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X-Car |
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Überschlagvergnügen auf G-Force
in Drayton Manor |
Von der ersten Idee bis zur fertigen Achterbahn dauerte
es drei Jahre. Während dieser Zeit wurde im Münchner
Stahlbauunternehmen Maurer Söhne die nächste, zukunftsweisende
Achterbahngeneration entwickelt. Das Ergebnis nennt sich X-Car und bietet eine
offene Fahrzeugplattform, die klar definierte Schnittstellen für
Weiterentwicklungen besitzt.
Auf dem gleichen Fahrgastträger sind schon heute
beispielsweise Sitdown, Spinning, Floorless,
Inverted, oder Sliding Coaster möglich. Das Herzstück
ist der ergonomisch ausgefeilte X-Seat, der längere
Überkopfpassagen ohne Schulterbügel ermöglicht. Von genau
dieser Eigenschaft machen die ersten beiden Auslieferungen im süddeutschen
Allgäu Skyline Park und englischen Drayton Manor Family Theme
Park auch ausgiebig Gebrauch.
Rückblick: Im Achterbahnbau geht es stetig weiter hoch
hinaus - Ende der 80er Jahre wurde in den USA die 60-Meter-Marke durchbrochen,
2005 eröffnete eine 140 Meter hohe Megaachterbahn in der Nähe von New
York - mit einer Höchstgeschwindigkeit von 210km/h. In Europa begann die
Ära der Hyper- und Megacoaster - Bahnen mit Höhen
jenseits der 50 Metermarke - erst mit dem neuen Millennium, verebbte jedoch so
plötzlich wie sie begonnen hatte.
Projekte wie eine rund 100 Meter hohe Stahlachterbahn
in der norddeutschen Heide oder ein gigantischer, 150 Meter hoher "Turmcoaster"
im englischen Seebad Blackpool wurden bis heute nicht realisiert, obwohl die
Pläne längst ausgearbeitet in den Schubladen liegen.
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Das SkyWheel im Allgäu Skyline Park
bietet extreme Beschleunigungen auf kleiner Grundfläche |
Der europäische Markt verlangt letztendlich nach einer
anderen Art von Achterbahn - Bestes Beispiel hierfür ist der Süden
Europas: Die Italiener und Spanier haben ihre 50 Meter hohen Bolliger &
Mabillard Multilooper direkt vor der Haustüre, doch bleiben die Reihen
der Züge meist unbesetzt. Höher, schneller, weiter - dieses Motto
scheint nur in den USA und Japan zu fruchten; in Europa sind eher kompakte
Anlagen gefragt, die auf andere Art und Weise Thrill versprechen und nicht
gleich mehrere Fußballfelder Fläche für sich beanspruchen.
Derartige Coaster "mit Köpfchen" werden schon seit fast
zehn Jahren im Münchner Hause Maurer Söhne entwickelt. Unweit
des Olympia Stadions und der angrenzenden Bayerischen Motorenwerke hat das
alteingesessene Traditionsunternehmen seinen Hauptsitz. Seit über 130
Jahren hat man sich dem innovativen Stahl- und Brückenbau verschrieben.
Seit Mitte der 90er Jahre entwickelt eine kleine, rund 20 Mitarbeiter starke
Abteilung Achterbahnen mit dem besonderen Etwas. Den Anfang machte der
Spinning Coaster, bei dem Einzelfahrzeuge frei und dennoch kontrolliert
um ihre eigene Achse rotieren. Da die Rotation ausschließlich durch
Beschleunigungskräfte während der Fahrt in Gang gebracht wird,
ergeben unterschiedliche Beladungen bei jeder Fahrt einen immer etwas anderen
Erlebnisreiz. Die Palette gelieferter Anlagen reicht von transportfreundlichen
Reiseversionen bis hin zu technisch hochkomplexen Bahnen wie den Winjas
Indoor Coaster im Phantasialand bei Köln. |
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Dr. Alfred Müller erläutert
Anfang 2004 eine Konzeptstudie, welche im SkyWheel teilweise verwirklicht
wurde |
Auf einer europäischen Branchenmesse Anfang des Jahres
2003 wurde interessierten Kunden zum ersten Mal ein völlig neuartiges
Achterbahnkonzept vorgestellt, welches die Lücke zwischen
Familienachterbahnen und kostspieligen Thrillrides zu schließen vermag:
Xtended ist seitdem das Schlagwort im Hause des Stahl- und
Achterbahnbauers Maurer Söhne. Neben außergewöhnlichen
und aberwitzigen Schienendesigns wird das Augenmerk auf einen neuen
Fahrzeugstypus gelenkt, der schlicht als X-Car bezeichnet wird.
Maurer Söhne setzt dabei als erster
Achterbahnhersteller weltweit auf eine einheitliche Plattform. "Was die
Automobilbranche erfolgreich eingeführt hat, wird auch bei unserem Angebot
Vorteile bringen," erklärt der Leiter der Entwicklungsabteilung Dr.
Alfred Müller. Durch den modularen Aufbau der Fahrzeuge könne
schneller und flexibler auf Kundenwünsche eingegangen werden, Varianten
seien durch Kombination entsprechender Module beliebig implementierbar und die
Wagen für zukünftige "Special Effects" gerüstet.
Dabei können die X-Cars als Einzelfahrzeuge oder
als Wagenverbund über die Strecke sausen. "Wir bevorzugen jedoch das
Einzelfahrzeug", ergänzt Dr. Alfred Müller. "Dieses gestattet
uns die Gestaltung von Fahrfiguren, die mit Zügen nicht realisierbar
wären." Einen besonderen Effekt verspricht der Inverted Camelback,
der bislang jedoch noch nicht verwirklicht wurde: Das Fahrzeug
"unterfährt" dabei über Kopf eine Hügelfigur.
Herzstück des neuen Fahrzeugkonzeptes ist der mit dem
TÜV Süd entwickelte X-Seat: Der Fahrgast wird im
großzügig gestalteten Sitz durch einen Schoßbügel
gehalten. Dieser wird seitlich heruntergeschwenkt und mit einer Gasfeder sowie
einer Raste redundant gesichert. Die Ingenieure von Maurer Söhne
verzichteten bewusst auf einen Schulterbügel und realisierten ein
Rückhaltesystem, das die Fahrgäste sekundenlang auf den Kopf stellen
kann, ohne dass diese ihre Extremlage als unangenehm empfinden würden.
Dies liegt in erster Linie darin begründet, dass das Körpergewicht
nicht auf den Schultern lastet, sondern am Schoßbügel hängt und
auf eine große Auflagefläche verteilt wird.
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Zwei beeindruckende Ansichten |
Durch die besondere Gestaltung von Bügel und Sitz ist
sowohl Kindern von 120cm Körpergröße als auch stattlich
gebauten Erwachsenen von bis zu zwei Metern ein sicherer Halt
gewährleistet. Das zum Patent angemeldete Sitzkonzept bietet
größtmögliche Freiheit bei maximaler Sicherheit und gehört
auf dem Vergnügungssektor unzweifelhaft zu den bahnbrechendsten
Entwicklungen der letzten Jahre. Ausgedehnte Überkopffahrten bei neu
arrangierten Fahrfiguren werden damit äußerst angenehm fahrbar.
Ungewöhnlich erscheint auch die Zahl der
Sitzplätze: Sechs Personen bietet jedes Fahrzeug des X-Car
ausreichend Raum, sogar die Beine können komfortabel ausgestreckt werden.
Dr. Alfred Müller erklärt: "Das Ziel war es, mehr als vier
Plätze pro Wagen zu bieten um die Kapazität zu optimieren, dabei
aufgrund der Fahrdynamik jedoch nur zwei Sitze pro Reihe zu verwenden. Unsere
Berechnungen haben ergeben, dass die Belastungen bei vier Personen in einer
Reihe zwischen den beiden äußeren Positionen um beinahe 100 Prozent
differieren und somit Einschränkungen bei der Layoutgestaltung vorhanden
wären. So wählten wir Einzelfahrzeuge mit drei Reihen, da ein Zug
für innovative Fahrfiguren nicht geeignet wäre." Letztendlich vermag
man jedoch zwei dieser Fahrzeuge zu einem Tandem zu koppeln, ohne bei der
Layoutgestaltung zu stark eingeschränkt zu sein. Die Charakteristik des
X-Car erlaubt sehr geringe Kurvenradien von bis zu drei Metern und ist
deshalb prädestiniert für waghalsige Layouts mit extremen
Beschleunigungswechseln auf kleiner Grundfläche.
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Zweimal über Kopf auf
ungewöhnliche Art und Weise |
Noch im Jahr 2003 konnte der Prototyp auf der IAAPA
in Orlando, dem wichtigsten Schaufenster der Branche weltweit, vom
interessierten Publikum getestet werden. Das X-Car war auf einem
Stück Schiene befestigt, das mit einem Mechanismus langsam um die
Längsachse rotiert wurde. Bei Probe"fahrten" zeigte sich, dass Dr.
Alfred Müller nicht zu viel versprochen hatte: Selbst ein Kopfstand
von 30 Sekunden war aus ergonomischer Sicht problemlos möglich. Von Seiten
hochrangiger potentieller Käufer wie Walt Disney Imagineering,
Gary Story von Six Flags oder Paramount erhielt Maurer
Söhne Hochachtung. "Wir müssen den Kunden deutlich machen, dass
unsere kleinen, wendigen Einzelfahrzeuge mehr Thrill bieten können als ein
gigantischer Gigacoaster," erläuterte der Konstruktionsleiter Robert
Gettert die Situation bei einem Firmenbesuch. Dies war bald durch einen
vorführbaren Prototypen in der Nähe des Firmensitzes
möglich.
Im Allgäu Skyline Park und in seiner
Besitzerfamilie Löwenthal fand man zum Frühjahr 2004 einen
Partner, der noch im gleichen Jahr das Geschäft in Betrieb nehmen wollte.
Innerhalb von fünf Monaten sollte der Prototyp entstehen - ein Zeitplan,
der jedoch nicht eingehalten werden konnte. So eröffnete das
SkyWheel zum Saisonbeginn 2005 und beeindruckt nicht nur durch sein
spektakuläres Äußeres, sondern auch durch seine extremen
Fahreigenschaften. |
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Links: Das X-Car bietet genügend Raum
für Bewegungsfreiheit |
In seiner äußeren Erscheinung thront das
SkyWheel wie ein Riesenrad ohne Speichen und Nabe über dem
Skyline Park. Das über 40 Meter hohe vertikale Oval bietet neben
dem außergewöhnlichen Humpty Bump Lift, der die erste
Inversion einleitet, eine Abfahrt mit Heartline-Drehung, welche
über einen vertikalen Kreisbogen schließlich in die Station
führt.
Die gesamte Konstruktion präsentiert sich in einem sehr
eigenwilligen Design und bietet völlig neue Akzente - genau wie die
Fahrweise. Der senkrechte Humpty Bump Lift ist an einem fachwerk-typisch
ausgesteiften Stahlturm mit einer Höhe von 51,2 Metern angebracht, dessen
Ende einen kurzen Ausleger aufnimmt, der die Lifttechnik beherbergt und
zusätzlich den Ausgangspunkt für eine spiralförmige
Überschlagsstrecke bildet. Auf dieser windet sich das Fahrzeug in einer
Schraube einmal um seine eigene Achse. Erst steht es auf dem Kopf, dann in der
Horizontalen und schließlich ist wieder der Kopfstand erreicht - eine
Inversion im Looping also.
Das spektakuläre Schienenkonstrukt ist auf einer
Länge von 53 Metern absolut freitragend zwischen dem Turmgebilde und einem
herkömmlich abgestützten vertikalen Kreisbogen positioniert. So
unkonventionell der Turmaufbau des Vertikalliftes wirkt, so elegant schmiegt
sich dieses Schienenstück um die imaginäre Herzline und gleicht dabei
einem Wirbelsturm, der sich um sein inneres Auge windet. Dabei besitzt die
Viergurtschiene mit einer Diagonalen von fast zweieinhalb Metern extreme
Dimensionen im Querschnitt, die jedoch aufgrund ihrer Anbringung in luftiger
Höhe optisch relativiert werden.
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Stetig beschleunigt der Fahrzeugverbund
aus der ersten Inversion hinaus |
Auf dem Rücken liegend werden die Fahrgäste auf
dem Humpty Bump Lift senkrecht in luftige Höhen befördert,
bevor sie in über 40 Metern Höhe im Zeitlupentempo mit einem viertel
Rückwärtssalto in die Heart Roll entlassen werden. Hier bietet
sich den Insassen ein besonderes optisches Erlebnis, da sie bei der Ausfahrt
aus dem Humpty Bump Lift ungehindert 50 Meter durch das innere Auge der
Schraube bis zur anschließenden Abfahrt blicken können. Doch dieser
Eindruck ist nur von kurzer Dauer, da die Fahrgäste rasant um 360° um
die Herzlinie gewirbelt werden, wobei die Geschwindigkeit des
zweigliedrigen Fahrzeugverbundes stetig anwächst. Dann stehen die
Passagiere wieder auf dem Kopf, um schließlich die letzten 35
Höhenmeter mit bis zu 105 km/h gen Boden zu stürzen.
Der Clou folgt anschließend: In dem
zweckmäßig gestalteten Stationsgebäude am Fuße des Ovals
warten keine extrem verzögernden Wirbelstrombremsen. Stattdessen
schießt der Gondelverbund den senkrecht aufgestellten Humpty Bump
Lift wieder hinauf bis in den engen vertikalen Radius hinein, der die
vorderste Sitzreihe im Viertelrückwärtssalto beinahe wieder auf den
Kopf stellt. Am oberen Totpunkt angelangt scheint das Fahrzeug sekundenlang zu
verharren, bis die Erdanziehung es rückwärts gen Boden reißt
und sich ein spektakulärer Pendelvorgang anschließt.
Fakten zum SkyWheel |
Das SkyWheel ist die Prototyp
Achterbahnkreation des Münchner Stahlbauers Maurer Söhne auf Basis
ihres 2003 vorgestellten X-Car Designs, welches ergonomischen Fahrgenuss ohne
Schulterbügel bietet. |
Gesamthöhe |
51
Meter |
Schienenhöhe |
46
Meter |
Schienenlänge |
150 Meter |
Max. Geschwindigkeit |
100 km/h |
Beschleunigung |
-1 g bis +5.3 g |
Netto-Fahrzeit |
60 Sekunden |
Fahrzeuge |
1 Zug mit 2 Wagen; 6 Plätze pro Wagen |
Kapazität |
600 Personen pro Stunde |
Hersteller |
Maurer Söhne GmbH, München, Deutschland |
Betreiber |
Allgäu Skyline Park, Bad Wörishofen,
Deutschland |
Eröffnung |
18. März 2005 |
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Link zur offiziellen Webseite des Skyline Parks
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Zuerst schießt der Zug rückwärts durch die
Station, wobei erneut extreme 5g auf die Mitfahrer wirken. Dann schwingt das
Fahrzeug durch das übermächtige Oval und erreicht nach der
Rückwärtsfahrt sogar die Spirale am oberen Ende. Hier werden nun die
hinteren Reihen extrem quergeneigt. Der X-Seat macht sich dabei bezahlt,
denn trotz des langsamen Hineinwindens in die Spirale bleibt der
Oberkörper in der halbmondförmigen Sitzschale sicher
positioniert.
Das Fahrzeug rast erneut vorwärts durch die Station,
bevor es nach etwa 60-sekündiger Fahrt in senkrechter Position mit einem
kräftigen Ruck auf dem Humpty Bump Lift von einer mechanischen
Stoppbremse fixiert wird. Das Kettensystem übernimmt den Zug und
befördert ihn zügig zurück in die Station.
Am Boden angekommen wird deutlich, dass eine Fahrt auf dem
SkyWheel dem Körper viel abverlangt - die maximal 5.3g während
der Taldurchfahrt sind durchaus als extrem zu betrachten, und die alternierende
Vorwärts- und Rückwärtsfahrt steigert das Erlebnis nochmals
deutlich. Das SkyWheel ist eine Thrillmaschine erster Güte und bei
Erfolg sogar noch in zwei Ausbaustufen zu einem Rundkurs mit Blockbremse
und mehreren Zügen erweiterbar.
Ein erster Modellentwurf verspricht viel, und nach den
Worten von Joachim Löwenthal, dem Besitzer des Skyline Park,
wird die Anlage - wenn alles gut läuft - in naher Zukunft ausgebaut. Die
erste Ausbaustufe des SkyWheel wurde 2006 im Parque de
Atracciones in Madrid eröffnet. Hier rast der Zug nach der Abfahrt an
der Station vorbei durch eine Half Cuban Eight, über einen
Camelback und durch einen Immelmann Turn, bevor er auf dem Lift
zu stehen kommt und rückwärts in die Station entlassen wird. |
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Rechts: Der Humpty Bump Lift bei
G-Force |
Ortswechsel in das kühle und notorisch graue England,
wo Ende Juli 2005 mit G-Force der X-Coaster Nummer Zwei
freigegeben wurde. Während der Prototyp im Allgäu Skyline Park
mit einem "Vertical Ride"-Konzept maximalen Spaß auf minimaler
Fläche bietet, setzt Maurer Söhne bei der zweiten Auslieferung
an den Drayton Manor Theme Park auf ein klassisches Achterbahnkonzept
mit drei Inversionen, Steilkurven und einem extremen, parabolisch
ausgeformten Camelback. Auch bei G-Force sorgt das einzigartige
Aufzugkonzept für Furore: Die modifizierte Version des Humpty Bump Lift
dreht das Fahrzeug schon beim Transport in luftige Höhen auf den Kopf.
Wenn die Fahrgäste dann noch die Arme gen Boden ausstrecken können,
ohne einen beklemmenden Schulterbügel befürchten zu
müssen, bedeutet dies ein Thrillerlebnis in einer völlig neuen
Dimension.
Wo bis letzte Saison noch ein kleiner Loopingcoasters aus
italienischer Produktion seine Runden drehte, entstand ein 385 Meter langer
Rundkurs mit einer maximalen Höhe von 24 Metern. Auf dem ersten Blick
keine umwerfenden Daten, die auf eine Thrillmaschine erster Güte hindeuten
würden - Wenn nicht das Layout derart kurios daherkäme, dass einige
Fahrfiguren vom Boden aus schlicht unfahrbar erscheinen. Bestes Beispiel
hierfür ist ein extrem gestauchter Camelback im direkten Anschluß an
den Humpty Bump Lift.
G-Force ist in jeglicher Hinsicht ungewöhnlich.
Das beginnt bereits mit der Gestaltung der Anlage im Vergleich zu den
umliegenden Attraktionen: Während sich die Wildwasserbahn
Stormforce 10, das Riesenpendel Maelstrom und der
Standup-Coaster Shockwave thematisch den Naturgewalten widmen,
wirkt der äußerst modern gehaltene Neuzugang aus München mit
seinen roten Schienen und der silbernen Wellblech-Station auf den ersten Blick
wie ein Fremdkörper. "Das moderne Design der Sitze und der Wagen hat das
Gesamtkonzept geprägt", verrät Colin Bryan, Managing Director
des Drayton Manor Park. "Mit dem neuen Jahrtausend kamen neue Ideen, und
die neue Anlage sollte auch optisch herausstechen".
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Ausfahrt aus der Bent Cuban Eight
Inversionsfigur |
Der moderne Look setzt sich im Innenbereich nahtlos fort.
Die Wartenden werden mit lauter Techno-Musik, die eigens für die Anlage
komponiert wurde, beschallt und mit abstrakten Videoprojektionen unterhalten.
Alle siebeneinhalb Minuten entlädt sich unter ohrenbetäubendem
Getöse eine Spannung zwischen zwei an der Decke montierten Ringen als
flirrender Lichtbogen, welche die Erwartungshaltung der Wartenden weiter
ansteigen lässt. G-Force fordert die Sinne, bevor die
Fahrgäste die Station erklommen haben. Die Station erklimmen? Richtig
gelesen, wie schon beim Intamin Looping Coaster Shockwave
befindet sich der Ein- und Ausstieg in luftiger Höhe - in zehn Metern
über Bodenniveau, um genau zu sein, und damit achteinhalb Meter oberhalb
des tiefsten Schienenpunktes.
Oben angekommen fällt der Blick durch die große
Öffnung in der rechten Stationswand auf Maelstrom, im Takt der
Schwingung kreischen besonders die weiblichen Teenager. Die Station wie der
Rest der Anlage ist sehr modern, beinahe futuristisch gehalten. Diesen Look hat
das Design des X-Car vorgegeben: Auf eine kunstvolle GFK-Karosserie
wurde verzichtet, dafür stehen die voluminösen X-Seats im
Vordergrund, die von einem metallisch glänzenden Rohrrahmen und einem
Edelstahlboden eingefasst sind. Dieser ist annähernd auf einem Niveau mit
dem Stationsboden, was einen schnellen und hindernisfreien Ein- und Ausstieg
ermöglicht. A propos hindernisfrei: Die Stationsplattform ist durch einen
Personenaufzug auch für gehbehinderte Fahrgäste problemlos
erreichbar. Und auch eine weitere Gruppe wurde bedacht: In der letzten Reihe
jedes Wagens findet sich ein "Big Boy Seat" für Personen mit, wie es im
Englischen gerne euphemistisch heißt, "larger upper body dimensions". Die
Sitzfläche wurde um einige Zentimeter nach Vorne verlängert, der
Bügel hat einen erweiterten, überwachten Schließbereich.
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Rechts: Ausfahrt Bent Cuban Eight |
Bequem ist er auch hier, der neue X-Seat. Beinahe
luxuriös bequem, möchte man sagen, doch kaum ist dieser Gedanke
gedacht, schieben die Reibräder den Zug schon in eine Linkskurve
aus der Station. Es folgt ein kleiner Drop, der mit seiner
Airtime besonders in der hinteren Reihe schon einen kleinen Vorgeschmack
auf die bevorstehende Fahrt gibt. Doch je nach Körperbau war dies die
letzte Airtime-Erfahrung, denn es kann passieren, dass sich im
anschließenden Tal der Bügel noch ein Stück schließt und
den Fahrgast doch etwas "sicherer" hält, als diesem lieb ist. Maurer
Söhne ist dieses Phänomen bekannt und die Ingenieure arbeiten
bereits an einer Lösung, die in zukünftigen Auslieferungen
berücksichtigt werden soll.
Es schließt sich der ungewöhnliche Humpty Bump
Lift an, der aber eigentlich weniger ein schnöder Lift ist, der nur
dazu dient, dem Zug ausreichend Energie für den folgenden Parcours
mitzugeben, sondern als eigenständige Fahrfigur bezeichnet werden kann. Im
Vergleich zum Sky-Wheel wirkt er wie ein entstellter, deformierter
Vertikallooping, dessen erste Hälfte bis zum Scheitelpunkt mit
einem Kettenlift versehen ist. Aus der Sohle führt zunächst
eine Schräge bis auf halbe Höhe, dann schließt sich ein beinahe
kreisförmiger Bogen von annähernd 180 Grad an, der den Zug in eine
kopfüber orientierte, abwärts führende kurze Abfahrt
entlässt.
Damit wird eine völlig neue Erfahrung eines "Drops"
geboten: Der Zug beschleunigt in der Überkopfposition gen Boden und
schießt schließlich in einem weiten Bogen in die Horizontalposition
im Tal; die erste Inversion ist somit abgeschlossen. Bemerkenswert ist
der neben der eigentlichen Antriebskette verlaufende Kanal, der eine weitere
Kette beherbergt. Diese dient bei einem Stromausfall dazu, den Zug entweder
zurück in die ansteigende Rampe zu bringen, um ihn zu evakuieren, oder
soweit in den Lift zu schieben, dass er den restlichen Parcours wie geplant
absolviert. Dazu ist im Maschinenhaus unter dem Lift ein Generator beherbergt,
der die nötige Energie für die Hilfskette liefert.
Fakten zu G-Force |
G-Force ist die zweite X-Car
Auslieferung an den englischen Family Themepark Drayton Manor. Auf gerade
einmal 385 Schienenmetern werden ein außergewöhnliche Fahrelemente
wie der Humpty Bump Lift, ein extrem gestauchter Camelback und die neue
Inversions Kreation Bent Cuban Eight geboten. |
Gesamthöhe |
24 Meter |
Schienenhöhe |
22,5 Meter |
Schienenlänge |
385 Meter |
Max. Geschwindigkeit |
83 km/h |
Beschleunigung |
-1,3 g bis +4.2 g |
Netto-Fahrzeit |
50 Sekunden |
Fahrzeuge |
1 Zug mit 2 Wagen; 6 Plätze pro Wagen |
Kapazität |
550 Personen pro Stunde |
Hersteller |
Maurer Söhne GmbH, München, Deutschland |
Betreiber |
Drayton Manor Family Theme Park, Tamworth, Staffordshire,
Großbritannien |
Eröffnung |
26. Juli 2005 |
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Link zur offiziellen Webseite des Drayton Manor
Family Theme Park |
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War der Humpty Bump Lift - zumindest dessen erste
Hälfte - noch relativ gemütlich, so spielt G-Force nun alle
Trümpfe des kompakten Layouts mit seinen ungewöhnlichen Fahrfiguren
aus. Zunächst kommt ein Airtimehügel: Eigentlich ein bekanntes
Element, wären da nicht die deutlich vom Standard abweichenden
Proportionen. Auf- und Abfahrt sind relativ steil, dafür ist die Kuppe
äußerst kurz gehalten. Wenn die Bahn in einigen Monaten richtig
eingefahren ist, wird die ohnehin schon vorhandene Airtime an dieser Stelle
sicher noch intensiver werden. Die nächste Fahrfigur, die Bent Cuban
Eight, die von Maurer Söhne einer Kunstflugfigur nachempfunden
wurde, ist in ihrer Gesamtheit mit keinem bekannten Achterbahnelement
vergleichbar.
Der erste Teil ähnelt einem Vertikallooping,
dessen Ausfahrt mit ca. 45 Grad seitlich abgewinkelt ist. Mit diesem Winkel
wird eine weitere Loopinghälfte angefahren, ab deren höchstem Punkt
sich der Zug während der Abfahrt gegen den Uhrzeigersinn aus dem Kopfstand
herausdreht - hier ist eine gewisse Ähnlichkeit mit einem
B&M-Immelmann erkennbar. Den Abschluss des 385 Meter langen
Schienenlayouts bilden eine kurze bodennahe Linkskurve, ein stark quergeneigter
Linksturn und eine geschwungene Auffahrt in die Schlussbremse, die neben
Reibbremsen auch erstmals bei einer Achterbahn aus dem Hause Maurer
Söhne Magnetbremsen aufweist. Durch die erhöhte Position der
Station konnte die Bremssektion start verringert werden, schließlich
verliert der Zug schon bei seiner Auffahrt einen gehörigen Teil seiner
Bewegungsenergie.
G-Force zeigt eindrucksvoll, wie viel innovativer
Fahrspaß auf kleinster Grundfläche möglich ist. "Das kompakte
Design war eines der entscheidenden Argumente für die Wahl der Achterbahn
von Maurer Söhne", sagt Colin Bryan. "Ein weiterer Grund
war, dass die Anlage von fast allen Seiten gut zugänglich ist und daher
auch Nichtfahrern ein spannendes Erlebnis bietet." Von dem Weg aus, der unter
dem Camelback und der Ausfahrt der Bent Cuban Eight hinweg durch die Bahn
führt, scheinen die Mitfahrer zum Greifen nah zu sein. Bei den
Parkbesuchern ist G-Force so populär, dass für die
nächste Saison ein zweiter Zug angeschafft werden soll, damit die
Kapazität dem enormen Zuspruch gerecht wird. |
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Links: Der ungewönlich stark
gestauchte Camelback |
Realisiert wurde der Stahlparcours mit dem hauseigenen
XTRAC Softwaretool, welches das Schienendesign am Rechner mit wenigen
Mausklicks ermöglicht. Das in langjähriger Zusammenarbeit mit der
Universität Duisburg entwickelte Programm vereinigt Trackdesign,
Dynamik- sowie Statikkalkulation und Produktionsvorbereitung in einer einzigen
Programmoberfläche.
XTRAC kann als optimale Ergänzung zum X-Car
Coaster angesehen werden. Die Schnelligkeit, mit der neue Layouts im Hause
Maurer Söhne entwickelt werden können, sowie die
vielfältigen Visualisierungsmöglichkeiten ermöglicht ein sehr
flexibles Eingehen auf die verschiedensten Anforderungen. Vom ersten Entwurf
bis zur Inbetriebnahme können alle Leistungen ohne externe Zuarbeit im
eigenen Hause erbracht werden. Die Besonderheit von XTRAC liegt in der
zeitgleichen, präzisen Dynamikkalkulation, welche ein Berechnungsmodul im
Hintergrund parallel zur Trackgestaltung durchführt. Die automatisierte,
jedoch auch jederzeit manuell modifizierbare Optimierung reduziert nicht nur
die Belastungen auf die Fahrgäste, sondern ermöglicht speziell bei
den X-Cars bisher nie realisierte Fahrfiguren oder solche mit extremen
Richtungs- oder Krümmungswechseln, wie sie zum Beispiel auch bei
G-Force zum Einsatz kommen. Bei Maurer Söhne steht das
Fahrgefühl im Vordergrund - statt Gigantomanie werden Komfort und
spannende Schienenkombinationen geboten. XTRAC erlaubt dabei, auf
einfache Weise die realen Fahrbedingung jeder Art von Fahrzeug darzustellen und
die Bahnen für den jeweiligen Anwendungszweck und Fahrzeugtyp zu
optimieren.
Bisher wurde schon mehrere Bahnen in völliger
Eigenleistung mittels XTRAC entwickelt. Nur so können in allen
Leistungsphasen einhundert Prozent der Möglichkeiten ausgeschöpft und
auf die Eigenschaften der Produkte hinzu optimiert werden. Insbesondere bei
schwierigen Geländeverhältnissen oder bei der Integration in eine
bestehende Park-Infrastruktur können mit XTRAC extreme Vorteile
erreicht werden, da bereits während der Konzeptphase mit exakten Daten
gearbeitet wird - dies war beispielsweise beim geländegängigen
Spinning Coaster Tarantula für den Parque de
Atracciones im spanischen Madrid von Vorteil. Aber auch ganz besonders bei
der Entwicklung neuer Fahrfiguren ist XTRAC ein unverzichtbares
Hilfsmittel. Für die Zukunft wird das Programmpaket weiter ausgebaut:
Derzeit arbeitet Maurer Söhne an einer automatisierten
Schnittstelle zwischen XTRAC und den verwendeten Statiktools, was zu
einer weiteren Effizienzsteigerung und technischen Optimierung führen
wird. |
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Links: Dr. Alfred Müller
präsentiert eine der zahlreichen Auszeichnungen für das
X-Car |
Coastersandmore: Was war der Anstoß,
das X-Car zu entwickeln?
Dr. Alfred Müller: Grundlage der Entwicklung war
eine Marketingstudie, die wir über die zukünftige Entwicklung im
Achterbahnbereich erstellt haben. Unter anderem aufgrund Umfragen bei Fans und
Parkbetreibern kamen wir zu dem Ergebnis, dass abhebende Kräfte ohne
Schulterbügel fahren zu können ein sehr erstrebenswertes
Entwicklungsziel wäre. Von vornherein war klar, dass wir hierzu
völlig neue Wege einschlagen und uns von vielen alten Vorstellungen und
Lösungsvarianten trennen mussten.
Wie gestaltete sich der Entwicklungsprozess, wo lagen die
Schwerpunkte?
Da wir von Grund auf neu entwickelten, bestand die
Möglichkeit, das gesamte Fahrzeug nach dem neuesten Stand der Technik zu
konstruieren. Zusätzliche Anforderungen wie maximale Wendigkeit,
höchster Sitzkomfort und außergewöhnliches Design konnten von
vornherein berücksichtigt werden. Ein wesentlicher Punkt war
außerdem, größtmögliche Modularität zu erreichen, um
eine Vielfalt von Fahrzeugvarianten mit der Basisentwicklung abdecken zu
können.
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Ausfahrt aus der Bent Cuban Eight
Inversionsfigur |
Größte Herausforderung war jedoch eindeutig die
Entwicklung des innovativen Sitz-Sicherungssystems. Von Vorteil war, dass wir
projektunabhängig und mit ausreichendem Entwicklungsbudget entwickeln
konnten, so dass die einzelnen Entwicklungsschritte optimal ausgeführt
werden konnten und keine Abstriche aus Zeit oder Kostengründen gemacht
werden mussten.
Derzeit sind zwei X-Car Coaster von Ihnen ausgeliefert
worden - ein dritter entsteht nächstes Jahr im spanischen Parque de
Atracciones. Wie ist das bisherige Feedback der Parks und Fahrgäste?
Das Feedback sowohl aus dem Skyline Park als auch aus
Drayton Manor ist hervorragend. Die Fahrgäste sind begeistert.
Insbesondere vom Skyline Park werden stark gestiegene Besucherzahlen gemeldet.
Das X-Car verfügt über einen sehr hohen technischen Standard.
Natürlich sind wir bestrebt, das Produkt trotzdem immer weiter zu
verbessern. Anregungen von Fahrgästen nehmen wir dabei generell sehr ernst
und prüfen sorgfältig daraus ableitbare Potentiale.
Wie bewerten Sie die Resonanz potentieller Kunden? Die
Aufmerksamkeit auf Messen war ja - nicht zuletzt aufgrund des gelungenen
Messestandes - sehr stark, und Ihnen sind auch einige Auszeichnungen zuteil
geworden. Spiegelt sich das auch in konkreten Verhandlungen wider?
Die Resonanz potentieller Kunden ist sehr positiv. Das X-Car
ist bereits in vielen Planungen enthalten, wobei sowohl gemäßigtere
Layouts als auch äußerst Thrill-betonte Entwürfe diskutiert
werden. Wir sind sicher, dass das breite Spektrum der bestehenden
Möglichkeiten von zukünftigen X-Car Bahnen umfassend
repräsentiert werden wird.
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Modellgrafik des Sky Wheel |
Wie schätzen Sie die aktuelle Marktsituation ein -
geht der Trend weiter zu kompakten, ungewöhnlichen Layouts oder
gehören die nächsten Jahre den Launch Coastern?
Die Vielfalt an verschiedenen Systemen wird weiter zunehmen.
Aus diesem Grund haben wir das X-Car auch mit einer möglichst großen
Variabilität ausgestattet, um den verschiedensten Anforderungen, u.a.
natürlich auch Abschuss, gerechnet werden zu können. Als Trend
erkennen wir, dass die für neue Anlagen zur Verfügung stehenden
Budgets immer knapper werden. Auch diesbezüglich sehen wir das X-Car sehr
gut positioniert.
In welche Richtung werden Ihre Layouts gehen?
Der Vielfalt sind mit dem X-Car kaum Grenzen gesetzt. Neue
Fahrfiguren werden bei fast jedem neuen Layoutentwurf mit eingebaut. Wichtig
ist uns dabei, die besonderen Stärken und neuen Möglichkeiten des
X-Cars zur Geltung zu bringen, so dass die Layouts sich immer vom bisher
Gewohnten abheben.
Gibt es schon weitere Verkäufe neben der Anlage
für Madrid, die kommunizierbar sind?
Kürzlich wurde das erste SkyWheel in die USA verkauft.
Die Eröffnung der Anlage im Magic Springs and Crystal Falls Park in Hot
Springs, Arkansas ist für Mai 2006 geplant.
Das Interview führte Dipl.-Ing. Jochen
Peschel. |
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Bilder: Coastersandmore, Maurer Söhne |
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