|
Site-Info: Editorial > Ride Insights >
Eurostar - Transportabler Inverted Coaster von Oscar Bruch |
|
|
|
Der Eurostar auf den Düsseldorfer
Rheinwiesen |
Gewaltige Fahrgeschäfte haben auf deutschen
Kirmessen eine lange Tradition. In keinem anderen Land der Welt sind so
große Karussells, Wildwasser- und Achterbahnen anzutreffen wie hier.
Anlagen wie die Alpina-Bahn oder der Olympia-Looping sind aufgrund ihrer
majestätischen Erscheinung ein Publikumsmagnet für jeden Festplatz.
Doch 1995 ging Schausteller Oscar Bruch noch einen Schritt weiter und
präsentierte den ersten und größten transportablen Inverted
Coaster der Welt: Den Eurostar.
Oscar Bruch wurde in den Beruf des Schaustellers
hineingeboren und ist seit jeher mit Herzblut dabei. Unter seiner Regie fanden
bereits Attraktionen wie der Looping Star, die erste reisende
Loopingbahn, oder der legendäre Thriller ihren Weg auf die
Festplätze. Seinem Einfallsreichtum waren fast keine Grenzen gesetzt:
Keine Bahn war zu groß oder zu waghalsig.
"Ich war schon immer sein Hemmschuh", sagt seine Frau
Inge Bruch. "Er hat immer große Ideen, und ich sorge dafür,
dass er auf dem Teppich bleibt und sich die Anlagen auch finanzieren lassen."
Doch Mitte der 90er Jahre setzte er sich wieder einmal durch. Das Prinzip der
Inverted Coaster war noch jung und gerade auf dem Vormarsch, als er dessen
Aha-Effekt erkannte und auf die Reise bringen wollte. Es sollte sich bereits
früh zeigen, dass der Eurostar ein wahrhaft ungewöhnliches
Projekt werden würde, bei dem Firmen aus ganz Europa beteiligt sein
sollten. |
|
|
Mit 11km/h den Lifthügel
hoch |
Unter der Gesamtleitung des Konstruktionsbüros
Bruch, das von 1993 bis 1997 im bayerischen Münsterhausen existierte,
erfolgten die Projektierung und der Bau der gesamten Anlage. Das
Konstruktionsbüro wurde explizit für ein neues Fahrgeschäft
gegründet - dass es sich dabei um den Eurostar handeln würde,
war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Normalerweise wird eine
Achterbahn bei einer Firma in Auftrag gegeben, die diese dann quasi
schlüsselfertig übergibt. Doch hier oblag die Gesamtleitung dem
eigenen Ingenieurbüro, das die Einzelleistungen an die verschiedensten
Subunternehmer verteilte und deren Zusammenspiel koordinierte.
So führte das Ingenieurbüro Stengel die
exakten statischen und dynamischen Berechnung anhand einer von Oscar
Bruch entworfenen Streckenführung durch. Dies geschah in enger
Zusammenarbeit mit dem Konstruktionsbüro Bruch, das zeitgleich die
Sohle konstruierte. Nach den Berechnungen wurde ein detailliertes Modell
gebaut, das heute im Stadtmuseum München zu bestaunen ist.
Werner Stengel muss die Anlage einiges Kopfzerbrechen bereitet haben,
denn eines Morgens rief er in Münsterhausen an und berichtete über
einen Albtraum, in dem er festgestellt habe, dass die Kopfstücke - das
sind die Verbindungselemente zwischen dem Schienen-Backbone und Stütze -
unterdimensioniert seien. Eine sofortige Überprüfung ergab, dass die
ursprünglichen Berechnungen vollkommen korrekt waren. Der Eurostar
konnte wie geplant weitergebaut werden.
|
Schwungvoller First Drop |
Unter der Teilprojektleitung der Intamin AG aus
Wollerau, Schweiz, die selber die Steuerung konzipiert und gefertigt hat,
wurden die Schienen, der Lift und der größte Teil der Elektrik von
der Schweizer Firma Giovanola geliefert. Die Böcke, die Sohle und
die Stützen stammen von der Firma Mannhardt aus Germering im
Landkreis Fürstenfeldbruck, die jedoch noch während der Bauzeit
Konkurs anmelden musste. Oscar Bruch gründete kurzerhand eine
Auffanggesellschaft für die Dauer des Baus, um die Fertigstellung seiner
Achterbahn sicherzustellen.
Die Komponenten der Züge wurden von einer
niederländischen Firma gefertigt, deren Name nicht mehr ermittelbar ist,
während die Endmontage von Giovanola durchgeführt wurde. Der
Kassenbereich stammt aus dem Hause Mack Rides, Bahnhof und
Ausgangsbereich von Johann Gerstlauer, dessen Bruder Hubert die
Gerstlauer Amusement Rides in Münsterhausen besitzt. Die
Beleuchtung steuerte die Firma Pelz bei, die ebenfalls in
Münsterhausen ansässig ist.
Das Ergebnis der Bemühungen ist wahrlich beeindruckend
- Dafür sprechen alleine die Zahlen: Die Loopingbahn wiegt laut
Betreiberangaben insgesamt 1200 Tonnen, zusammen mit den 84 Transporten sind es
sogar 2000. Die insgesamt 126 Schienenelemente ergeben eine Streckenlänge
von 843,8 Metern plus ein 22 Meter langes Abstellgleis. Mit einer
Gesamthöhe von ca. 35 Metern (Höhe des Tragwerks) gehörte der
Eurostar lange zu den höchsten Achterbahnen in Deutschland - erst
seit wenigen Jahren gibt es vier höhere stationäre Anlagen. Die
gesamten Baukosten werden von der Firma Bruch mit über 14 Millionen
DM, rund 7 Millionen Euro, angegeben. |
|
|
Animation Aufbau in
Düsseldorf |
|
Technische Zeichnungen -
Stengel GmbH Projekt 9306 |
Das Layout ist der geometrische
Entwurf des Schienenweges, der die genaue Abfolge von Ab- und Auffahrten wie
auch Inversionen abbildet. Die zeichnerische Darstellung besteht aus Grundriss
und Fahrbahnabwicklung. |
|
Fahrbahnabwicklung -
Vergrößerung mit Linksklick
Der Grundriss zeigt den
Schienenverlauf aus der Luft betrachtet, während die Fahrbahnabwicklung
den Streckenverlauf abgerollt in der Ebene darstellt. Dabei ist der
Höhenverlauf ersichtlich. Angaben wie Neigungswinkel, Radien und
Aufstützpunkte werden u.a. als Zahlenwerte dargestellt. |
|
Grundriss: Fahrstrecke und
Herzlinie sind abgebildet - Vergrößerung mit Linksklick
|
|
|
|
Der Eurostar feierte seine Premiere am 20. Juli 1995
in Düsseldorf mit sechstägiger Verspätung. Der Grund dafür
war die unglaublich Größe der Achterbahn. "Damals wurde die
Dimension der Anlage einfach unterschätzt", berichtet Siegfried
Scholten. "Der Abbau im Werk von Giovanola am Genfer See hat erst 14 Tage
vor Spielbeginn in Düsseldorf angefangen. Nicht zuletzt aufgrund der
enormen Hitze damals waren die Arbeiten einfach zu langsam. Außerdem
fehlten die Routine und ein effizientes Konzept. Das Team stand erst vor einem
großen Berg mit Einzelteilen, den es zu einer Achterbahn zusammensetzen
musste."
Mit der Routine folgt der Auf- und Abbau einem festgelegten
Plan, bei dem jedes Element seinen Platz auf den Anhängern hat. Dabei
handelt es sich überwiegend um Spezialanfertigungen, die sich durch eigens
konstruierte Halterungen für die Einzelteile auszeichnen und so ein
effizientes Handling ermöglichen. Während der ersten Auf- und
Abbauvorgänge wurde die ursprüngliche Verteilung optimiert, so dass
möglichst alle Teile vom Anhänger direkt in die Anlage eingesetzt
werden können, ohne sie ablegen und später neu aufnehmen zu
müssen.
Die Bahn zwischen zwei Plätzen umzusetzen ist eine
logistische Meisterleistung, die der technische Betriebsleiter Siegfried
Scholten mit seinem Team seit der Premiere 1995 in Düsseldorf zum
10-jährigen Jubiläum rund 60 Mal bewältigt hat. Für Abbau,
Transport und Aufbau müssen mindestens acht Tage veranschlagt werden.
Diese Zeit lässt sich nur erreichen, wenn 20 Helfer rund um die Uhr
anfassen und nicht weniger als vier Kräne eingesetzt werden. 18
Zugmaschinen sorgen dann dafür, dass die einzelnen Transporte rechtzeitig
ihren Zielort erreichen. Dieser Zeitdruck ist jedoch die Ausnahme, in der Regel
werden ca. zehn Tage für den Abbau und vierzehn für den Aufbau
benötigt. Da es für den Eurostar keine zweite Sohle gibt (dies
ist beispielsweise bei der Wildwasser III der Fall), muss zuerst die
gesamte Anlage verladen und transportiert werden, bevor der Aufbau beginnen
kann.
Die Sohle stellt gleichzeitig auch den aufwändigsten
Abschnitt des Aufbaus dar. Sie muss exakt ausgerichtet werden, damit die
gesamte Bahn später gerade steht und die auftretenden statischen und
dynamischen Kräfte sicher in den Boden abgeleitet werden. Dazu werden
hochentwickelte Lasernivelliergeräte verwendet, mit deren Hilfe
sichergestellt wird, dass sich alle Stützpunkte in der gleichen Höhe
befinden. Je nach Ebenheit des Untergrunds wird die aus Stahl bestehende Sohle
unterschiedlich stark unterfüttert. Wie bei allen mobilen
Fahrgeschäften haben sich verschieden dicke Holzbalken- und bretter
für diesen Zweck durchgesetzt.
Der weitere Aufbau ist Routine: Stückweise werden die
jeweils folgenden Stützen aufgestellt und das nächste Schienensegment
darauf montiert, wodurch sich eine Eigenstabilität ergibt, so dass die
einzelnen Teilabschnitte frei stehen können. Durch die konische Gestaltung
der Verbindungen richten sich die Elemente automatisch richtig gegeneinander
aus, bevor sie mit riesigen Bolzen fixiert werden. Für die Stützen
wurden eher unübliche H-Profile verwendet, die das Ingenieurbüro
Stengel vorher nur bei der mobilen Münchner Bahn von
Schwarzkopf eingesetzt hatte, die 1982 auf dem Münchner
Oktoberfest Premiere feierte.
Aufgrund der kompakten Bauweise des Eurostar stand
nicht viel Platz insbesondere für schräg stehende Stützen zur
Verfügung. Beinahe senkrechte Rohrstützen, die außermittig
belastet wären, hätten jedoch teilweise Durchmesser von mehr als
einem Meter erfordert, um die auftretenden Kräfte ableiten zu können.
Daher griff man auch für den Eurostar auf die sogenannten
HEB-Profile zurück, die aufgrund ihrer Struktur weniger Bauraum
benötigen und gleichzeitig einfacher zu transportieren sind.
Die Züge werden an einem Schienensegment des Bahnhofs
hängend transportiert, wobei die Schiene über Transportstützen
auf einem späteren Bestandteil des Bahnhofs abgesetzt ist. Mit einem
Gewicht von 22,6 Tonnen handelt es sich dabei auch um den schwersten Transport.
Im Gegensatz zu kleineren Achterbahnen wird die Kette des Lifts nicht an einer
Stelle aufgetrennt und am Stück verladen. Stattdessen verbleibt sie
stückweise in den Abschnitten des Liftsegments und wird später
zusammengefügt. |
|
|
Erläuterung des
Streckenverlaufes |
Nach der Ausfahrt aus der Station an der Frontseite der
Anlage führt eine weite 180-Grad-Kurve den 28-sitzigen Zug zum Lift auf
der Rückseite. Mittels einer Kette werden rund 30 Höhenmeter
überwunden. Der sich anschließende First Drop beschreibt eine
enge Kehrtwende nach rechts. Innerhalb von fünf Sekunden beschleunigt der
Zug von 11 auf knapp 81 Stundenkilometer.
Der Ausgang der ersten Abfahrt endet im großen
Vertikallooping, der parallel vor dem Kettenlift angeordnet ist.
Diese Positionierung ist auch das größte Manko des Layouts, da die
imposante Fahrfigur vom vorderen Teil der Strecke und der Plattform der zweiten
Blockbremse teilweise verdeckt wird und daher nicht so publikumswirksam
zur Geltung kommt wie beispielsweise beim Olympia Looping. Dafür
ist die Positionierung der anschließenden Revolution umso effektvoller, da sich der Zug nach einer
Linkskurve an der Frontseite über die Station schraubt.
Nach einer weiteren Linkskurve haben die Fahrgäste das
erste Mal die Gelegenheit, kurz zu verschnaufen, während die Strecke
inklusive der ersten Blockbremse zwischen Lift und Looping gerade über die
gesamte Breite der Anlage führt. Nach einer erneuten Linkskurve folgen
zwei Schrauben direkt hintereinander durch die Mitte der Bahn, bevor eine
aufwärts führende Rechtskurve in die vordere, zweite Blockbremse
mündet.
Danach stürzt sich der Zug in eine enge
Abwärtshelix mit intensiven positiven Beschleunigungen, bevor er eine
knappe Minute nach verlassen des Lifts über einen kleinen "Hügel" in
die Schlussbremse an der Rückseite der Anlage einfährt und
langsam zurück in den Bahnhof rollt.
Es ist eine wirklich erstaunliche Leistung, ein solch
abwechslungsreiches Layout auf eine Grundfläche von nur 83 mal 43 Metern
zu pressen und dabei eine gesunde Mischung aus actionreichen und ruhigeren
Passagen zu erreichen. Die bereits angesprochene verdeckte Anordnung des
Vertikalloopings ist der einzige Schwachpunkt, und der ist ausschließlich
kosmetischer Natur.
Im Laufe der Zeit hat sich gezeigt, dass die Fahrt
stellenweise rau und unangenehm ist, was sich einerseits durch
Fertigungstoleranzen und andererseits durch den häufigen Auf- und Abbau,
bei dem besonders die Verbindungsstellen beansprucht werden, erklärt.
Verstärkt wird dies zusätzlich durch die geringe Grundfläche,
durch die eine enge Streckenführung mit entsprechend hohen Kräften
notwendig ist. Bereits im Premierenjahr 1995 haben sich kleinere
Kinderkrankheiten bemerkbar gemacht. Für den Hamburger Winterdom
wurde eine spieltaugliche Kurzsanierung vorgenommen, im Laufe der Saison und in
der darauffolgenden Winterpause wurden dann 16 Schienensegmente durch
Schubverdübelungen ausgesteift. Dabei handelt es sich um die gut
sichtbaren Bleche zwischen dem Backbone und den Schienenrohren.
Im Jahr 2003 entschloss man sich zu erneuten
Optimierungsmaßnahmen. "Es ist die Devise meines Mannes, dass er den
Besuchern auf jedem Geschäft eine schöne Fahrt bieten möchte.
Der Name Oscar Bruch soll stets für Qualität stehen", sagt Inge
Bruch. "Ich möchte betonen, dass es sich dabei um unsere eigene
Entscheidung gehandelt hat und nicht etwa um Auflagen des TÜV."
Nachdem auch die Banken grünes Licht für die
Finanzierung der Überarbeitung gegeben hatten, wurde der Eurostar nach dem
Münchner Oktoberfest 2003 auf dem Werksgelände der
Gerstlauer Amusement Rides in Münsterhausen aufgebaut. "Gerstlauer
hatte schon die Elektrik für die Alpina Bahn erneuert und in letzter Zeit
attraktive neue Bahnen gebaut. Da ist uns die Wahl nicht schwer gefallen, wen
wir mit der Überarbeitung des Eurostar beauftragen sollen", berichtet
Inge Bruch. Wie schon beim Bau der Achterbahn waren auch bei der
Überarbeitung die verschiedensten Firmen und Personen an dem Projekt
beteiligt.
|
Links: Durchfahrt Revolution - Rechts:
Ungewöhnliche Perspektive des Vertikallooping |
Vor dem Aufbau auf dem Werksgelände wurde durch das
Team von Siegfried Scholten bei allen Schienen eine manuelle
Spurweitenmessung mithilfe einer Schieblehre durchgeführt. Mit einem von
Gerstlauer gebauten Spezialwagen wurde dann bei der aufgebauten Bahn die
Einschnürung der Schiene vermessen.
Dies hat den Hintergrund, dass sich bei einer
Achschenkellenkung, wie sie beim Eurostar eingesetzt wird, durch die
Drehung des Zuges in einer Kurve der Abstand der Schienen entsprechend der
Geometrie des Fahrwerks verjüngen muss. Erfolgt dies nicht, so treten
Kräfte auf, die sich negativ auf die Sicherheit der Achterbahn wie auf den
Fahrkomfort auswirken. Die Messungen haben gezeigt, dass sich die Spurweite
überall im grünen Bereich befindet und sich aus diesem Grund keine
Notwendigkeit für einen Austausch der Schiene ergibt. Dennoch konnte bei
den später ausgetauschten Schienensegmenten die Spurweite noch optimiert
werden.
In einem zweiten Schritt wurden Beschleunigungsmessungen
durchgeführt. Mit dieser Aufgabe wurde Christian Rohm betraut, der
an der Technischen Universität München Vermessungswesen
studiert hat. Über seine Diplomarbeit in Kooperation mit dem
Ingenieurbüro Stengel, bei der er Geometrie und Kinematik der
Familienachterbahn im Märchenwald Wolfratshausen vermessen hat,
knüpfte er einen ersten Kontakt zur Freizeitbranche. Heute betreibt er ein
selbstständiges Ingenieurbüro in der Nähe von München, das
sich auf die Durchführung und Auswertung von Spezialmessungen aus allen
Anwendungsbereichen konzentriert.
Der Nachteil dieser Technik ist der, dass der
Beschleunigungsverlauf über die Zeit aufgezeichnet wird und sich so keine
Zuordnung zu einem Schienensegment vornehmen lässt. Für eine
TÜV-Freigabe ist dies auch unerheblich, da es einzig darauf ankommt, dass
gewisse Maximalwerte nicht überschritten werden. Zur Optimierung des
Tracks ist jedoch eine genaue Lokalisierung von Stellen mit hohen
Beschleunigungswerten notwendig. Die von Christian Rohm entwickelte
Technik besteht darin, zusätzlich mithilfe eines weiteren Sensors im
Bereich der Laufräder die Ties, das sind die Querriegel zwischen dem
Backbone und der Schiene, zu zählen. Somit lässt sich ein
Abtastzeitpunkt nun mit einer Genauigkeit von wenigen Zentimetern einem
Streckenpunkt zuordnen. |
|
|
Doppelschrauben |
Für die Beschleunigungsmessungen wurden triaxiale
Sensoren auf den Trägern der Züge, auf denen auch die Sitze befestigt
sind, montiert. Zwar wurden die Beschleunigungen in alle drei Richtungen
gemessen, ausschlaggebend für den Fahrkomfort sind jedoch überwiegend
die lateralen Kräfte.
Der Beschleunigungsverlauf wird während der Fahrt auf
eine Speicherkarte aufgezeichnet und anschließend zur Auswertung auf
einen Rechner übertragen. Die Aufzeichnung erfolgte mit einer Abtastrate
von 500 Samples pro Sekunde. Da der menschliche Kopf aufgrund seiner
Massenträgheit Beschleunigungswechsel über 15 Hertz jedoch nicht
wahrnimmt, erfolgte zunächst eine Tiefpassfilterung des aufgezeichneten
Signals. Ein sehr ähnliches System und Verfahren wird übrigens auch
vom TÜV eingesetzt.
Aufgrund der Beschleunigungsmessungen wurden die
Schienensegmente ausgemacht, die die höchsten Querbeschleunigungen
aufwiesen. Diese wurden von Christian Rohm dann mit einem 3D-Verfahren
vermessen, um sie mit den ursprünglichen Bauplänen vergleichen zu
können. Dazu wurde ein Tachymeter verwendet, mit dem die Koordinaten eines
Punktes im Raum erfasst werden können.
Für Messungen mit der benötigten Genauigkeit muss
jedoch an jedem zu vermessenden Punkt ein Messspiegel angebracht werden. Da es
einerseits zu teuer ist, ein sogenanntes Katzenauge an jedem zu vermessenden
Punkt zu installieren, und andererseits zu aufwändig, den Reflektor
wiederholt manuell um einige Zentimeter für die nächste Messung zu
versetzen, wurde eine spezielle Vorrichtung entwickelt, mit der sich dieser
Vorgang teilweise automatisieren lässt. Aus den Messungen wurden mit einer
eigens programmierten Spezialsoftware 400 Raumkoordinaten berechnet. Als
unabhängige Kontrolle wurden außerdem die bereits erwähnten
manuellen Spurweitenmessungen herangezogen. Die Messwerte wurden
anschließend zur weiteren Verarbeitung und Auswertung bis zur
Entscheidung, welche Schienenteile verbessert werden konnten und sollten, an
das Ingenieurbüro Stengel übermittelt.
|
Links: Kopfsteher in der Schraube -
Rechts: Helix |
Dort wurden die gemessenen Koordinaten zunächst mit den
ursprünglich errechneten Daten verglichen. Damit wurde Harald Wanner
betraut, der seit 1981 für Werner Stengel tätig ist und
bereits federführend für die dynamischen Berechnungen beim Bau des
Eurostar verantwortlich war. Seine Aufgabe bei der Überarbeitung
war es, Fertigungsdaten für neue Schienenstücke zu erstellen, mit
denen sich die auftretenden Querbeschleunigungen reduzieren
ließen.
Es galt, eine Lösung zu finden, die bei vertretbarem
Aufwand einen bestmöglichen Fahrkomfort ermöglicht. Die Hauptvorgabe
bestand darin, den alten Backbone weiterzuverwenden, da er optimal in die
Achterbahn eingepasst ist - ein Neubau hätte auch die Anpassung der
Stützen erfordert, was insgesamt zu immensen Kosten geführt
hätte. Damit war die maximale Abweichung von der alten zur neuen Schiene
auf drei Zentimeter begrenzt. Nach intensiven Berechnungen war die
bestmögliche Schienenführung ermittelt, und die Fertigungsdaten
konnten an die Gerstauer Elektro GmbH weitergegeben werden.
Anhand dieser Daten wurden in Münsterhausen die neuen
Schienensegmente gebogen. Dabei war es eine Auflage des TÜV, dass
ein Material zu verwenden ist, das die gleichen Eigenschaften bei dynamischen
Belastungen besitzt wie das ursprünglich verwendete.
Vor dem Aufbau für die Rheinwiesen 2004 in
Düsseldorf wurden die Revolution, die Kurve nach der Revolution und die Kurve
nach der ersten Blockbremse erneuert. Beschleunigungsmessungen nach
dieser ersten Umgestaltungsphase haben gezeigt, dass Spitzenwerte bei den
Querkräften um bis zu zwei Drittel gesenkt werden konnten. Vor dem
Münchner Oktoberfest wurden zusätzlich der Looping ausgesteift
und Löcher in den Schubverdübelungen vorgesehen, um deren
Eigenschwingungen und damit die Geräuschentwicklung zu reduzieren. Dies
und eine gleichzeitige Modifikation der Schienenverbindungen erfolgte unter
Regie des technischen Betriebsleiters Siegfried Scholten. "Die
Maßnahmen haben sich wirklich gelohnt", erzählt er. "Die Fahrt ist
deutlich angenehmer geworden. Auch an den Reaktionen der Fahrgäste merkt
man, dass wir einen sichtlichen Fortschritt erzielt haben."
|
Links: Luftaufnahme des Eurostar - Rechts:
Die Helix führt gekonnt durch den Stützendschungel |
Zusätzlich zu dem Austausch einiger Schienensegmente
erfolgten noch weitere Arbeiten durch die Gerstlauer Elektro GmbH: Zur
Reduzierung der Lautstärke wurden Modifikationen an der
Rücklaufsperre des Lifts vorgenommen. Unter Verwendung von
Pneumatikzylindern wird eine Abdeckung seitlich über das
Sägezahnprofil geschoben, wodurch die Raste, die im Notfall in das Profil
eingreift, über eine glatte Fläche läuft und nicht mehr von Zahn
zu Zahn springt, wodurch die Geräuschentwicklung ausgelöst wird.
Ein derartiger Eingriff in einen grundlegenden
Sicherungsmechanismus erfordert eine diffizile Steuerung, um die Sicherheit der
Fahrgäste zu gewährleisten und letztendlich eine Freigabe durch den
TÜV zu erhalten. Dazu wird ständig die Geschwindigkeit des
Zuges gemessen und mit einer Sollgeschwindigkeit verglichen. Ist sie geringer,
so wird die Abdeckung augenblicklich weggezogen und die Raste kann bei Bedarf
in das Sägezahnprofil eingreifen. Wie auch bei Bremsen üblich ist die
Konstruktion fail safe, geht also im Störungsfall in einen sicheren
Zustand über. Dies wird dadurch erreicht, dass die Abdeckung im
energielosen Zustand von Federn zur Seite gezogen wird.
Die Pneumatikzylinder müssen also bei Aktivierung des
Systems zunächst die Federkraft überwinden. Bei einer Störung,
beispielsweise bei Stromausfall oder abfallendem Druck in den Zylindern, wird
die Abdeckung automatisch entfernt und die Rücklaufsperre arbeitet wie
gewohnt. Durch den Wegfall des typischen "Klackerns" kann so der
größte Teil der Geräuschentwicklung vermieden werden. |
|
Fakten zum Eurostar |
Weltweit größter
transportabler Inverted Coaster |
Streckenlänge |
844
Meter |
Höhe |
30,15 Meter |
Grundfläche |
83 x 43 Meter |
Max. Geschwindigkeit |
81 km/h |
Max. Längsneigung |
45° |
Max. Querneigung |
121° |
Max. Vertikalbeschleunigung |
5,2g |
Max. Querbeschleunigung |
0,6g |
Max. Längsbeschleunigung |
0,8g (in der Stationsbremse) |
Netto-Fahrzeit |
46 Sekunden |
Fahrzeuge |
4 Züge mit 7 Wagen; 4 Plätze pro Wagen |
Kapazität |
2880 Personen pro Stunde |
Design |
Ingenieurbüro Werner Stengel, München,
Deutschland |
Gesamtleitung |
Bruch, Münsterhausen, Deutschland |
Betreiber bis Sommer 2008 |
Oscar Bruch, Andernach, Deutschland |
Premiere |
20. Juli 1995 |
|
|
Link zur offiziellen Webseite von Oscar
Bruch |
|
|
2005 startete der Eurostar in Frankfurt am Main
technisch komplett frisch herausgeputzt in sein 11. Jahr auf der Reise. Es
folgten die Plätze in Annaberg und Hannover sowie der Sommerdom in
Hamburg. Insgesamt wurden über eine Million Euro in die Überarbeitung
investiert - mehr, als so manches neue Fahrgeschäft in der Anschaffung
kostet.
Im Sommer 2008 folgte der Verkauf an den Gorki Park
in Moskau, eine großzügige Parkanlage, in die schon manche deutsche
Kirmesattraktion ihre letzte Ruhestätte gefunden hat. Für den
russischen Betreiber ist es sehr schwierig bis nahezu unmöglich, Anlagen
mit Betonfundamenten zu errichten, wie man sie in den Freizeitparks findet.
Daher sind die Fliegenden Bauten der Kirmes sein letzter
Rettungsanker.
|
Bodenlos in 30 Meter Höhe |
Rumort hat es immer mal wieder, doch seit Anfang Juli ist es
offiziell: Der Eurostar hat Deutschland verlassen. Zwar kamen noch
einige Transporte nach Düsseldorf zur Größten Kirmes am
Rhein, mit dem Aufbau begonnen wurde aber nicht mehr. Stattdessen wurde die
Achterbahn nach Russland gebracht. Die Betreiber des Gorki Park
in Moskau hatten bereits 2004 Kontakt zur Familie Bruch aufgenommen und
Interesse signalisiert, der Verkauf wurde aber erst vier Jahre später
besiegelt.
Die Familie Bruch sieht den Verkauf mit einem
lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits war die Bahn Oscars
Kind, sein ganz persönliches Projekt von der ersten Idee an.
Andererseits ließen gestiegene Kosten für Transport, Energie und
Personal den Betrieb immer schwieriger werden, dazu kommt der enorme
logistische Aufwand für die 2000 Tonnen schwere Anlage. Nicht zuletzt
sorgte Oscar Bruchs Schlaganfall im Jahr 2000 dafür, dass er sich
kaum noch einbringen konnte.
Gemischte Gefühle herrschen auch bei den Fans vor. Die
einen sehen den Verlust mit Bedauern, die anderen konnten sich ohnehin nie
richtig für den Eurostar erwärmen. Sie beanstanden besonders die
ruppigen Fahreigenschaften der Bahn. Bei aller Kritik wird aber allzu leicht
übersehen, welche Bedeutung die Anlage für die Achterbahnszene hatte.
Wer bei deren Premiere 1995 in Düsseldorf das Prinzip des Inverted
Coasters kannte, war im Jahr zuvor entweder in den Genuss von
Nemesis in Alton Towers oder El Condor in Walibi
Flevo gekommen - oder konnte sogar über den europäischen
Tellerrand hinausschauen. Für Deutschland war das Konzept hingegen
völlig neu. Und bis in den Jahren 2001 und 2002 das Triumvirat aus
Colossos, Expedition GeForce und Silverstar die Bühne
betrat, waren die gut 30 Meter Höhe des Eurostar und des Olympia
Looping hierzulande das Maß aller Dinge.
Einig sind sich hingegen die Platzmeister der großen
Kirmessen: Der Verkauf des Eurostar ist eine Katastrophe für die
deutschen Festplätze. Denn jetzt gibt es eine Großachterbahn
weniger, die den Veranstaltern zur Verfügung steht. Die ersten
Konsequenzen zeigen sich bereits diesen Herbst: Die Alpinabahn ersetzt
den Eurostar in München und fällt damit für den
Pützchen und Stuttgart aus und das vermutlich nicht nur in diesem
Jahr. Ersatz gibt es nicht, prompt stehen zwei Premiumplätze ohne
Großachterbahn da. Gab es für eine der "Großen Drei" mal etwas
Luft im Tourplan, konnte auch mal eine mittlere Kirmes beschickt werden - die
dadurch natürlich an Attraktivität gewinnen konnte. Das fällt
demnächst auch flach, da sich nur noch zwei Achterbahnen (plus
Höllenblitz) die Grandplätze teilen und so einen volleren
Terminplan mit ihren Wunschplätzen haben. Es kommt also zur Konkurrenz der
Veranstalter um die Bahnen. Will man als Marktmeister eines Nicht-Top-Platzes
dennoch eine große Zugnummer verpflichten, wird man sich wohl etwas
einfallen lassen müssen.
Die von vielen Fans herbeigesehnte neue transportable
Großachterbahn wird es vermutlich ebenfalls nicht geben. Dagegen sprechen
die in den letzten Jahren stark gestiegenen Betriebs- und Transportkosten, die
sich zusammen mit den Rohstoffpreisen natürlich auch auf die
Anschaffungskosten auswirken. Dazu kommen verschärfte Kriterien für
die Kreditvergabe. Auch logistisch gibt es nur wenige, die eine große
Anlage stemmen könnten. Die Familie Bruch wird sich so etwas in der
jetzigen Situation sicher nicht noch einmal antun, und Rudolf Barth
betreibt nun die größte transportable Achterbahn aus
Konkurrenz- wie Prestigegründen ist eine Neuanschaffung daher nicht
notwendig. So bitter es auch sein mag, die Ära der großen
Achterbahnen auf deutschen Kirmesplätzen scheint zu Ende zu gehen.
|
|
|
|
Wir bedanken uns bei nachfolgenden Personen für die
freundliche Unterstützung: Inge Bruch, Siegfried Gerstlauer, Josef Herzog,
Christian Rohm, Siegfried Scholten, Patrick Spieldiener, Harald Wanner und
Firma Lutz Hofmann - Aqua Velis |
|
Text: Coastersandmore - jp Bilder:
Coastersandmore |
|
|