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Disneys Matterhorn Bobsleds - Die Entstehungsgeschichte

Totalaufnahme vom Matterhorn in DisneylandLuftaufnahmeAbfahrt in das Wasserbecken

Die Matterhorn im Disneyland ist eine der bekanntesten Achterbahnen mit Wasserung

Zwischen den Themenländern Fantasyland und Tomorrowland gelegen, in direkter Nachbarschaft zum Dornrösschenschloss, findet der Besucher des Disneylands in Kalifornien ein Juwel des Achterbahnbaus. Disneys "Matterhorn" wurde 1959 eröffnet und war seiner Zeit rund zehn Jahre voraus - technisch wie auch visuell. Noch nie zuvor wurde eine Achterbahn in einer derart aufwendigen und naturgetreuen Kulisse präsentiert.

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Die Thrillattraktion bot als eine der ersten Bahnen weltweit Rundrohre als Schienenprofil, die windschnittigen Bobschlitten wurden mit stoßhemmenden Polyurethanrollen ausgestattet und ein einfaches Regelungssystem sorgte dafür, dass bis zu zehn Fahrzeuge gleichzeitig dem engen und kurvigen Schienenrund mit seinen zahlreichen Auf- und Abfahrten absolvieren konnten. Mit einer Investitionssumme von 1,5 Millionen US-Dollar, ein für damalige Verhältnisse sehr hohes Budget, erschuf Walt Disney eine 45 Meter hohe Replik des berühmten Schweizer Wahrzeichnens

Zwei jeweils etwa 700 Meter lange, eng verschlungene Schienenparcours führen einen 25 Meter hohen Kettenlift hinauf, um vorbei an Yetis, Wasserfällen und durch dunkle Höhlen und Eiskavernen stetig an Fahrt aufzunehmen. Die zwei aneinander gekoppelten Viererbobs üben ein Wettrennen aus, welches zwei Minuten nach Aufbruch zum Matterhorn mit einer Wasserung in einem Alpsee endet.

Links: Zum finale durchfahren die Bobschlitten einen Bergsee - rechts: Der Stationsbereich beider Fahrspuren

Vier Jahre nach der Eröffnung Disneylands konnte die Attraktion als Teil eines groß angelegten Erweiterungsprogramms des Tomorrowlands mitsamt Monorail-Einschienenbahn, Autopia-"Rennpiste" und Submarine Voyage an die Besucher übergeben werden. Das Risiko einer derartigen, für die damalige Zeit übermächtigen Attraktion mit einer Fülle von technischen Neuerungen machte sich bezahlt: Für 50 Cent konnte Walt Disneys erster "Berg" bezwungen werden. 1.000 Personen pro Stunde wurden zu Anfang durch das Mattehorn geschleust. Bis heute hat die Attraktion ihre magische Anziehungskraft nicht verloren und ist neben Cinderellas Schloss zum Wahrzeichen Disneylands geworden.

Zwar blieben die Matterhorn Bobsleds einmalig in einem Disney Themenpark, doch ebneten sie den Weg für rund 20 weitere "Mountain"-Attraktionen aus dem Hause Disney: Ob Space Mountain, Big Thunder Mountain oder der in Europa eher unbekannte Splash Mountain - die Abenteuerbahnen aus dem Hause Disney sind legendär und wurden und werden von den Mitbewerbern weltweit imitiert und kopiert.

Die Idee zur Matterhorn Achterbahn

Modell des Disneylands zur Eröffnung 1955 - rot eingekreist ist der Holiday Hill

Die Grundidee zum Schienenabenteuer kam Walt Disney persönlich während er sich eines Tages zusammen mit seinem Konstruktionschef Admiral Joe Fowler auf einer Anhöhe zwischen Fantasyland und Tomorrowland aufhielt. Der Ursprung des etwa sieben Meter hohen Erdhügels ist in der Entstehungsphase des Parks zu suchen, wo die Bautrupps den Aushub für das Fundament des Cinderella Schlosses an einer Stelle anhäuften. Baumbeplanzungen und einige Parkbänke später wurde das noch nicht erschlossene Areal des Disneylands zum Holiday Hill ernannt und bot den Besuchern eine Picknickfläche nebst Aussichtspunkt über die Main Street und Fantasyland. Später wurde dann auf dem Hügel ein Stahlturm für die parkeigene Seilbahn errichtet.

Disney selbst hatte weit größere Pläne für den Erdhügel, die er Joe Fowler 1956 mitteilte: Warum sollte man nicht auf dem Hügel Schnee verteilen und eine klassische Toboggan Bahn errichten. Techniker Fowler schüttelte nur den Kopf: Schnee in Kalifornien war nicht handhabbar. Doch wenn Walt Disney sich etwas ausmalte sollte es irgendwann Realität werden.

Als ihm ein halbes Jahr später ein Angestellter einen Zeitungsausschnitt über einen Wilde Maus Achterbahn zeigte, fing er Feuer. In Kombination mit künstlichem Schnee und einer Kulisse könnte die Idee einer rasanten, kurvenreichen Achterbahn auf seinem "Schneeberg" vielleicht weit besser umgesetzt werden als die ursprüngliche Toboggan Idee. Artikel und Pläne gab er kurzerhand an seine Künstler und Techniker von WED, der Walt Elias Disney Enterprise, die ein Konzept mit dem Ziel ausarbeiten sollten, ein rasantes Rennen von Bobschlitten innerhalb eines kurvigen Hügelterrains zu realisieren.

Rechts: Walt Disney stellt persönlich das Konzept der Matterhorn Bobselds vor

Der Zeitrahmen für die kleine Imagineering-Gruppe, die erst wenige Jahre zuvor unter Hochdruck das Disneyland fertig gestellt hatte, war eng gesteckt: Walt Disney ließ kurzerhand Ende 1957 den Picknickhügel abtragen, um gemäß seinen Plänen knapp zwei Jahre später einen künstlich geschaffenen Berg mitsamt einem zweifach ausgeführten Achterbahnparcours zu eröffnen. Dabei spukte das Wilde Maus Fahrsystem noch immer in den Köpfen aller Involvierten. Große Alternativen gab es Ende der 50er Jahre nicht auf dem Markt: Die typischen aber zu jener Zeit raren Holzachterbahnen erschienen nicht praktikabel, da der Baugrund sehr kompakt war und die Holzgerüste den ständigen Lastzyklen im 365 Tage im Jahr geöffneten Disneyland nicht gewachsen sein würden. Erste, vereinzelte und mitunter recht grosse Stahlachterbahnen präsentierten sich auf der weltweiten Bildfläche. Sie nutzten Profil- oder Eisenbahnschienen als Streckenführung. In Europa fanden sich immer mehr von italienischen Produzenten gefertigte kleine Figur-8 Stahlachterbahnen mit Einzelwagen, welche durch Täler schossen und hoch platzierte Kurvenzüge absolvierten. Doch selbst ein derartiges Layout war für die kleine, kreisrunde Fläche zu weiträumig gestrickt. Walt Disney wollte in die Höhe - und das um jeden Preis. So wurde kurzerhand im Souvenirheft 1958 der Snow Mountain angekündigt. Rund anderthalb Jahre vor der angestrebten Eröffnung waren aber weder die thematische Gestaltung festgelegt, noch Fahrsystem und Konstruktionspläne entwickelt.

Im gleichen Jahr hielt sich Walt Disney für eine Woche im schweizerischen Zermatt auf, um den Film Third Man on the Mountain zu drehen, welcher von einem jungen, unerfahrenen Schweizer Bergsteiger handelt, der das unberechenbare Matterhorn bezwingen wollte. So wie die Filmfigur fühlte sich auch Walt Disney von dem über 4.000 Meter hohen Berg magisch angezogen. Er schickte so schnell wie möglich eine Postkarte des Matterhorns mit nur zwei Worten an seine Imagineers in Kalifornien: "Build this" stand auf der Rückseite der Karte. Der knappen Anweisung wurde kurzerhand Folge geleistet und man begann sofort ein Projektteam zusammenzustellen: Imagineer Vic Greene sollte das Projekt leiten, Joe Fowler wurde eingespannt, um die Konstruktion umzusetzen, und Bob Gurr war für das Fahrsystem verantwortlich.

Konstruktion und Umsetzung

Binnen eines halben Jahres entstand aus dem Nichts eine Achterbahn

Die Künstler und Kreativen von WED hatten schnell anhand von weiteren Postkartenmotiven und einem Artikel im National Geographic erste Skizzen und Zeichnungen fertig gestellt, welche die Atmosphäre der Bergnachbildung im Maßstab 1:100 widerspiegelten. Für die weitere Planung und Umsetzung waren die Designskizzen aber nicht ausreichend. Das erste Modell, das Harriet Burnes und Fred Joerger in Handarbeit aus einzelnen Plattenelementen aufschichteten, war gerade einmal 35 Zentimeter hoch. Die äußere Hülle des plastisch geformten Matterhorns gefiel Walt Disney sofort, doch die Projektbeteiligten der technischen Abteilungen begannen zu zweifeln. Der 45 Meter hohe Berg war kein geometrisch einfach geformtes Gebilde wie etwa ein mehrstöckiges Hochhaus, hatte viele Rücksprünge und gleichzeitig sollte er noch insgesamt 1.400 Schienenmeter beherbergen. Zudem mussten noch die Gondeln der Seilbahn vom Fantasyland zum Tomorrowland durch das Bergmassiv fahren können.

Die einzelnen Bauabschnitte sind deutlich zu erkennen (von oben nach unten): Fertige, bemalte Felskulisse, Einhausung für Modellierungsarbeiten des Betons, Installation der Stahlmatten auf dem Holzmantel, Stahlstruktur

Trotz der Zweifler war die Umsetzung des Matterhorn-Traums für Disney eine beschlossene Sache und so gab er grünes Licht, vom ersten Modell weitaus größere Versionen herzustellen. Diese wurden in drei Ausführungen gebaut: Zuerst eine Gipsvariante, welche die äußere Kontur im Detail abbildete, dann ein Stahlskelett der Struktur mit geplantem Streckenverlauf der Achterbahnschiene sowie eine komplett mit Miniaturbäumen bedeckte, stilecht schattierte und nach der Schneegrenze geweißelte Replik des Matterhorns. Die Modelle wurden schließlich den einzelnen Abteilungen zur Verfügung gestellt, um Pläne zu zeichnen und den Malern auf der Baustelle zu verdeutlichen wie die Betonfassade mit Farbe zu beaufschlagen ist.

Die Kreativabteilung leistete schnell produktive Ergebnisse, doch Walt Disney musste trotz seiner optimistischen Planung eingestehen, dass die Zweifel unter seinen Technikern nicht gänzlich unberechtigt waren. Da seine Imagineers fast ausschließlich eine künstlerische Ausbildung abgeschlossen hatten, die meisten kamen aus der Filmindustrie Hollywoods, wurde kurzerhand das Ingenieurbüro Wheeler & Gray beauftragt, das Modell in ein adäquates, möglichen Erdbeben sicher stand haltendes Stahlkonstrukt aus geschraubten und geschweißten Stahlprofilen umzusetzen. Diese dienen als Skelett für die Außenhülle aus Holz und Beton und nehmen gleichzeitig die Lasten der Achterbahnschienen und der Wagen auf. Das externe Ingenieurteamschaffte es schließlich, das "reale" Modell des Matterhorns in Rekordzeit umzusetzen.

Anfang 1959 wurde das Stahlskelett aus 2.175 einzeln zugeschnittenen Profilelementen in Rekordzeit von wenigen Monaten errichtet. Für die Fertigung und Montage beauftragte Disney das Stahlbauunternehmen American Bridge. Danach wurden das tragende Gerippe durch einen Holzunterbau ausgeformt. An diesem wurde Stahlmatten befestigt, welche schließlich mit Zement überspachtelt wurden, um das Bergmassiv auszugestalten. Der Bautrupp startete dabei an der Spitze des "Matterhorns", um sich zunächst 45 Meter nach unten vorzuarbeiten. Diese Vorgehensweise erlaubte das gleichzeitige Auftragen von Zement, dessen Bearbeitung zu Felsformationen und die Bemalung beziehungsweise Bepflanzung. Wäre man wie üblich in entgegengesetzter Richtung vorgegangen, wäre man Gefahr gelaufen, dass der Zement der Schwerkraft folgend auf nach unten fertig gestellte Szenerien fällt. Im engmaschig gestrickten Zeitplan hätte dies die Eröffnung platzen lassen können.

Zusätzlich wurden vier Wasserfälle und ein Alpensee angelegt sowie die Bepflanzung mit Miniaturfichten fertig gestellt. Dabei wurde die Größe der Bäume mit bedacht gewählt, um der gezwungenen Perspektive zu folgen mit der Höhe an Größe abzunehmen. Walt Disneys Matterhorn überragt bis heute mit seinen 45 Metern Höhe sämtliche Bauwerke im Disneyland.

Die Herausforderung mit der Achterbahntechnik

Aufriss von Disneys Matterhorn, welches die unterschiedlichen Fahrebenen auf 3/5 der Höhe des künstlichen Bergmassivs zeigt

So schnell wie die Arbeiten am Bergmassiv vorankamen, so zäh gestaltete sich die Planung und der Bau der eigentlichen Achterbahntechnik. Bauleiter Joe Fowler kontaktierte bereits 1957 die Konstrukteure Ed Morgan und Karl Bacon von Arrow Development, einer Firma, die in der jungen Geschichte des Disneylands schon das ein oder andere Fahrsystem geliefert hatte. Eine turbulente und derart anspruchsvolle Achterbahn inmitten dem engen Fachwerk von Stahlträgern zählte jedoch nicht zu den Referenzen der beiden kalifornischen Techniker. Die Tüftler nahmen ihre Arbeit im Jahre 1958 auf, wobei Augenmerk auf die Ausgestaltung des Schienenlayouts gelegt wurde. Ziel war es das Gefälle derart anzupassen, dass die Bobs nicht zu schnell wurden oder zu stark an Geschwindigkeit verlieren, wenn sie durch Steilkurven oder Auf- und Abfahrten brettern. Dabei musste vor allem die Interaktion mit der Stahlstruktur des engen Gebäudes und der zweiten Strecke beachtet werden. Fowler gab Arrow ein vorläufiges Stahlskelett als Vorgabe, in das sie die von Bob Gurr grob vorgegebene Fahrstrecke implementieren sollten. Die Lücken zwischen den einzelnen Trägern musste die Firma aus Mountain View in Kalifornien mit zusätzlichen Auflagepunkten für die spätere Zweigurtschiene überbrücken. Gerade einmal zehn Monate gab Disney den Spezialisten Zeit, wohl wissend, dass ihre eigene Abteilung in Sachen Fahrtechnik versagt hatte. So planten Arrow und Wheeler & Gray parallel an Tragwerk und Achterbahn.

Walt Disneys Vorgabe, im engen, mehrgeschossigen Matterhorn eine turbulente Achterbahn zu installieren, deren Technik bislang noch nicht einmal entwickelt und getestet war, entwickelte sich zum Sorgenkind bei WED. Ingenieurveteran Bob Gurr verzweifelte regelrecht an der Herausforderung, gleichzeitig ein spektakuläres Fahrsystem zu installieren und dennoch eine komfortable Fahrt im engen Stahlskelett des Matterhorns zu bieten, bei denen die Mitfahrer nicht mit den Hände an die Träger anschlagen durften. Zudem legte man sich frühzeitig fest, die Schiene aus offenen Stahlprofilen zusammenzuschweißen. Eine derartige Konstruktion nutzten auch die ersten italienischen Stahlachterbahnen in den 50er Jahren, welche die Verantwortlichen bei Disney genauer studiert hatten.

Sein Team kreierte frühzeitig für Walt Disney einen Prototypen, der in der herrlichen Kulisse eines japanischen Gartens präsentiert wurde. Die Künstler legten schon damals sehr viel Wert auf eine perfekte Darbietung. Doch das Fahrsystem mit einer Schiene aus klassischen Stahlwinkeln sollte sich als nicht funktionsfähig erweisen. Bei der Präsentation gab Joe Fowler schließlich die Verantwortung für die geometrische Ausgestaltung nebst Fertigung der Schiene an Arrow Development, welche in der eigenen Werkstatt aus Stahlrohren eine 20 Meter lange Strecke mit Auf- und Abfahrt zusammengestellt hatten.

Das Fahrwerk besteht aus zwei Achsen mit je zwei Laufrollen und vier Seitenrollen für die Spurführung - Stahlwinkel umfassen das Schienenrohr an der Unterseite und verhindern ein möglichen Herausschleudern der Fahrzeuge aus der Schiene

Die Pioniere von Arrow setzen auf ein geschlossenes Rundrohr als Schiene, welches weitaus präziser zu biegen war und somit die engen und waghalsigen aber trotzdem auch sanft fahrbar gestalteten Fahrfiguren inmitten des Matterhorns ermöglichte. Für Arrow war das Einbiegen von fast 3.000 Metern Stahlrohren eine Herausforderung, die jedoch in kürzester Zeit gemeistert wurde.

Fakten zu den Matterhorn Bobselds

Weltweit erste Stahlachterbahn mit Rundrohren und Kunststoff Rollen inmitten eines thematisierten Bergmassivs

Schienenhöhe

25 Meter

Schienenlänge

Track A: 620 Meter

Track B: 650 Meter

Max. Geschwindigkeit

30 km/h

Fahrzeit

Track A: 127 Sekunden

Track B: 146 Sekunden

Fahrzeuge

20 Züge mit 2 Wagen; 4 Plätze pro Wagen

Theoretische Kapazität

2400 Personen pro Stunde

Hersteller

Arrow Development, Mountain View, USA

Betreiber

Disneyland, Anaheim, USA

Eröffnung

14. Juni 1959

• Link zur offiziellen Webseite des Disneylands

Nun galt es die letzte Hürde zu nehmen und das Fahrzeug fertig zu stellen. Diese Aufgabe sollte durch WED erledigt werden, doch die hauseigenen Designer kamen auch hier nicht voran. Kurzerhand baute Arrow Development ein eigenes Mock Up mit den heute für Stahlachterbahnen so typischen Fahrwerk aus Lauf- und Seitenrädern und einen Stahlschuh, welcher die Unterkante des Schienenrohrs umfasste, um ein Abheben der Züge zu verhindern. Der Arrow Bobschlitten, deren vier hintereinander sitzende Mitfahrer im Gegensatz zum eigentlich geplanten Wilde Maus Wagen tief im Fahrzeug saßen, wurde kurzerhand von Walt Disney für die Produktion freigegeben. Die Sitzfläche liegt leicht oberhalb der Schienenoberkante, was den Effekt einer turbulenten Bobfahrt noch verstärken sollte. Zudem waren so die Kräfte auf die Insassen weitaus effizienter zu kontrollieren, da sie quasi ohne Hebelarm mitten auf der Schienenebene fuhren und nicht wie beim Wilde Maus Wagen bis zu einem Meter oberhalb der Fahrspur. Für die Minimierung der Querbeschleunigungen war dieser technische Aspekt nicht zu verachten.

Das Fiberglas Chassis wurde vorne und hinten mit einer 60 Zentimeter langen, schaumgefüllten Nase sowie an der Rückseite mit einem Puffer ausgestattet, um bei nicht funktionierendem Blocksystem einen Auffahrunfall so sanft wie möglich zu gestalten. - Immerhin sollten nach Walt Disneys Vorgabe zehn Wagen gleichzeitig die jeweils 700 Meter lange Strecke in einem Abstand von weniger als 30 Sekunden befahren.

Arrow wagte noch weitere kühne Entwicklungssprünge, mit dem Ziel eine familienkompatibles Fahrvergnügen mit Airtime, Helices und wilden Kurvenfiguren zu bieten. Statt der für Achterbahnen typischen Stahlrollen wollte man auf ein Kunststoffpolymer zurückgreifen, welches die Fahr- und Geräuscheigenschaften auf eine bis dato gänzlich unbekannte Komfortstufe anheben sollte. Die engere Wahl fiel auf Nylon oder Polyurethan, beides Werkstoffe, die sich leicht gießen und nach der Aushärtung einfach bearbeiten lassen. Zudem weisen sie Härten auf, die gegenüber Gummirollen oder Autorädern deutlich weniger Verformung aufweisen und so weitaus weniger Energie des nicht motorisierten Fahrzeuges durch Verformungsarbeit umgesetzt wird. Dies war essentiell wichtig, denn die von Disney vorgegebene Ausgangshöhe von 25 Metern gestaltete sich für die nachfolgenden 650 Schienenmeter mitsamt der engen Kurvenzügen, in denen die Seitenrollen belastet werden und weitere Reibung generieren, als überaus ernst zu nehmende Aufgabe. Stahlrollen würden zwar garantieren, dass die Wagen problemlos die Station erreichen, doch die ruppigen Fahreigenschaften waren für eine derart turbulenten Schienenparcours nicht erwünscht. Nach Dauerversuchen, bei denen die Rollen 24-stündige Belastungstest absolvierten, entschied sich Arrow für Polyurethan, einem Werkstoff aus dem deutschen Hause Bayer, deren amerikanische Rechte der Chemieriese DuPont inne hielt. Vor allem die Zusicherung Du Ponts, bei Problemen mit den Rollen Unterstützung zu leisten, ließ Karl Bacon und Ed Morgan an diesem Kunststoffprodukt festhalten.

Der Reibradantrieb mit Schwungrad in der Patentschrift (links) und in der Ausführung (rechts)

Nachdem Schiene, Fahrzeug- und Radsystem festgelegt und in Produktion waren, nahm sich Arrow Development dem Blocksystem an. Um einen hohen Personendurchsatz pro Stunde zu ermöglichen, sollten bis zu sechs Bobs gleichzeitig die beiden Strecken ausserhalb des Stationsbereiches entlangfahren können. Im Gegensatz zu heutigen, modernen Achterbahnsteuerungen, welche standardisierte Computertechnik verwenden, musste Arrow ein eigenes Regelungssystem entwickeln - der Computer war Ende der 50er Jahre noch nicht ausgereift. Vereinzelte Skid Brakes entlang der Strecke ermöglichen es, die Fahrzeuge zu stoppen. Dazu wird mittels Luftdruck eine waagerecht zur Schienenebene platzierter Eisenträger einige Millimeter emporgefahren, auf denen die Fahrzeuge aufschwimmen und schliesslich stoppen. Das System wurde von Technikern im Kontrollraum gesteuert. Eine simple aber geniale Idee erleichterte ihre Aufgabe deutlich: Entlang der Strecke wurden an strategischen Punkten 25 Booster Brake Räder installiert, die mit einem Motor auf die theoretische Geschwindigkeit der Fahrzeuge gebracht wurden.

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Ed Morgan und Carl Bacon erkannten frühzeitig, dass leere und voll beladene Fahrzeuge insbesondere in Kombination mit den gewählten Kunststoffrollen auf dem Parcours gänzlich unterschiedliche Geschwindigkeiten erreichen würden. Nimmt dabei ein schweres Fahrzeug die Verfolgung eines nicht beladenen Bobschlittens auf, wäre ein Auffahren die unmittelbare Folge. Die ständig mit einer vorab eingestellten, konstanten Geschwindigkeit laufenden Reibräder sollten die schnellen Wagen abbremsen und langsamere Bobs beschleunigen. Damit die mehrere hundert Kilogramm schweren Fahrzeuge die Reibräder nicht signifikant abbremsen oder beschleunigen können, wurden die Räder an Schwungmassen gekoppelt, wodurch die Trägheit des Rades deutlich erhöht wurde. Dadurch wurde ein ähnliches Fahrverhalten aller Bobs realisiert und die kurzen Zeitintervalle von bis zu 24 Sekunden zwischen den Fahrzeugen konnten garantiert werden.

Links: Schematisches Layout - Rechts: Die Wasserung gehört zum Markenzeichnen der Matterhorn Bobsleds

Zudem war jedes Booster Rad mit einem Drehzahlmesser ausgestattet, der im Kontrollraum überwacht wurde. Fiel die Geschwindigkeit bei Überfahrt eines Wagens zu stark ab oder wurde das Rad deutlich beschleunigt, konnten die Techniker Massnahmen ergreifen und die Wagen einbremsen. Für den Fall der Fälle wurde die 60 Zentimeter lange Bobnase mit Schaumstoff gefüllt, um bei einer Auffahrsituation auf den nächsten Wagen die Energie des Aufpralls abzuschwächen.

Für den finalen Splash-Effekt der Mattorhorn Bobselds war Arrow ebenfalls mitverantwortlich, wenn man auch nur aus der Not eine Tugend machen wollte: Ursprünglich wurde es als notwendig angesehen, dass der Bobwagen am Ende des Parcours durch ein Wasserbassin fährt, um die neuartigen Kunststoffrollen zu kühlen, die sich durch die Rollreibung während der Fahrt erwärmten. Zusätzlich sollte die Wasserung als Bremse dienen, denn mit dem Wasserspiegel konnte die Bremsung der Fahrzeuge spielend kontrolliert werden. Da dieses Szenario jedoch in Augen von Carl Bacon und Ed Morgan einen drastischen Eingriff in die Gestaltung des Berges bedeuten würde, entschied man sich, Walt Disney über das Wasserbecken zunächst nichts zu erzählen. Während eines Treffens bekamen beide dann aber mit, dass die Imagineers einen Alpsee mit künstlichem, 15 Meter hohen Wasserfall planten, durch denen der Bob wie in einer überdimensionalen Wasserrinne zum Finale herunterbrausen sollte. Walt Disney liebte die Idee, dem Wagen zudem einen Splash Down zu bieten, wie es schon auf diversen hölzernen Shutes the Chutes vor Jahrzehnten realisiert wurde - "We are going to do it" waren seine Worte.

Arrow Development hatte innerhalb der zehnmonatigen Planungs- und Fertigungsphase gewaltige Entwicklungsschritte bewerkstelligt. Trotzdem sollte sich die finale Bauphase und anschließende Inbetriebnahme hektischer gestalten als gedacht. Da während der Planungsphase die Stahlstruktur nur vorläufig festgelegt war und die Bauingenieure ständig Anpassungen vornahmen, mussten diverse Streckenabschnitte neu gefertigt werden, da diese nicht mehr in die vorgesehenen Bauräume der Struktur passten.

Inbetriebnahme und Eröffnung

Trotz der in einem waghalsigen Tempo absolvierten Bauphase und dem schlanken Entwicklungsprozess bei Arrow Development, der durch Walt Disneys schnelle, persönlichen Entscheidungen beschleunigt wurde, konnte das geschlossene Fahrsystem nur wenige Stunden vor der Eröffnung getestet werden. Die ersten Testfahrten wurden noch mit Sandsäcken auf nicht vollständig montierter Brems- und Stationsstrecke absolviert, weshalb die Wagen gegen provisorisch auf die Schiene gelegten Heuballen fuhren. Walt Disney, Joe Fowler und andere Projektbeteiligte nahmen als lebende "Dummies" Platz.

Die Matterhorn Bobsleds eröffneten am 14. Juni 1959 in einer 90-minütigen Live-Übertragung. Obwohl die Themenattraktion nicht vollständig fertig gestellt war, wurde die Achterbahn zu einem Publikumsrenner. Zwar sahen die Besucher von außen die Illusion eines Matterhorns, doch die Fahrt innerhalb der künstlichen Bergstruktur ging vorbei an dem Stahlskelett, welches die Betonfassade trägt. Da Disneys Matterhorn durch die vielen Öffnungen für die Lichträume der Schiene sowie zusätzlich ausgebildete Panoramaöffnungen das eindringende Tageslicht einlud, das offene Interior zu illuminieren, wollte die Illusion einer Fahrt durch Tunnellabyrinthe und Höhlen nicht aufkommen. Nur wenn die Bobs auf den Pass-Etappen das Matterhorn umrundeten und unter den Wasserfällen quasi eintauchten, fühlten sicht die Mitfahrer in die Schweizer Alpen versetzt. Erst 19 Jahre nach der Eröffnung, im Jahre 1978, sollte das Gesamterlebnis der Matterhorn Bobsleds perfektioniert werden.

Matterhorn Bilderserie

Modernisierung und Ausbau

Links: Das Matterhorn im Schatten des Cinderella Schlosses - Mitte: Auf elf Blockbremsen sorgen pneumatisch heb- und senkbare Skidbrakes mit Gummielemeten für kontrollierte Haltemanöver - Rechts: Bis zum Jahre 1994 fuhren die Gondeln des Skyrides durch das Matterhorn

Der Innenausbau der Achterbahn wurde zugunsten von neu zu entwickelnden Shows und Fahrattraktionen für die Weltausstellung in New York 1964 und 1965, welche unter anderem die berühmte Bootsfahrt It´s a small World hervorbrachte, zurückgestellt. Trotzdem wurde der Ausbau der Matterhorn Bobsleds schon in den ersten beiden Jahren nach ihrer Eröffnung durch WED vorangetrieben. Harriet Burns nahm sich der Figur des übergroßen Schneemenschens an, der als animatronische Figur den Fahrgästen versteckt in Eishöhlen auflauern sollte. Doch auch dessen Realisierung sollte noch fast zwei Dekaden auf sich warten lassen.

Nach der Eröffnung von Space Mountain, einer Dunkelachterbahn in Sichtweite zu den Matterhorn Bobselds, im Jahre 1977 schenkten die Imagineers ihrem Klassiker endlich wieder die gebührende Aufmerksamkeit. Gerade wegen der Beliebtheit der Achterbahn wollten die Disney Manager es nicht wagen, die Bahn über mehrere Monate zu schließen. Doch mit Space Mountain gab es einen vergleichbaren E-Ticket Ride, der den Innenausbau und die Modernisierung des Matterhorns zuließ und regelrecht einforderte. Das offene Innenleben des Berges wurde in einzelne kleinere Eishöhlen und dunkle Tunnels unterteilt, Löcher in der Außenhülle wurden gestopft und drei Yetis arrangiert, die mit ihrer zähnefletschenden Fratze die Mitfahrer anbrüllen.

Die Szenerie wurde perfekt ausgestaltet. Und wenn dann noch das Bedienpersonal die Bobs der beiden Seiten vier, fünf Sekunden zeitversetzt abfahren ließ, vermochten sich die Bobschlitten auf ihrer zweieinhalbminütigen Fahrt rund und durch das Bergmassiv an strategischen Punkten zu duellieren - und das noch heute. Mal fahren sie die Strecken parallel zueinander durch Kurven und Abfahrten, dann trennen sich kurzfristig die Wege.

Drei grosse animatronische Yeti-Figuren wurden 1978 dem Fahrterlebnis hinzugefügt

Zudem sah sich das Management durch die ständig steigenden Besucherzahlen gezwungen, die praktisch erzielte Kapazität durch neue Wagenverbünde von 1000 auf 2000 Personen pro Stunde zu verdoppeln. Dazu wurden 50 neue Einzelchassis gebaut, die jeweils paarweise mittels einer Kupplungsstange verbunden wurden. Statt vier Mitfahrern konnten fortan derer acht pro Spur alle 24 Sekunden auf eine Fahrt durch das Matterhorn aufbrechen. Um die größeren Lasten aufnehmen zu können, wurden die Schienen und die Struktur punktuell vor dem Innenausbau verstärkt. Dieser machte auch nicht vor dem Lifthügel halt. Der steile Anstieg im Innern des Berges auf 25 Meter Ausgangshöhe wurde komplett eingehaust und mit Schneesturmeffekten in Form von Projektionen und einem pfeifenden Wind als Soundeffekt versehen, die auf das anschließende Fahrabenteuer vorbereiteten. Am Ende des Kettenliftes wurden in absoluter Dunkelheit noch die rot leuchtenden Augen des Yetis installiert, so als ob dieser den Bobs auf ihrer Fahrt durch das Netzwerk aus Höhlen und Tunnels hinterher jagen würde.

Die im Juni 1978 neu eröffneten Matterhorn Bobsleds erfreuten sich einem regelrechtem Besucheransturm. Die Idee und Faszination Walt Disneys, in halsbrecherischem Tempo durch das Bergmassiv zu rasen, wurde zwar erst nach seinem Tod verwirklicht, doch die Attraktion erfährt bis heute immer wieder Erweiterungen und technische Neuerungen. So wurde 1994 die Skyway Seilbahn demontiert und die großen Durchbrüche im Matterhorn verschlossen. An ihrer Stelle wurde eine funkelnde Kristallhöhle installiert.

Zudem wurde das Blocksystem überarbeitet. Wie schon der computergesteuerte Space Mountain sollte auch die Matterhorn-Bahn ein zeitgemässes Bremssystem erhalten. Die Industriesteuerung hielt Einzug und mit ihr wurden die elf Blockzonen geschaffen, die durch vorgeschaltete Blockbremsen erst dann für einen Zug freigegeben werden, wenn der Voranfahrende den Block über die nächste Blockbremse verlassen hat.

Da die Matterhorn-Streckenführung nicht ausreichend lange und in ihrer Anzahl genügend gerade Streckenabschnitte besitzt, mussten verschiedene Bremsmodule in Kurvenabschnitten montiert werden. Somit besitzt jede Blockbremse fünf bis sieben jeweils einen knappen Meter lange Skidbrakes. Diese Bremsgeometrie benötigt nicht zwingend die geraden Bremsabschnitte heutiger moderner Achterbahnen, sind aber bei nassem Wetter bei weitem nicht so effizient einsetzbar. Um dem entgegenzuwirken wurden die Bremsen mit dünnen Gummi-Elementen beaufschlagt, auf denen die Fahrzeuge aufsetzen. Somit kann Feuchtigkeit den Reibwert und damit das Bremsverhalten nur geringfügig beeinträchtigen. Dennoch ist das Blocksystem bis heute ein Kompromiss. Eigentlich müssten die Fahrzeuge nach einem forcierten Halt von selbst bis zu Station fahren, doch der einen Blockbremse folgt ein leichte Auffahrt, bei anderen reicht das Gravitationsmoment der Züge nicht aus, um die Station zu erreichen. Wenn die Anlage wieder aufgestartet wird, müssen die Bediener vereinzelt die Wagen anschieben.

Expedition Everest in Disneys Animal Kingdom ist eine moderne Hommage des Matterhorns

Das ikonenhafte Wahrzeichens Disneyland wird bis heute am Standort im kalifornischen Anaheim bewahrt. Für Disneys Epcot Center in Orlando, Florida gab es zwar weitreichende Pläne, eine noch gigantischere Version im Schweizer Pavillon zu errichten, doch die notwendigen Sponsorengelder ließen sich nicht aufbringen. Auch ein zweiter Anlauf als Mt. Fuji im japanischen Themenbereich von Epcots World Showcase verlief im Sande, da Disneys langjähriger Sponsor Kodak die Namensgleichhalt zu ihrem Hauptkonkurrenten Fuji Film gehörig störte.

Erst 2005 wurde mit Expedition Everest eine 60 Meter hohe Hommage an die Matterhorn Bobsleds in Disneys Animal Kingdom, ebenfalls Teil der Walt Disney World in Florida, eröffnet. Die Parallelen zum Matterhorn sind nicht zu übersehen, auch wenn der Ride eine komplett eigenständige Geschichte um eine verunglückte Expedition zum Everest erzählt, welche in einem Konflikt mit dem Yeti endet. Trotz allen High Tech Innovationen und einer Streckenlänge von fast anderthalb Kilometern kann die neue Attraktion jedoch nicht an den wahren Klassiker anschließen. Die engen Kurven und schummrig illuminierten Eishöhlen, welche erst in letzter Sekunde den Blick auf den nächsten Streckenabschnitt freigeben, werden bei Expedition Everest nicht geboten. Hier verläuft der kurze Indoor Teil im Design einer 540° langen, rückwärts befahrenden Helix in kompletter Dunkelheit ab. Danach gibt es noch einen "Airtime"-Hügel quer durch den dunklen Betonberg und einen langsamen, letzten Blockabschnitt mit Yeti-Finale.

Das Original-Matterhorn im kalifornischen Disneyland ist also nicht nur wegen seines Alters ein Klassiker, sondern begeistert auch heute noch durch ein abwechslungsreiches, spannendes Layout, perfekte Thematisierung und vor allem jeder Menge Fahrspaß.


Text: Coastersandmore - jp
Bilder: Archiv, Coastersandmore, Disneyland, Disney Enterprise, GLB Coasterzone, Patentschrift 3114332, Walt Disney Company

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