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Nemesis - Coasterspektakel zum Quadrat

Inverted Looping Coaster Nemesis im englischen Alton Towers

Es begann im Jahre 1993 in Alton, einem kleinen Ort in der Gemeinde Staffordshire in den englischen Midlands. Dort, im hügeligen Hinterland, wurde vor über 15 Jahren der Grundstein für einen der erfolgreichsten Freizeitparks der Insel gelegt: Eine Loopingbahn, die ihresgleichen sucht, ein Inverted Coaster der Extraklasse. Obwohl gerade einmal 700 Meter lang und keine 30 Meter hoch, bietet dieses Werk eine intensive Erfahrung, die manch großen Stahlkoloss in den Schatten stellt.

Nemesis ist der Name: Untergang, Vergeltung. Nemesis ist ein Wesen aus einer anderen Dimension. Woher es kommt ist bis heute ein Rätsel. Es existieren verschiedene Theorien, doch keine vermag gänzlich zu überzeugen. In Alton Towers regieren die Legenden, und Nemesis ist eine davon. Bei den Erdarbeiten für die neue "Geheimwaffe" des Parks sei "es" plötzlich "real" geworden.

Die Detonationen der Sprengsätze, mit denen harter Fels pulverisiert wurde, sollen das Wesen aus seinem Tiefschlaf geholt haben. Nemesis wurde zu einer ernsten Gefahr und hinterließ Spuren der Verwüstung, bis es durch ein Netzwerk aus tonnenschweren Stahlstreben gebändigt werden konnte. 250 Tonnen lasten auf dem Monster und ließen das ihn umgebende Erdloch zu seinem Gefängnis werden - bis heute.

Nemesis Inferno im Thorpe Park

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Wir schreiben das Jahr 2003, der Freizeitpark- und Museumsbetreiber Tussauds, unlängst stetig expandiert, rief zum zweiten Male die Verantwortlichen seines Megaerfolges zusammen. Das Ziel war klar definiert: Eine weitere Destination sollte in den Genuss dieser fruchtbaren Zusammenarbeit kommen. John Wardley, Designer und Themenparkconsultant, und Bolliger & Mabillard, Achterbahnhersteller aus der Schweiz, ließen ihrer Kreativität wieder freien Lauf. Das Ergebnis ist ein Inverted Coaster, mit eigenem Profil. Die kühle, beängstigende Atmosphäre des düsteren Erdloches sollte Nemesis Inferno nicht bieten, vielmehr geht es heiß und feurig zu.

Südwestlich des Großraums London, einige Kilometer vom International Airport Heathrow entfernt, ragt das neue Machwerk 29 Meter in die Höhe und überschattet den Freizeitpark auf seine Weise. Calypso Quay, Thorpe Parks farbenfroher tropischer Themenbereich, wird von einem aktiven Vulkan heimgesucht. Die einstige Idylle des Paradieses ist bedroht. Mittendrin die Loopingbahn, die zu einem eindrucksvollen Ritt über die brodelnde Erde einlädt. Deren Fahrerlebnis lässt zwar die Originalität der ersten Nemesis vermissen, weiß aber durch ein kompaktes Layout zu punkten. Fern des fast schon unbezahlbaren Gigantomaniedenkens begeistern auch die kleineren "Maschinen" aus dem Hause B&M die Sinne auf andere Art und Weise.

Nemesis Inferno im Überblick: Im Vordergrund die Interlocked Corkscrews, im Hintergrund der Lifthügel, First Drop, Vertikallooping, Steilkurve und Stationsbremse

Nemesis in Alton Towers

Links: Nemesis steht Kopf - Mitte: Der an einer Steilwand installierte Vertikallooping - Rechts: Tal nach dem First Drop

Zurück zum Ursprung des Erfolges, der legendären Nemesis in Alton Towers. Vier Jahre nach der Übernahme des hügeligen Areals mit seiner imposanten Burganlage im Mittelpunkt durch die Tussauds Group sollte eine neue Achterbahn den Weg Richtung Themenpark ebnen. Etwas Einzigartiges sollte geschaffen werden, etwas, von dem noch in zehn Jahren gesprochen werden würde: Für Nemesis wurde ein Achterbahnkonzept umgesetzt, welches bis dahin weitgehend unbekannt war.

In einer Sitzposition ähnlich der eines Sesselliftes rauschen die Fahrgäste mit baumelnden Füßen unterhalb der Stahlschiene entlang. Jede Bewegung des Schienstranges wird dabei von der Gondel ohne einen zusätzlichen Freiheitsgrad umgesetzt. Inversionen wurden somit im Vergleich zu den verwandten Suspended Coastern fahrbar gemacht. Ein starkes Konzept Achterbahn, welches auf die Ingenieure Walter Bolliger und Claude Mabillard zurückzuführen ist.

Fakten zu Nemesis

Erster B&M Inverted Coaster in Europa mit Thematisierung, die heute Kultstatus hat

Höhe Struktur über Boden

13 Meter

Höhendifferenz First Drop

31 Meter

Schienenlänge

716 Meter

Max. Geschwindigkeit

80 km/h

Inversionen

4: Corkscrew, Zero-G Roll, Loop, Corkscrew

Netto-Fahrzeit

75 Sekunden

Fahrzeuge

2 Züge, 7 Wagen pro Zug, 4 Plätze pro Wagen

Hersteller

Bolliger & Mabillard, Monthey, Schweiz

Betreiber

Alton Towers, Alton, Grossbritannien

Eröffnung

19. März 1994

• Link zur offiziellen Webseite von Alton Towers

Der Schlüssel zum Erfolg der "Geheimwaffe" Nemesis liegt aber vor allem in der landschaftlichen Eingliederung der Bahn. Der damaligen Betreibergesellschaft Tussauds ist es seitens der Gemeinde untersagt gewesen, die Bahnen in Alton Towers höher als die natürlichen Baumwipfel zu errichten. Die Konsequenz: Es ging in die Tiefe. Auf einem etwas abschüssigen Gelände wurde eine gigantische Grube ausgehoben, Felsen gesprengt und Wasserläufe angelegt. Mittendrin tragen rostbraune, verwitterte Stahlröhren den grauen Schienenkasten. Die Loopingbahn spielt dabei regelrecht mit dem natürlich ausgestalteten Setting. Der Vertikallooping wurde in eine Felsspalte eingebaut, die erste Abfahrt folgt einem tiefroten Wasserfall und der Heartline Spin führt haarscharf an den Tentakeln des mysteriösen Wesens vorbei. Selbiges fungiert gleichzeitig als Station.

Ein Kettenlift bringt den achtreihigen Zug zügig auf seine Ausgangshöhe, langsam nimmt das Gefährt Fahrt auf und stürzt nach einem scharfen Halbkreisbogen einen blutigen Tränenstrom hinunter. Die Füße scheinen fast den Wasserlauf zu berühren, schon schleudert eine räumliche Schraube die Insassen zehn Meter in die Luft, über die Wartenden hinweg, hinein in eine für die Geschwindigkeit extrem enge 270° Helix. Ohne Atempause wird ein Fahrprogramm abgespult, welches seinesgleichen sucht: Ausgeprägte Auf- und Abfahrten und die damit verbundene Airtime vermisst man allerdings. Mehrfach kreuzt der Trackverlauf die Warteschlange, welche durch ihren geschickt angelegten Verlauf in Interaktion mit der Loopingbahn tritt: Haarscharf rast der Zug über die Köpfe hinweg, an anderen Stellen verhindern nur noch Stahlzäune den direkten Kontakt zwischen Mensch und Maschine. Langeweile ist in der Queue ein Fremdwort. Trotzdem bleibt der wahre Streckenverlauf verborgen.

Je näher das Gefährt dem Wesen kommt, desto wilder wird die Fahrt: Eine 360° Drehung führt über die Station, vorbei an einer schroffen Felswand, hinein in eine enge Kehrtwende, die den Zug in eine tiefe Felsspalte entlässt: Unter einem das blutgetränkte Wasser, dann reißt es einen in die Höhe, über Kopf und hinein in einen bedrohlich schmalen Tunnel. Das dumpfe Röhren des Kastenträgers hallt entgegen, dann wieder Licht: Noch einmal geht es in eine Senke, die Spannung erreicht ihren Höhepunkt. Ein unerwarteter Flatspin bildet den krönenden Abschluss dieser Tour de Force, dreht die Fahrgäste zum vierten Mal über Kopf und entlässt sie in die letzte Kurve.

Nach einer Fahrt wird eindeutig, warum Nemesis Kultstatus gebührt: Kurz, schnell, heftig und düster. Der Main Ride des Forbidden Valley, dem verbotenen Tal, hält, was er verspricht.

Nemesis Inferno im Thorpe Park

Links: Vertikallooping - Mitte: Ausfahrt der ersten Corkscrew in die Steilkurve - rechts: Der Zug direkt in der Corkscrew

Die Messlatte liegt hoch, die Erwartungshaltung an die neue Schwester im 250 Kilometer entfernten Thorpe Park ist gewaltig: Wieder ein Inverted Coaster, wieder das gleiche Team, nur ein anderer Park. 1998 wurde das Areal von Tussauds übernommen, und seitdem folgte eine Neuheit der anderen: Pirates 4D, der Shoot the Chute Tidal Wave und der 10-fach Multilooper Colossus waren die Highlights bis 2003 Nemesis Inferno, Coaster Nummer vier realisiert, und der absolute Schritt in Richtung gethemtem Thrillpark eingeschlagen wurde.

Rot ist die dominierende Farbe, rot ist die Schiene, rot wie ein flammendes Inferno. Eine Vulkanreplik dient als Station, ein brodelndes Terrain als feuriges Setting. Dieses wurde zwar nicht in Fels gesprengt, bietet aber eine Fülle an Details. Die Fahrt beginnt ungewöhnlich: Aus knapp zehn Metern Höhe beschleunigt der Zug eine geneigte Rechtskurve hinab, direkt hinein in einen mit Wassernebel getränkten, teilweise in feurig rotes Licht getauchten Tunnel. Die schwungvolle S-Kurve im Innern des Vulkans kommt überraschend, dann geht es wieder ans Tageslicht. Es folgt eine weite Linkskurve über einen angedeuteten Lavastrom, und schon wartet der 29 Meter hohe Lifthügel auf den hängenden Zug.

Fakten zu Nemesis Inferno

Inverted Coaster, welcher um eine künstliche Vulkanstation angelegt wurde

Gesamthöhe

29 Meter

Schienenlänge

750 Meter

Max. Geschwindigkeit

77 km/h

Max. Beschleunigung

4.5g

Inversionen

4: Loop, Zero-G Roll, Interlocking Corkscrews

Netto-Fahrzeit

100 Sekunden

Fahrzeuge

2 Züge, 7 Wagen pro Zug, 4 Plätze pro Wagen

Hersteller

Bolliger & Mabillard, Monthey, Schweiz

Betreiber

Thorpe Park, Chertsey, Grossbritannien

Eröffnung

18. Juni 2001

• Link zur offiziellen Webseite vom Thorpe Park

Im hinteren Bereich der Anlage geht es in die Höhe, dann startet das Abenteuer richtig. Als "B&M klassisch" könnte man diesen zweiten Drop und seine nachfolgenden beiden Inversionen bezeichnen: Die Abfahrt dreht um 180°, führt in einen parallel zum Kettenlift positionierten Vertikallooping und in die anschließende, etwas zaghaft angedeutete Zero-G-Roll. Ein bekannter Auftakt, der auf den zahlreichen baugleichen B&M Batman-Bahnen in den USA wie auch Europa zu finden ist.

Ein Unterschied ist jedoch vorhanden: Man kann richtig nass werden. Wasserfontänen am Ein- und Ausgang des Loopings feuern das kühle Nass auf die Mitfahrer. Bei ungünstigen Windverhältnissen ist eine Dusche vorprogrammiert. Die Wassereffekte sind ein interessantes Extra am Rande eines angedeuteten Vulkansees.

Zwei Kopfsteher waren schon dabei, zwei weitere sollen folgen. Eine weite Rechtskurve führt vorbei an der Vulkanstation in den Vorderbereich der Anlage, in dem sich zwei ineinander verdrehte Flatspins ihr Stelldichein geben. Die einem klassischen Korkenzieher ähnlichen Fahrfiguren sind derart miteinander verbunden, dass eine scharf geneigte Kehrtwende das Bindeglied bildet. Überschlag, Quersteher und der letzte Gedankenverdreher. Dieses Arrangement ist in seiner Art zwar nicht einzigartig, mehrere B&M Sit-Down und Floorless Coaster nennen es ihr Eigen, doch bei Nemesis Inferno ist es die Premiere für einen Inverter.

Nun schraubt sich der Zug noch eine dreiviertel Helix rechtsherum empor und fährt dann wieder in Richtung Lifthill. Es folgt eine aufwärts gerichtete 230°-Linkskurve, und schon hat der Zug seine Ausgangshöhe erreicht. Die Bremsplattform bildet den Abschluss dieses feurigen Coastertrips, der wie das Vorbild Nemesis ohne Blockbremse daherkommt. Zwei Züge sind also das Maximum.

Und das Fazit? Nemesis Inferno ist eine actiongeladene Bahn, die durch ihren ungewöhnlichen Auftakt jedoch subjektiv etwas zu kurz erscheint: Mit einer Streckenlänge von 750 Meter ist sie zwar länger als der Ritt in den Midlands, doch der perfekte Spannungsbogen der älteren Schwester wird vermisst. Positive G-Kräfte, wieder maximal 4,5g, findet man auch bei Nemesis Inferno, doch die absolute "Geheimwaffe" in Sachen Inverted Coaster steht in Alton Towers. Trotzdem: Der Vergleich hinkt, denn beide Anlagen haben ihren eigenen Charakter.

Impressionen von Nemesis Inferno

Text und Bilder: Coastersandmore - jp

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