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Links: Ausfahrt aus der Bent Cuban Eight
Inversionsfigur |
Vom Fischerdorf ist es nur ein Sprung in den Action
Park. Dort wartet seit dem Sommer 2005 ein futuristisch anmutendes
Coastergebilde aus dem Münchner Hause Maurer Söhne, welche
sich gegen die potentiellen Mitbewerber Gerstlauer und Vekoma Rides
Manufacturing durchsetzen konnten. Auf minimaler Fläche windet sich
das hochentwickelte, schulterbügellose X-Car Fahrzeug über die
staunenden Menschenmassen. Schon der Lift von G-Force bietet einen
integrierten Überschlag: Langsam wird das Fahrzeug ein Oval emporgezogen,
bis es am Hochpunkt letztendlich über eine Rückwärtsrolle auf
den Kopf gedreht wird. Die ersten Meter der dann folgenden Abfahrt werden sogar
über Kopf vollzogen - ohne Schulterbügel eine völlig neue
Erfahrung. Das patentierte Maurer Söhne Bauchbügelkonzept
überzeugt im Zusammenspiel mit einem hochergonomisch ausgeformten Sitz.
Dabei wurde ein Sitzsystem kreiert, welches selbst Überkopffiguren mit
negativen Beschleunigungen in völlig neuen Dimensionen erlebbar macht.
Zudem ist die Wendigkeit der kurzen X-Car Züge
prädistiniert für enge Kurvenradien. Auf gerade einmal 385
Schienenmeter folgen zwei weitere höchst ungewöhnliche und
spektakuläre Fahrelemente: Dem Humpty Bump Lift schließt sich
ein extrem parabolisch ausgeformter Camelback mit stark abhebenden
Beschleunigungskräften an. Anschließend werden die Fahrgäste
nochmals zweimal auf den Kopf gestellt. Der erste Teil der Bend Cuban
Eight Inversionsfigur ähnelt einem Vertikallooping,
dessen Ausfahrt mit ca. 45 Grad seitlich abgewinkelt ist. Mit diesem Winkel
wird eine weitere Loopinghälfte angefahren, ab deren höchstem Punkt
sich der Zug während der Abfahrt gegen den Uhrzeigersinn aus dem Kopfstand
herausdreht. Das Fahrabenteuer von G-Force ist kurz aber intensiv und
eine deutlichere Bereicherung des kleinen Achterbahnangebotes des Drayton
Manor Family Theme Parks. Dass dafür eine kuriose Loopingbahn aus
italienischer Produktion weichen musste ist fast vergessen.
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Rechts: Ausfahrt Bent Cuban Eight |
Dem Wechselspiel der Beschleunigungen folgt das kühle
Nass. Splash Canyon ist ein gelungener Rapid River vom
führenden Freizeitparkausrüster Intamin. Eine Hintergrundstory
wie bei Stormforce 10 wird zwar vermisst, doch der 475 Meter lange
Wildwasserfluss bietet Abwechslung pur. Der Kanal ist stellenweise so breit,
dass die Rundboote sich gegenseitig überholen können - die
Überholvorgänge steigern dabei das Vergnügen beträchtlich.
Wasserkanonen und Wellenbecken sorgen zudem für ein kurzweiliges
Vergnügen. Ein Jahr nach seiner Eröffnung, konkret im Jahre 1994,
wurde der Rapid River durch ein weiteres "Feature" ergänzt. Seitdem
stürzen sich die Züge des Stand Up Coasters Shockwave
parallel zum Wildwasserkanal in den First Drop und dem sich
anschließenden Vertikallooping.
Stand Up Coaster haben in Europa Seltenheitswert,
Shockwave ist heute sogar das einzige Exemplar. Drayton Manor
benötigte im Jahre 1994 einen Signature Ride. Die großen englischen
Parks in der Umgebung rüsteten im Bereich der Roller Coaster
gehörig auf, somit fiel die Wahl auf eine vermeintlich ebenso
spektakuläre und "neuartige" Bahn. Vier Millionen Pfund, umgerechnet sechs
Millionen Euro, wurden in das Projekt Stand Up Coaster investiert, bei
der Intamin AG wurde man fündig: Schon 1987 lieferten die
Schweizer einen getwisteten Stand Up Coaster an das schwedische Skara
Sommarland, der nach Aussage des skandinavischen Parks "eine Nummer zu
groß war". Seit 1995 ist die Anlage im kanadischen La Ronde Park
beheimatet. Shockwave war die dritte und letzte Stand Up-Produktion der
Schweizer und stellte mit vier Inversionen einen neuen "Weltrekord"
innerhalb ihrer Gattung auf - aber was sind schon Rekorde in der schnelllebigen
Achterbahnwelt. Schon fünf Jahre später war diese Spitzenposition
längst weitergereicht worden, Shockwave nur noch irgendein Coaster,
der die Superlative "im Kleinen" nach Tamworth bringen sollte.
Das Layout ist simpel, die Bezeichnung "Achterbahn"
tatsächlich zutreffend, da der Streckenverlauf "nur" eine Acht beschreibt.
Abwechslung bleibt dabei Mangelware: Die Inversionselemente werden wie am
Fließband abgespult, die erste und einzige Abfahrt ist der First
Drop. Ansonsten verläuft die Streckenführung aufgestelzt
über den Splash Canyon und die Köpfe der Besucher hinweg. Auf
eine Helix am Streckenende wurde verzichtet, statt kleineren, zwischen
den Loopingelementen integrierten Auf- und Abfahrten wird beispielsweise eine
unmotivierte, 40 Meter lange Geradeausfahrt geboten. Wechselnde G-Forces
sind - bis auf die Überschlagelemente - nicht vorhanden. Shockwave
scheint einzig und allein auf Inversionen ausgelegt worden zu sein, für
den heutigen Anspruch zu wenig. Doch eines bleibt: Shockwave ist Europas
einziger Stand Up Coaster.
Die Station selbst wurde aufgestelzt und führt
über die Rundladestation des Rapid River. 24 Personen können
gleichzeitig in einem der beiden knallgelben Züge ihre Stehposition
einnehmen, jeweils vier in einer Reihe. Dabei ist vor allem der
Sicherungsmechanismus gewöhnungsbedürftig. Dies betrifft vor allem
den zweigeteilten Schulterbügel, der durch eine
fahrradsattelähnliche Stütze ergänzt ist.
Irgendwie erinnern Schiene, Zug und selbst die mechanische
Bremskonstruktion an die zahlreichen Kreationen aus dem Hause Bolliger &
Mabillard. Selbst den einen oder anderen Branchenkenner lässt dieses
Erscheinungsbild an der wahren Herkunft zweifeln. Trotzdem ist Shockwave
ein Produkt der Intamin AG, welche bis Mitte der 90er Jahre
verstärkt Konstruktions- und Fertigungskapazität beim Schweizer
Stahlbauer Giovanola beanspruchte. Giovanola ist aufgrund einer
Insolvenz nicht mehr am Markt tätig, doch nur unweit des früheren
Standortes in Monthey befindet sich heute der Firmensitz von
B&M. Deren Köpfe Walter Bolliger und Claude
Mabillard waren bei Giovanola beschäftigt, bevor sie sich Ende
der 80er Jahre selbstständig machten und das Zug- und Schienendesign des
Intamin Stand-Up Coaster zur Perfektion "weiterentwickelten".
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Einfahrt und Ausfahrt der
Corkscrew |
Dem 32 Meter hohen Lifthügel von Shockwave folgt
eine abwärts führende, weite Linkskurve, die in einen geradlinigen
Drop übergeht und in einem Vertikallooping endet. Das Fahrfeeling
ist Stand Up like: Die Schienenführung ist durch die höhere
Fahrposition besser einzusehen, ansonsten bietet sich kein großer
Unterschied zur "normalen" Sitzposition. Dies ist wohl auch ein Grund, weshalb
seit 1999 weltweit keine weitere Bahn dieser Gattung eröffnete.
Drei weitere Inversionen sollen folgen. Dem Vertikallooping
schließt sich die Revolution an, eine 360° Drehung um die
Längsachse bei gleichzeitiger parabelförmiger Streckenführung
über einen Berg. Nichts Besonderes eigentlich, ist dieses von Werner
Stengel kreierte Fahrelement doch auch bei vielen anderen Achterbahnen zu
finden - bei Stand Up Coastern ist es jedoch einzigartig. Apropos
Werner Stengel: Das von ihm gegründete Ingenieurbüro aus
München ist für das komplette Design der Anlage, also die Bereiche
Layout, Dynamik und Statik, verantwortlich.
Zwei Überschläge wurden schon abgespult, doch die
knapp 600 Meter lange Strecke bietet noch mehr. Verlief die Strecke bisher
(fast) parallel zum Lifthill, donnert der Zug nun auf besagtem,
irgendwie innovationslosen Geradenstück an der Station vorbei, um auf die
beiden hintereinandergestellten Corkscrews zuzufahren. Ein einziges Mal
wird die Strecke gekreuzt, dann noch eine weite Rechtskurve und schon folgt die
Schlußbremse. Stehen oder Sitzen, es ändert nicht viel am
Fahrgefühl.
Text und Fotos: Coastersandmore - ng |