung der Anlage am Rande des
Parkgeländes unter der Wasserachterbahn Poseidon blieben
nicht viele Variationsmöglichkeiten beim Layout. Durch die
Stützenstruktur des Watercoasters und der Möglichkeit des
Anstellbereiches von Pegasus war die Position der Station vorgegeben.
"Daraus ergaben sich auch zwangsläufig die Bremssektion und die Position
des Lifthills", erklärt Miro Gronau, zum Zeitpunkt der
Coastererstellung Mitarbeiter der Bauabteilung des Europa Parks. Nach
einigen Entwürfen waren die kreativen Köpfe jedoch immer noch nicht
zufrieden: "Wir wollten unbedingt noch eine Abwärtshelix in der Nähe
der Station integrieren, doch die Konstrukteure meinten einfach nur: 'Passt
nicht!", erklärt Gronau. Heute ist die Helix in Verbindung
mit einem kleinen Airtimehügel im Anschluss eines der Highlights der
kurzweiligen Fahrt.
Nach der Grobdefinition des Designs von "Hersteller" und
"Kunden" wurde der Layoutentwurf an das Ingenieurbüro Stengel
weitergeleitet. Dieses überarbeitete es im Hinblick auf die Dynamik, wobei
die Kurvenradien derart optimiert wurden, dass Beschleunigungswechsel trotz
enger Umschwünge so sanft wie möglich erfolgen und Lateralkräfte
minimiert werden. "Es war das erste Mal, dass wir in dieser Art und Weise mit
den Münchnern zusammengearbeitet haben", berichtet Günter
Burger. Für die Berechnungen der Statik von Schiene und
Stützstruktur wurde jedoch wieder auf den langjährigen Partner der
Dr.-Ing. Weiß Ingenieurgesellschaft mbH aus Freiburg
zurückgegriffen. Deren Ingenieure um Veteran Peter Bläsi waren
auch schon für den "Vater" von Pegasus, die Wasserachterbahn
Poseidon, verantwortlich. |
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Eine große Herausforderung wollte jedoch noch
gelöst werden: Für das Abstellgleis des zweiten Zuges war schlichtweg
zwischen der Taldurchfahrt und dem Stützenwald von Poseidon kein
Platz. "Wir wollten dementsprechend nur einen Zug einsetzen, jedoch wäre
die Kapazität nicht dem Besucheraufkommen des Europa Parks angemessen
gewesen", erläutert Miro Gronau die Situation. Aus der Not heraus
konstruierten die Ingenieure von Mack Rides eine Hubweiche. Der Block
aus Stationsgleis und Abstellgleis wird angehoben, bis das Abstellgleis das
Schienenrund schließt und der zweite Zug das Gleis verlassen oder darauf
geparkt werden kann. Aufgrund der ausgeklügelten Technik kann der vier
Tonnen schwere Zug in weniger als fünf Minuten "rangiert" werden. Neben
der Platzersparnis ergab sich durch die aufwändige Konstruktion gleich ein
weiterer Vorteil: Die tägliche Wartung der Züge kann unterhalb des
Stationsbereichs überdacht in ergonomischer Höhe vonstatten gehen.
Ein ähnliches System gibt es in Europa nur noch bei Pepsi Max Big One
im Pleasure Beach Blackpool.
Der Youngstar Coaster kann entweder mit einem
Kettenlift oder mit einem Reibradlift geliefert werden. Da es
sich um eine Premiere bei Mack Rides im "Mutterpark" handelte, wurde bei
diesem "Ausstellungsstück" der Reibradlift gewählt, für die in
der Designphase die perfekten Räder gesucht wurden, damit der Zug auch an
regennassen Tagen reibungsvoll den Lifthügel hinaufgeschoben werden
kann. "Bis zu einer gewissen Länge sind Reibradlifte ökonomischer",
erklärt Günter Burger weiterhin die Entscheidung zum
Antrieb. |
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Links: Abwärtshelix unter den
Schienen von Pegasus - Rechts: Nachder kurzen Airtime legt sich der Zug wieder
in die Kurve |
Neben diesem Ausstattungsmerkmal verdienen auch die
Bremsen mehr Aufmerksamkeit: Pegasus ist die erste reine Achterbahn der
Waldkirchener Achterbahnbauer mit Wirbelstrombremsen. Der
SuperSplash im portugiesischen Themenbereich verfügt zwar auch
über diese moderne Art der Energievernichtung, jedoch handelt es sich bei
dieser Anlage nicht um einen reinen Gravity Coaster so wie Pegasus.
Besonderes Augenmerk gebührt jedoch nicht der Bremstechnik an sich, welche
von Mitbewerbern bereits seit Mitte der 90er Jahre verwendet wird, sondern der
Tatsache, dass keine separaten Wirkflächen für Antrieb, mechanische
Bremse und Wirbelstrombremse verwendet werden.
Die Schwerter unter den Wagen dienen gleichzeitig als
Reibbelag für die Antriebsräder im Lift- und Stationsbereich, als
Induktionsmedium der Wirbelstrombremsen und als Reibbelag für die
mechanischen Bremsen, die im Lift die Rücklaufsicherung
gewährleisten. Eine derartige Kombinationslösung, welche auch bei
Vekomas Expedition Everest in Disneys Animal Kingdom eingesetzt
wird, erfordert ein gegen mechanische Einwirkungen widerstandfähiges
Material mit guter elektrischer Leitfähigkeit bei gleichzeitig hohen
Reibwerten und einer schnellen Wärmeabgabe. Statt also eigene
Wirkflächen für Reibräder, mechanische Reibbremse und die
Wirbelstrombremsen am Fahrzeug zu montieren, wird nur ein Bauteil eingesetzt.
Der Vorteil der Gewichtsersparnis liegt auf der Hand, verlangt aber bei der
Konstruktion eine ausgewogene Kompromissbereitschaft, um allen
"Einsatzfällen" gerecht zu werden. Gerade die Materialwahl spielt eine
entscheidene Rolle, damit sich nicht beispielsweise die Gummimischung der
Reibräder beim Kontakt mit dem durch die Wirbelstrombremse auf bis zu
100° Celsius erwärmten Schwert vorzeitig auflöst. |
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Auffahrt zur Schlußbremse |
Zurück im Parkgeschehen will das geflügelte Pferd
auch getestet werden: Der Anstellbereich ist einer Ausgrabungsstätte
nachempfunden, sodass der Besucher an antiken Funden, Werkzeugen und Zelten
vorbeischreitet. Der Geschichte nach wurde eben bei jenen Ausgrabungen das
geflügelte Pferd gefunden, welches zur Eröffnung der Bahn feierlich
reinkarniert wurde. Besteigt dann der Fahrgast den Zug, zieht das
überdimensionale geflügelte Pferd am Frontwagen seine vier
Streitwagen unter lautem Wiehern den 15 Meter hohen Reibradlift empor.
Nachdem die trojanischen Streitwagen die volle Höhe erreicht haben,
beschleunigt der Zug über einen kleinen Pre-Drop, durchfährt
eine 90-Grad-Kurve und stürzt sich parallel zur Zufahrtsstraße des
Parks die erste Abfahrt hinab. Am tiefsten Punkt durchfahren die fünf
Wagen einen kleinen griechischen Tempel, um dann die Auffahrt in den
Horseshoe zu absolvieren.
Fakten zu Pegasus |
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Gesamthöhe |
15
Meter |
Schienenlänge |
430 Meter |
Max. Geschwindigkeit |
65 km/h |
Maximale laterale Beschleunigung |
+ 0,3g |
Netto-Fahrzeit |
131 Sekunden |
Maximale Schienenquerneigung |
80° |
Fahrzeuge |
2 Züge mit 5 Wagen; 18 Personen pro Zug |
Kapazität |
990 Personen pro Stunde |
Hersteller |
Mack Rides GmbH & Co KG, Waldkirch Deutschland |
Betreiber |
Europa Park, Rust, Deutschland |
Eröffnung |
23. Mai 2006 |
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Link zur offiziellen Webseite vom Europa
Park |
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Nach der steilen Kehrtwende folgt am Fuße des
Lifthügels die bereits oben angesprochene abwärtsgeführte
Helix. Mit der hier erworbenen kinetischen Energie überspringt der
Zugverbund einen kleinen, jedoch sehr wirkungsvollen Airtimehügel, der auf
allen Sitzplätzen kurzzeitig für leichte Schwerelosigkeit sorgt.
Einer Rechtskurve folgend legt sich der Zug in eine zweite Helix, nun an der
Rückwand der Station von Poseidon gelegen. Nach dieser
360-Grad-Helix biegt das Pferd mit seinen Streitwagen auf die Zielgerade ein
und wird von den Wirbelstrombremsen gezügelt, um dann langsam in
den Bahnhof einzufahren.
Mit Pegasus hat der Europa Park nun auch
für die ganz junge Zielgruppe einen Gravity Coaster im Angebot. In der
Vergangenheit stand "nur" eine Runde auf dem Powered Coaster
Alpenexpress im hinteren Parkteil zur Wahl. Zwar wirkt der vordere
Parkteil mit seinen verschiedenen offenen Stahlachterbahnen fast schon
überfrachtet, doch Pegasus ist eine wahre, wenn nicht sogar lange
überfällige Erweiterung im Familienprogramm des Europa Parks.
Die Familienachterbahn überzeugt junge wie ältere Besucher. Dabei ist
Pegasus für die kleineren Fahrgäste nicht zu schnell oder zu
hoch und bietet durch eine gelungene Kombination von kleinen Thrillelementen
einen abwechslungsreichen Ritt auch für die älteren Semester. Dies
scheint sich herumgesprochen zu haben, denn nach der zweiten "Testsaison" im
Europa Park konnte Mack Rides eine weitere Anlage nach
Österreich verkaufen. Am Neusiedler See östlich von
Wien wurde zur Saison 2008 eine durch eine Helix erweiterte Version
dieser Familienachterbahn eröffnet.
Text und Fotos: Coastersandmore - ng, ml
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