|
|
|
Die Themenwelten der Freizeitparks fordern von den
Planern und Künstlern viel Kreativität, um Stahlachterbahnen und
andere technische Fahrattraktionen schlüssig in ein Gesamtkonzept
einfügen zu können. Egal ob Western, Comicwelt oder Weltraumuniversum
- oberste Prämisse ist die Glaubwürdigkeit der dargebotenen
Kunstwelt. Disney, der Perfektionist unter den Parkbetreibern, beschäftigt
alleine dazu eine Heerschar von Künstlern, Architekten und
Industriedesignern, die sich täglich mit der Gestaltung und der
Eingliederung neuer Attraktionen in die weltweiten Disney Parks
auseinandersetzen.
Alleine die Planung und der Bau einer neuen
Großachterbahn benötigt mindestens fünf Jahre. Die Liebe zum
Detail geht dabei soweit, dass die technische Hardware der Achterbahn (also
Schienen, Stützen, Züge, Antriebe und die Steuerung) nur einen
Bruchteil der Gesamtkosten benötigt - nach Insiderangaben meist weniger
als 20 Prozent des Gesamtinvestments, welches in Regionen von 100 - 150 Mio.
Euro für eine neue Großattraktion liegt. Bei Disney
fährt das Auge mit und wird förmlich mit Reizen überflutet.
Derartige Summen sind im niederländischen Sevenum
unvorstellbar. Für die zweite Ausbaustufe des Toverlandes, dem
magicForest, einem magischen Zauberwald, wurden gerade einmal 15 Mio.
Euro aufgewendet. Dennoch erzeugen Kulissenaufbauten, gezielte Beleuchtung und
Sounduntermalung eine dichte Atmosphäre.
Der ganzjährig geöffnete und teilweise
überdachte Freizeitpark verdoppelte mit dem magicForest im Juli
2004 schlagartig sein Angebot - Wildwasserbahn, Fun House, Bobkartbahn,
Kletterparcours und das Booster Bike, eine Weltneuheit des
niederländischen Achterbahnherstellers Vekoma, inklusive.
Coastersandmore.de sprach mit dem Designer Arndt
Grutke, um am Beispiel des Toverlands mehr über die Gestaltung
von Fahrattraktionen und den Beruf des Freizeitpark-Designers zu
erfahren. |
|
|
. |
|
|
|
|
Arndt Grutke vor dem Schuss der Back
Stroke |
|
Coastersandmore: Was leistet ein
Freizeitpark-Designer?
Arndt Grutke: Er entwickelt für den Ride
einen passenden Rahmen, der thematisch dem Charakter der Anlage entspricht.
Umgesetzt wird dies in zahlreichen Zeichnungen, Modellen und Studien, welche
als Grundlage für die Realisierung dienen.
Wie sind Sie Freizeitpark-Designer geworden?
Ich habe klassisch Grafikdesign in Hannover studiert und
nebenher immer leidenschaftlich gezeichnet - Comics im Speziellen, was aber bei
den Professoren nie so richtig angekommen ist. Nach dem Studium folgte eine
Festanstellung in einer Agentur, wobei ich hauptsächlich Gebrauchsgrafik
gemacht habe. Im Oktober 2003 haben ein Freund und ich uns mit goldorange
selbstständig gemacht.
Einer unserer ersten Kunden, die Firma Günter
Engelhardt, für die wir den Internetauftritt gestalteten, vermarktet unter
anderem Fahrgeschäfte der Firma Mack. Im Falle der
Wildwasserbahn-Auslieferung an das Toverland wurde eine thematische
Design-Umsetzung gesucht, anhand derer die französische Firma Atelier
Artistique du Beton (AAB) die Felslandschaft erstellen sollte. Wir sagten zu
und schon waren wir im Geschäft - es war eigentlich ein Selbstläufer.
So entstand die Felsen-Integration der Wildwasserbahn, der große
Drop-Baum auf dem Außengelände und die Hallen-Felsen-Deko als
Design-Entwurf von uns.
Aber die Wildwasserbahn war doch nicht der einzige
Design-Entwurf für das Toverland?
Das Toverland steckte mitten in den Planungen und suchte
für seine Erweiterung des Parks unter dem Thema magicForest eine tragende
Sympathiefigur. Im Wettbewerb mit einem holländischen Illustrator
überzeugten dann unsere Entwürfe von Zork und dem von uns erfundenen
Swamp, dem kleinen Pilz.
Die Entwürfe wurden ausgearbeitet und für die
Merchandise-Artikel sowie auch die Food-Disposables (Menüboxen, Becher,
Teller, etc.) vorbereitet. Aufgrund der guten und fruchtenden Zusammenarbeit
durften wir ebenfalls das Toverland-Logo relaunchen und das Corporate Design
des Parks überarbeiten.
Und schließlich haben wir auch das Booster Bike
thematisiert. Der Kontakt zum Achterbahnhersteller Vekoma kam über den
Wunsch des Toverlands.
Auf welche Art und Weise wurde das Leitthema magicForest
bei der Achter- und der Wildwasserbahn umgesetzt?
Die Idee war, tote Materie zu beseelen. Dies zieht sich
durch den gesamten magicForest und soll so unterschwellig eine zauberhafte
Umgebung kreieren. Bei der Wildwasserbahn "Back Stroke" ist dies zum Beispiel
der in die Felsenlandschaft integrierte Zork-Charakter, der dem Besucher durch
Wasserspritzer Streiche spielt.
|
Back Stroke in Realita - In- und
outdoor |
|
Und im speziellen beim "Booster Bike?"
Dieser neuartige Motorbike Coaster mit seiner
Katapultbeschleunigung und den stählernen Stützen passt von seiner
Grundstruktur schwer in den magicForest. Also wird die Achterbahn von der Natur
förmlich vereinnahmt, wandelt sich in ihrem Wesen und wird
schließlich zu etwas Lebendigem. Letzteres drücken zum Beispiel die
Augen auf dem Motorrad aus. Die stilisierten Zweiräder erhielten noch eine
tarnfarbene Bemalung, die dem Muster eines Tigers oder einer Schlange
ähnlich ist. Die so gewonnene Assoziation mit einem Raubtier
unterstützt die Geschwindigkeit und stellt die Aggressivität heraus,
welche die Sitzposition inne hat. Die Vereinnahmung durch die Natur ist
besonders gut im Bereich der Station erkennbar, wo sich Schlingpflanzen um
deren stählernen Aufbau ranken.
Woher kam die Idee, die Station förmlich von
Schlingpflanzen vereinnahmen zu lassen?
Eines der Grundmotive des magicForest ist die Liane. Diese
schlängelt sich an den Bäumen entlang oder vereinnahmt im
Außengelände den Baumstumpf der Wildwasserbahn. Die Liane
übernimmt damit eine inhaltliche Führung. Sie taucht immer mal wieder
auf, verschwindet wieder unter der Erde und verbindet den gesamten magicForest
zu einem gewachsenen Park. Und selbst das Booster Bike mit seinem
grünfarbenen Schlingerparcours ist eine stilisierte Liane. Im Bereich der
Station sind deren Auswüchse als fleischfressende Elemente ausgestaltet.
Angedacht war auch eine Verkleidung der hinteren Stützen. Dort sollten
sich eigentlich Lianen hochschrauben, um diese stärker
herauszustellen.
Der zeitliche Rahmen für die Umsetzung der Ideen war
äußerst eng gehalten - Wie haben Sie es geschafft, der Achterbahn in
der Kürze der Zeit einen eigenen Charakter zu geben.
Vor der Gestaltung der Achterbahn haben wir die neuen
Charaktere des Toverlandes gestaltet, also den Zork, den grünen
Waldmenschen, und den kleinen Freund, den Pilz. Von daher war es ein Prozess,
der im Kopf reifen konnte. Letztendlich ist der Schritt, zu überlegen, wie
ein technisches Bauwerk in eine natürliche Umgebung einzubinden ist, der
eigentlich wichtige Gedankenblitz, die Grundidee, die passen muss. Für
mich war dies ein kognitiv schnell und einfach nachvollziehbarer Schritt
gewesen - schon in Kindheitstagen hatte ich den Hang dazu, in toten Dingen
immer etwas Lebendiges zu sehen, mir ihre Bewegungen vorzustellen. |
|
|
|
Was sind Ihre Werkzeuge zur Visualisierung der
Arbeit?
Bleistift, schwarzer Filzstift und ein Computer - mehr
brauche ich eigentlich nicht. Letzterer wird jedoch nicht zum Einsatz einer
CAD- oder Rendering-Software verwendet, mit denen heutzutage gesamte
Zeichentrickfilme entstehen. Der Bleistift ist anfangs das wichtigste Utensil.
Beim Vorzeichnen werden die Proportionen festgelegt und die Grundform des
Ganzen bestimmt.
|
Arndt Grutke und Lars Flick vor dem
Booster Bike |
|
Beim Charakterdesign geht es auch stark in die
förmliche Darstellung. Das Modellieren mit Knetmasse ist dabei sehr
bedeutend für die Visualisierung. Derartige Figuren und Modelle aus Fimo
und Plastilin kann ich mir auf den Tisch stellen und weiterentwickeln. Die
Figuren werden sofort greifbar - für uns und für die Kunden.
Ganz früher habe ich den Entwicklungsprozess immer mit
einem Klumpen Knete begonnen und daraus die Figuren geformt - heute habe ich
diesen Prozess fast gänzlich verinnerlicht. Das Ausformen läuft nun
im Kopf ab. Dieses dreidimensionale Gedankenmodell muss ich dann nur noch auf
Papier übertragen. Mit dem richtigen Gefühl für Perspektiven ist
dies sehr einfach möglich.
Gibt es ein Patentrezept für die
Charakterentwicklung?
Jeder Charakter ist letztendlich eine Übertreibung,
eine Ausprägung, mit der etwas ausgedrückt werden soll. Eine gute
Karikatur ist wie ein Charakter, der durch Überhöhung mit dem
Betrachter förmlich kommuniziert. Durch einen simplen Aufbau von
Grundformen wird das Blatt eingeteilt, dann markante Gesichtsgeometrien
überzeichnet. Somit wird die Figur vielleicht bissiger oder aggressiver.
Schrittweise kann man sich dann mit geometrischen Formen und Strukturen an
einen Ausdruck herantasten. Letztendlich ist ein Charakter auf simple
geometrische Figuren zurückführbar. Schon aus einem
Strichmännchen kann mit wenigen kugelartigen Elementen eine ganze
Geschichte erzählen - beispielsweise wenn sich die Kugeln und ihre
Proportionen verschieben. Das Zeichnen vollzieht sich dabei wie in einem
simplen 3D Zeichenprogramm, nur ohne jegliches technisches Know How.
Gab es schon vor den Arbeiten für das Toverland
vergleichbare Projekte?
Vor der Gründung unserer Firma goldorange hatten wir
mit einem befreundeten Grafiker eine Ausstellung zum Thema Monster
durchgeführt. Ein Bekannter ist Musiker und so wurde die Idee der
monstertunes verwirklicht. Die von uns Grafikern gezeichneten Charaktere wurden
mit zahlreichen Sounds, den sogenannten Monster Beats, ausgestattet. Dazu gab
es eine Ausstellung mit einem entsprechenden Umfeld zum Thema Monster, die gut
angenommen wurde. Im Internet haben wir unter
www.monstertunes.de
ebenfalls Content eingestellt, zudem eine CD-ROM erstellt. Auf dieser
können die Monster aus verschiedenen Elementen zusammengesetzt werden,
quasi getuned werden - monstertunes eben.
Nun haben Sie die Welt des magic Forest auch einmal
"real" gesehen - Was waren Ihre Eindrücke und Gedanken?
Ich vermixe etwas Technisches mit einem kunterbunten
Comicgut, wobei ich später sogar den Vorteil habe, durch meine Welt
hindurchgehen zu können und direkt miterleben kann, wie sie auf Menschen
wirkt. Letztendlich wird einem ein Denkmal gebaut - um es nach der Band "Wir
sind Helden" auszudrücken. Wenn ich jetzt so auf die Wildwasserbahn
schaue, auf den Baum und auf die Hallenfassade und innen die Deko, deren
Zusammenspiel mit den Booten betrachte und sehe, wie sich die Besucher
erfreuen, ist es richtig klasse - Gebrauchsgrafik, die ich früher gemacht
habe, wird als selbstverständlich hingenommen. Bei einem Flyer für
eine Bank steht der Nutzen im Vordergrund, hier ist es die Optik, die zusammen
mit dem technischen Aspekt etwas Besseres ergibt.
Ihr erstes Booster Bike Erlebnis?
Am Anfang hat mich völlig dieses Anzugsmoment
überrascht und dann auch dieses einmalige Motorradfeeling. Gerade durch
diese freie Sitzposition kommt ein super Adrenalinkick rüber, auch wenn
die Bahn keine tausend Loopings hat, die ich eigentlich auch gerne fahre. Vom
Anzug und der Sitzposition her ist es spektakulär, schnell und schreit
nach mehr.
Ihre Lieblingsachterbahn?
Jetzt wird es schwierig - lacht - ich könnte mich jetzt
hier als großer Kenner der Szene outen, der ich aber nicht bin... - nein,
den Silver Star finde ich ganz gut, obwohl der aufgrund seiner Höhe einen
anderen Schwerpunkt besitzt. Vom Angstfaktor hat mich der Silver Star
jedenfalls am meisten beeindruckt. Angst hatte ich auf dem Booster Bike nicht,
aber die Bahn zielt in ihrer Dynamik auch in eine andere Richtung,
schließlich soll die gesamte Familie mitfahren können. |
|
|
|
Angenommen, Sie hätten unendlich viel Budget und
unendlich viele Ressourcen zur Verfügung - wie würde eine Achterbahn
aus der Sicht des künstlerischen Designers aussehen?
Das Ideale wäre etwas, was bis ins I-Tüpfelchen
stimmt, wo quasi jede Schraube ausgestaltet ist. Es muss keine Bahn mit
Angstfaktor pur sein. Man sollte jedoch sehen, dass die Bahn überlegt
geplant wurde, sich Gedanken gemacht wurden, welche die Achterbahn
schlüssig zu einem bestimmten Thema rüberbringen - wie zum Beispiel
das Thema Berg und Eis.
|
Arndt Grutke vor dem
Zork-Kopf |
|
Dann muss aber alles auch stimmen - die Schienen, die
Fahrzeuge, die Station, die dann vielleicht wie ein Gletscher aussehen kann.
Die ganze Bahn muss in sich plausibel stimmig sein, muss eine Geschichte
erzählen. Was nicht passieren sollte, ist dass urplötzlich gesagt
wird, das geht auch schon so, wir nehmen Normschrauben, weil es billiger ist.
Wenn man mit viel Anspruch an etwas herangeht, dann wird das gut, aber auch
teuer.
Das bedeutet aber nicht, dass die gesamte Bahn in einer
Kulisse versinken muss, beispielsweise komplett von Beton eingehaust wird, da
somit das Bauwerk Achterbahn wieder viel stärker in den Hintergrund
rückt. Zwar wird es bestimmt viele Firmen freuen, wenn sie eine Betonwelt
errichten könnten, ein Ride muss aber nicht unbedingt komplett
eingehüllt werden, wenn er ästhetisch den Technikgedanken
rüberbringt oder als imposantes Werk in sich wirkt wie zum Beispiel das
"Booster Bike".
Was sehen wir von Ihnen in der Zukunft?
Vekoma war damals mit unserer Arbeit sehr zufrieden, sodass
eine weitere illustrative Zusammenarbeit folgte. Weitere, noch geheime
Vekoma-Attraktionen wurden von uns thematisiert und visualisiert. Zudem
arbeiten wir derzeit an der Umsetzung eines größeren Rides für
einen deutschen Freizeitpark... - bis jetzt aber noch alles top secret!
Herzlichen Dank für das Gespräch und viel
Erfolg bei Ihren weiteren Projekten. |
|
Bilder / Skizzen: coastersandmore, goldorange, AAB,
Vekoma |
|
|