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Fluch von Novgorod - Ein Segen für den Hansa Park?

Der Airtime-Hügel direkt nach dem Magnetlaunch

Es gibt Freizeitparks, die eine neue Attraktion mit einem großen Spektakel eröffnen und sie bis zuletzt geheim halten wollen. Das ist im Internetzeitalter schlicht nicht möglich, und so wirkt es sehr befremdlich, wenn der Bau einer neuen Achterbahn geleugnet wird, selbst wenn die Testfahrten schon bei diversen Videoportalen zu sehen sind. Ganz anders war die Taktik des Hansa Park beim Marketing des Fluch von Novgorod. Schon frühzeitig hat man eine spezielle Internetseite gestaltet, eine Hintergrundgeschichte kreiert und die Öffentlichkeit immer wieder mit Informationshäppchen gefüttert. Das sorgt einerseits für dauerhafte Aufmerksamkeit, steigert andererseits aber auch die Erwartungen.

Im April 2008 wurde die neue Achterbahn erstmals kommuniziert, und mit Kataplektor hat man eigens eine neue Kategorie erfunden. Als Hersteller verdichteten sich die Hinweise auf Gerstlauer allmählich zur Gewissheit, nach denen der bekannte Eurofighter mit seinem 97° steilen Absturz mit einem elektromagnetischen Katapultstart kombiniert werden sollte. Im September wurde die zugehörige Internetseite freigeschaltet, auf der nicht nur ein Baublog mit Fotos zu finden ist, sondern auch die Storyline interaktiv entdeckt werden kann. Aus Sicht der Fanszene kann die Marketingarbeit des Parks nur als vorbildlich bezeichnet werden.

Links: Luftaufnahme von Novgorod - Rechts: steile Nicht-Kurve als Einfahrt in den Buchtknoten

Die Thematik der Bahn hat sich quasi zwangsläufig ergeben: "Unser Thema ist die Hanse", sagt Henrik Kazanczuk, Abteilungsleiter für Fahrgeschäfte. "Um die Achterbahn zu verkleiden, haben wir zwei Türme und einen Wehrgang gebraucht - und die gab es bei der Hansestadt Novgorod." Damit lag die Richtung der Gestaltung fest. Doch wie kam es überhaupt zu diesen Randbedingungen? Man wollte einen Launch Coaster bauen, aber auch eine Weltneuheit präsentieren. Außerdem sollte es eine Achterbahn mit Einzelfahrzeugen werden. So entstand die Idee, einen Magnetantrieb mit einem Turmaufzug zu kombinieren.

Der Kontakt zu Hubert Gerstlauer besteht schon seit Jahrzehnten, als dieser noch bei Anton Schwarzkopf arbeitete. Zwar hat auch Maurer ein Angebot abgegeben, doch wäre eine solche Anlage für die Münchner zum damaligen Zeitpunkt ein Prototyp gewesen, und der Park wollte bei den Herstellern seiner Achterbahnen diversifizieren - die Wilde Maus Crazy Mine kommt bereits aus der bayrischen Landeshauptstadt. Den mechanischen Energiespeicher, der einen Magnetantrieb im Park erst ermöglicht, hätten jedenfalls beide Hersteller im Angebot gehabt. Von Vorteil waren auch die Fundamente: Üblich sind relativ große Betonblöcke, in denen die Stützen verankert werden. Dies hätte jedoch einen nicht unerheblichen Flurschaden an der jahrelang gepflegten Bepflanzung verursacht. So hat man auf Bohrpfähle zurückgegriffen. Dabei werden bis zu 12 Meter lange Stahlzylinder mit 70 Zentimetern Durchmesser in den Boden gerammt, ausgebohrt und mit Beton gefüllt, in dem die Stützen vergossen werden.

Der ungewöhnlich kalte Winter 2008/2009 hat die Bauarbeiten jedoch so stark verzögert, dass zwar die Achterbahn an sich, nicht jedoch die Thematisierung vollständig fertiggestellt werden konnte. Somit stand der Hansa Park vor der Wahl: Sollte man die Arbeiten erst abschließen und dann eröffnen? Da man während der Saison nicht arbeiten wollte, hätte dies bedeutet, eine technisch fertige Anlage ein Jahr lang nicht zu betreiben. So entschloss man sich, die Bahn pünktlich zur Saison 2009, aber mit nur rudimentärer Gestaltung in Betrieb zu nehmen und diesen als Soft Opening zu bezeichnen.

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So sahen die beiden großen Türme in der Saison 2009 noch reichlich unfertig aus, genau wie der Eingangsbereich und die Außengestaltung des Launch- und Bremstunnels sowie des mechanischen Energiespeichers für den Magnetantrieb. Auch die Gestaltung von Wartebereich und Station war noch nicht abgeschlossen. Eine getrennte Warteschlange für Einzelfahrer ist bei Fahrzeugen mit Viererreihen sicher eine gute Idee, ist jedoch noch nicht gut als solche zu erkennen und zweigt recht spät vom normalen Wartebereich ab - bis zur Gabelung hat man teilweise schon recht lange gewartet. Hier ist also zu hoffen, dass die Fertigstellung noch eine bauliche Änderung mit sich bringt.

Fast 90 Grad Querneigung, aber dennoch keine Kurve

Die Fahrt

Links: Der Buchtknoten ist im Grunde nichts anderes als eine sehr lange Rechtskurve mit ständig wechselnder Krümmung - Rechts: Wehende Haare selbst bei "nur" -0,8 G

Hat man auf einem der acht Sitze Platz genommen, öffnet sich ein Flügeltor und die Fahrt beginnt mit einer Linkskurve durch zwei getrennte Themenräume. Diese sind bislang etwas karg ausgestattet, nur zwei Vogelscheuchen sind hier zu finden. Es folgt ein steiler, 4,5 Meter hoher Drop direkt in die 25 Meter lange Beschleunigungsstrecke. Hier spielt der LSM-Antrieb seinen großen Vorteil gegenüber Launchsystemen mit Catch-Car aus, da die Wagen nicht gestoppt und eingeklinkt werden müssen, sondern aus der Bewegung heraus beschleunigt werden. Im Gegensatz zu den anderen beiden bereits eröffneten Magnetlaunchern von Gerstlauer kommen im Hansa Park die bekannten Fahrzeuge mit Eurofighter-Sitzanordnung zum Einsatz und nicht die herausragenden Sechssitzer mit Stadium Seating.

Nach einer Rechtskurve geht es hinaus ans Tageslicht und mit gut 85 km/h den knapp 24 Meter hohen Airtimehügel hinauf. Es folgt eine hochgestellte Immelmann-Steilkurve nach links, die in den sogenannten Buchtknoten mündet. Der Buchtknoten ist eine neuartige Streckenabfolge bestehend aus einer einzigen, ungleichmäßigen 720-Grad-Rechtskurve. Zunächst fährt der Wagen einen beinahe vollständigen Kreis als Steilkurve, deren Radius sich am Ende vergrößert um danach zu einem zweiten Kreis mit engem Radius zu werden. Die beiden Kreise liegen nebeneinander und sehen aus der Luft betrachtet wie ein Schmetterling aus. Die Rechtskrümmung geht nach der Ausfahrt aus dem Knoten nahtlos in eine Heartline Roll über, die in eine Bremssektion vor dem sogenannten Saviour-Tower mündet.

Hier wartet nun der für Gerstlauers Eurofighter typische, 15 Meter hohe Vertikallift mit anschließendem 97-Grad-Drop. Aufgrund des Timings und der begrenzten Anzahl von Mitnehmern in der Liftkette wird das Fahrzeug jedoch für einige Zeit in gekippter Lage gestoppt. Die bislang so flotte Achterbahnfahrt wird also jäh unterbrochen - von der Einfahrt in die Bremse bis zur Liftkuppe vergehen 40 Sekunden, was länger ist als die bisherige Fahrt. Das lässt sich sicherlich noch geringfügig optimieren, doch die Dynamik der Achterbahnfahrt ist erst mal dahin. Zumal nach dem Lift nur der besagte, 19 Meter tiefe Drop, eine Steilkurve, die Schlussbremse und als Schlusspunkt eine etwas intensive und äußerst unerwartete Auffahrt in die Station folgen.

Lift und Drop - diese beiden Elemente zeichnen einen Eurofighter aus und sind die herausragenden Eyecatcher einer solchen Anlage. Auf diesen Effekt hat man im Hansa Park verzichtet und die Konstruktion in einem geschlossenen Turm untergebracht. So verliert die Bahn für die Zuschauer an Zugkraft und für die Mitfahrer an Schrecken - für letztere fehlt insbesondere der optische Reiz des mehr als senkrechten Absturzes. Aus dem Blickwinkel des Storytelling mag das so ganz richtig sein - oder vielmehr werden, wenn die Gestaltung zur Saison 2010 fertiggestellt ist. Für die Publikumswirkung ist das aber zumindest schade.

Bilderserie des Fluch von Novgorod

Aussichten 2010 und Fazit

Die Heartline Roll ist die einzige Inversion

Für die Saison 2010 soll die Anlage nun komplettiert und überarbeitet werden. Die nur provisorisch im ersten Raum nach der Station aufgestellten Vogelscheuchen werden an den Eingang verlegt und die Räume vollständig dekoriert sowie mit 3D-Projektionen ausgestattet. Die beiden Türme werden gänzlich verkleidet, die Liftauffahrt im Saviour-Tower wird mit Animatronics versehen und die Gestaltung von Eingangs-, Warte und Stationsbereich komplettiert. Auch hier bedient der Park die Fans vorbildlich mit einer ständig aktualisierten Fotogalerie - und was es dort zu sehen gibt, verspricht ein detailreiches, hochwertiges und stimmiges Gesamtpaket.

Fakten zu Der Fluch von Novgorod (Saison 2009)

Der Fluch von Novgorod bietet den weltweit ersten Eurofighter mit zusätzlichem Magnetabschuss.

Schienenhöhe

26,6 Meter

Schienenlänge

584 Meter

Max. Geschwindigkeit

85,5 km/h

Max. Längsneigung

97°

Beschleunigung

-1,1g bis +4,7g

Netto-Fahrzeit

100 Sekunden

Fahrzeuge

4 Wagen; 8 Plätze pro Wagen

Hersteller

Gerstlauer Rides GmbH, Münsterhausen, Deutschland

Betreiber

Hansa Park, Sierksdorf, Deutschland

Eröffnung

09.04.2009

• Link zur Webseite des Hansa Parks

Außer den optischen gibt es auch technische Änderungen. So sollte der Launch intensiviert werden, um auf dem Airtimehügel bis zu -1,5 G und mehr statt der bisherigen -0,8 G zu erreichen. Dazu hätte die Geschwindigkeit von gut 85 km/h lediglich auf 90 km/h gesteigert werden müssen. Das Layout und der Antrieb hätten dies hergegeben, und auch der TÜV Süd hat schon sein Einverständnis gegeben. Problematisch sind aber die Fundamente und die Stützstruktur. Drei Wochen vor Beginn der Saison 2010 lagen einige berechnete Szenarien für Zwischenwerte vor. Kurz darauf wurde beschlossen, die Geschwindigkeit auf knapp 88 km/h zu erhöhen, wodurch auf dem Airtimehügel dann -1 G erreicht wird.

Auch ein Teil der Schiene wurde zu diesem Zeitpunkt bereits ausgetauscht. Die kurze Auffahrt in die Station war als intensiver und überraschender Abschluss gedacht, hat sich aber als vielleicht zu intensiv und überraschend herausgestellt. Die Kräfte auf dem alten Schienensegment waren einfach zu stark und setzten zu plötzlich ein. Der Austausch soll nun den gewünschten Effekt gebracht haben. Für den Fahrgast nicht erkennbar ist die Überarbeitung des Energiespeichers, um dessen Schwingungsneigung zu unterdrücken. Nach dem Wiedereinbau wird er verkleidet und dadurch der Optik des benachbarten El Paso Express angepasst.

Erfüllt der Fluch von Novgorod nun die Erwartungen? Wenn man losgelöst einzig die reine Achterbahnfahrt bewertet, dann lässt sich ein Nein durchaus vertreten. Zwar ist der Beginn wirklich flott und abwechslungsreich, doch zu störend ist die Unterbrechung durch den Vertikallift und zu kurz das, was danach noch folgt. Und der optische Reiz der Bahn geht dadurch verloren, dass der Vertikallift komplett umbaut ist. Sieht man die Achterbahn jedoch als temporeiches Transportsystem einer Gesamtattraktion, so hat das Konzept durchaus Potential. Zumal das Gesamterlebnis nach der Achterbahnfahrt nicht etwa beendet ist, sondern noch ein kurzer, aber gelungener Walk-Through-Teil folgt. Eine knappe und verständliche Einführung in die Geschichte und überzeugende, gut getimte Effekte könnten aus dem Fluch zwar keinen Segen, aber eine innovative und einzigartige Attraktion machen.


Text: Coastersandmore - jp
Bilder: Coastersandmore

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