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Maurer Söhne |
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Betriebsbesichtigung bei Maurer
Söhne |
Ende September veranstaltete die Münchner
Herstellerfirma Maurer Söhne zum dritten Mal ein Roller Coaster Forum, das
sich mehr und mehr als kreatives Symposium für potentielle Kunden zu
etabliert weiß. In diesem Jahr lag der Schwerpunkt denn auch weniger auf
die Maurer-eigene Produktpalette, sondern vornehmlich auf die
Thematisierungsmöglichkeiten von Achterbahnen allgemein - Attraktionen,
die aufgrund ihrer Größe als ganz besonders schwierig zu gestalten
gelten.
Ein oder mehrere Vertreter folgender Parks nahmen am
diesjährigen Forum teil: Belantis, Disneyland, Drayton
Manor, Hansa-Park, Efteling, Lunds Tivoli und
Tripsdrill. Sie alle erwartete ein hochklassiges Referententeam, denn
Maurer Söhne ist es gelungen, bekannte Designer, Architekten und
Kenner der Branche zu gewinnen.
Alex Lemmens, langjähriger Kreativdirektor bei
De Efteling und nun als leitender Projektentwickler im europäischen
Büro von BRC Imagination Arts tätig, mahnte zu Beginn der
Veranstaltung alle Parkbetreiber, einen realistischen Zeitplan zu erarbeiten.
Denn dies verhindere explodierende Kosten, technische Unzulänglichkeiten
und ein für alle Seiten ärgerlicher, verspäteter
Eröffnungstermin. Nach der "Dust Free"-Phase als Schlüsselelement
für den Erfolg müsse auch eine "Soft Opening"-Phase fest eingeplant
werden. Denn während dieser Zeitspanne könne man ohne vorherige
Ankündigung die Attraktion einfach schließen
oder auch
öffnen, was für die Parkbesucher wie ein zusätzliches Geschenk
wirke. Weiterhin betonte Lemmens, die Storyline müsse das Fundament und
der entscheidende Träger einer jeden neuen Attraktion sein. Um dieses
sicherzustellen sollten Parkbetreiber, Hersteller, Projektentwickler, Architekt
und Designer als Partner zusammenarbeiten.
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Das SkyWheel im Allgäu Skyline Park
bietet extreme Beschleunigungen auf kleiner Grundfläche |
Dr. Alfred Müller und Dr. Martin
Schneider von Maurer Söhne unterstrichen im Anschluss daran die
enge Zusammenarbeit mit dem Kunden. Um optimale Fahreigenschaften nach neuesten
Standards zu gewährleisten, werde eine professionelle Überarbeitung
des Layouts und der einzelnen Fahrfiguren mit dem von Maurer Söhne neu
entwickelten Programm XTRAC bewerkstelligt. Direkt aus diesen
Plänen können dann die Biegekoordinaten abgelesen werden, da auch die
Biege- und Stahlarbeiten im eigenen Hause erfolgen. Alexander Bresinsky
vom Berliner Designbüro flying saucer stellte der Hörerschaft
dann die Frage: "How real is authenticity?" Das was authentisch ist, so
Bresinsky, seien im allgemeinen lokale Gegebenheiten, die vorhandene Landschaft
und existierende Gebäude, diverse Inhalte wie Ausstellungen und Prozesse,
Menschen und Tiere und vielleicht noch Zeit und Atmosphäre. Aber auch die
Illusion des Wirklichen könne ein noch nie gekanntes Erlebnis von
Authentizität beinhalten.
Theatralische Authentizität wurde bereits auf der
Pariser Weltausstellung im Jahre 1900 dargeboten (zum Beispiel konnte
man Platz nehmen in einem Eisenbahnwaggon, der sich zwar nicht bewegte, aber
für eine derartige Simulation sorgten beidseitig bewegte
Endlos-Panoramabilder). Authentizität sei somit subjektiv empfundene
Echtheit. Die Entwicklung eines Themas sollte gleichbedeutend sein mit der
Kreation von Erlebnissen. Die Aufgabe sei die Entwicklung einer Story, einer
Geschichte - und die Werkzeuge dazu Architektur, Licht- Sound- und
Medieneffekte und die Angestellten. Das Ergebnis, was es zu erreichen gelte,
seien möglichst starke emotionale Erlebnisse der Besucher. Mit der Fusion
von Authentizität und Thematisierung erreiche man eine weitere Anhebung
des Levels, beispielsweise habe dies Disneyland vorgemacht durch eine
thematisierte Umgebung. Vorteil dieser Maßnahme sei die stärkere
Attraktivierung des gesamten Ortes. Allerdings müsse die richtige Balance
getroffen werden, damit es echt ausschaut und nicht übertrieben
künstlich. |
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Ohne Thematisierung aber mit reichlich
Fahrspaß kommt das Skywheel daher |
Dabei können Achterbahnen mit ihrer reinen,
authentischen Erfahrung, ihrer physikalischen Emotion und ihrer eleganten
Struktur eine besondere Rolle spielen. Auf ein Minimum Thematisierung sollte
jedoch nicht verzichtet werden, beispielsweise eine kleine Storyline im
Wartebereich, beim Wagendesign oder durch die Benutzung vorhandener Elemente.
Rich Marthe von den Walt Disney Imagineers knüpfte daran an,
und verkündete das Motto seines Unternehmens: "Wir entwickeln Visionen und
Träume und lassen sie Wirklichkeit werden." Gleichzeitig betonte er die
stetigen Anstrengungen von Disney, schließlich könne man sich
nicht auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen. Doch natürlich
müsse man sich auch den Realitäten stellen, und so basiere jedes neue
Projekt auf höchstem Nutzwert bei minimalen Kosten.
Grundsätzlich gebe es die Einteilung der Projekte in
die Gruppen "True Blue Sky" und "Targeted Blue Sky" - also übertragen auf
die Wissenschaft so etwas wie "Grundlagenforschung" (neue Park- und
Attraktionsideen) und "Angewandte Forschung" (tatsächlich benötigte
Ideen). In beiden Fällen spiele die Kombination aus Innovation und
Nostalgie und bei Fahrgeschäften die Balance zwischen physikalischer
Stimulation und familiäre Entspannung eine wichtige Rolle. Dies sei auch
der Grund, weshalb es bei Disney keine großen Thrillrides gebe.
Eine gute Story stelle die emotionale Verbindung zum Gast her und sollte sich
durch universelle Geschichten und einer einfachen, klaren Sichtweise
auszeichnen. Wichtig sei nicht nur die Entwicklung der Attraktion selbst,
sondern auch das "Site Concept", die Einbindung in das vorhandene Areal durch
Schaffung einer Landschaft, und die Beziehungen vorhandenen Gebäuden.
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Testfahrt mit dem SkyWheel |
Als letztes käme dann die "Verwirklichungsphase" zum
Tragen, die auch eine "Close-Out"-Phase beinhalten müsse, in der der
Betrieb geprobt und die Angestellten eingewiesen werden müssen. Die
kreative Konzeptentwicklung erklärte Marthe anhand von zwei
Beispielen: die Realisierung von Disney's Animal Kingdom (Eröffnung
1998) und die Erarbeitung des neues Projektes Crushes Turtle Twister,
eine Kombination aus Indoor Spinning Coaster und Darkride- Erlebnisbahn, das
2007 in einem noch nicht näher benannten Park realisiert werden soll.
Emilio Tramullas ist Designer beim spanischen
Büro Global Estudios, das seit 1977 unter anderem für Parks
wie Terra Mítica, Futuropscope, Tibidabo, Isla
Magica und Movie Park Madrid tätig war. Er referierte zum Thema
"Parktheming vs. Coastertheming". Und dabei müsse Theming mehr sein als
einfach nur eine Achterbahn in einer netten (landschaftlichen) Umgebung zu
errichten, denn insbesondere bei Standard-Fahrgeschäften trage die
Gestaltung erheblich dazu bei, sich von der Konkurrenz abzuheben und den
gesamten Park auf einen höheren Level zu tragen - vom Amusementpark zum
echten Themenpark. Allerdings sei eine ansprechende Gestaltung mit erheblichen
Kosten verbunden, und deshalb lohne sie sich nur bei Parks mit einer
Besucherzahl ab einer Million. Zudem müsse bei der Themenauswahl darauf
geachtet werden, dass sie sich für zukünftige Erweiterungen nicht als
zu einschränkend auswirke.
Wenn man sich für eine Thematisierung entscheide, dann
müsse die Storyline strikt durchgehalten werden und bis ins Detail stimmig
sein. Der Kunde komme zwar in erster Linie wegen des Amusements, doch der
Mehrwert der Gestaltung werde schließlich auf die Eintrittskosten
umgelegt. Und insbesondere wegen den Fotos, die von den Parkgästen und vor
allem von der Presse gemacht werden, komme es auf eine gute Gestaltung an.
Entscheidet man sich für eine Achterbahn, so stünden folgende
Überlegungen an: Eine Holzachterbahn lasse sich leicht in die vorhandene
Landschaft integrieren und beinhalte wegen ihres speziellen Charakters schon 80
% der gesamten Thematisierung. Eine Stahlachterbahn hingegen habe eine
ausdrucksstarke Präsenz, die durch kräftige Farblackierungen nochmals
gesteigert werden kann. Prinzipiell seien drei Trends erkennbar: der Trend zu
quantitativen und immer neuen Rekorden, der Trend hin zu mehr Fahrerlebnis
durch Dynamik und Thematisierung, und der Trend zu neuen
Fahrgeschäftskombinationen. |
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Testfahrt mit dem Power Tower 2 auf dem
Oktoberfest (von links) Rich Marthe (Walt Disney Imagineering), Patrick Dietzel
(FKF), Craig Hanna (Thinkwell), Nick Farmer (Farmer Attraction
Development) |
Martin Haas vom Architekturbüro Behnisch
& Partner vertrat die seriöse Architekturbranche, und stellte mit
Senscity Paradise ein Projekt vor, in dem es - aufgrund des Anlasses
betonte er es explizit - keine Achterbahn geben wird, und das an drei
Standorten realisiert werde: in Dubai, in Shanghai und als erstes
in Las Vegas. Laut Haas habe Las Vegas mit Themenhotels wie New York
New York, Paris, Aladin, The Venetian und anderen
eigentlich Alles zu bieten, was es auf der Welt gibt
außer einen
"echten" europäischen Landschaftsgarten.
Fakten zum SkyWheel |
Das SkyWheel ist die Prototyp
Achterbahnkreation des Münchner Stahlbauers Maurer Söhne auf Basis
des revolutionären X-Car Designs, welches ergonomischen Fahrgenuss ohne
Schulterbügel bietet. |
Gesamthöhe |
50
Meter |
Schienenhöhe |
45
Meter |
Schienenlänge |
150 Meter |
Max. Geschwindigkeit |
100 km/h |
Beschleunigung |
-1 g bis +5.3 g |
Netto-Fahrzeit |
60 Sekunden |
Fahrzeuge |
1 Zug mit 2 Wagen; 6 Plätze pro Wagen |
Kapazität |
600 Personen pro Stunde |
Hersteller |
Maurer Söhne GmbH, München, Deutschland |
Betreiber |
Allgäu Skyline Park, Bad Wörishofen,
Deutschland |
Eröffnung |
18. März 2005 |
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Link zur offiziellen
Webseite des Skyline Parks |
Link zur offiziellen
Webseite von Maurer Söhne |
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Anstelle einer Komplettüberdachung, die die Vegetation
vor den intensiven Sonnenstrahlen schützen soll, werde es 26 Meter hohe,
91 Meter breite und wie riesige Blumen aussehende "Sonnenschirme" geben, die
ausreichend Schatten spenden und zugleich als energetisch günstige
Kühlanlagen dienen. Von oben wirke das insgesamt 60 Hektar große
Areal (inklusive 20 % Parkfläche), das sich fünf Kilometer
außerhalb des Stadtzentrums in unmittelbarer Flughafennähe befindet,
wie ein riesiger Blumengarten. Jeder der zehn Sonnensegel beinhalte eine
thematisierte "Toy Gallery" (zum Beispiel "Barbie World" oder "Speedway") mit
Museum und Spielarena. Damit werde Senscity Paradise zum
größten Spielzeug-Themenpark der Welt.
Craig Hanna war jahrelang als kreativer Berater bei
den Universal Studios tätig und unter anderem an den Attraktionen
Twister, Man In Black und dem Projekt Port Aventura
beteiligt, bevor er 2001 sein Büro namens Thinkwell etablierte und
seither eigene Parkprojekte entwickelt. Um eine Achterbahn ansprechend zu
präsentieren, gebe es zwei Möglichkeiten, so Hanna: Entweder die
lediglich Umgebung entsprechend der Aussage gestalten oder eine komplette
Storyline rund um die neue Attraktion entwickeln. Letzteres sei aber mit hohen
Kosten verbunden, und außerdem habe man mit der Schwierigkeit zu
kämpfen, dass aufgrund der hohen Fahrgeschwindigkeit die Wirkung verloren
gehen könnte. Thematisierte Achterbahnen verbessern auch die
Besucherzahlen, denn nicht nur Teens, sondern vor allem Familien spreche man
damit vermehrt an, und es gebe mehr Wiederholungsfahrten und -besuche als ohne
Gestaltung.
In jedem Falle müsse sich das Fahrerlebnis völlig
vom alltäglichen Leben und von dem der Konkurrenz unterscheiden. Trotzdem
sollte das gewählte Thema möglichst simpel gehalten und nur eine
Geschichte erzählt werden. Auf Sprache sollte bei einer guten Storyline
ganz verzichtet werden, vielmehr sollte sich die Kommunikation mit dem Besucher
durch rein visuelle Elemente auszeichnen. Hanna: "The less you have to
say, the more you can show." Und wie findet man die guten Stories? Craig Hanna:
"Am besten in der Geschichte des eigenen Grundstücks, in der Region und
den Bewohnern." - Grund genug also, den ersten Tag des Roller Coaster Forums
gemeinsam auf dem Oktoberfest in München ausklingen zu
lassen. Am zweiten Veranstaltungstag stand ein Besuch des Allgäu
Skyline Park auf dem Programm. Parkchefin Dr. Petra Löwenthal
begrüßte die vom Oktoberfest geschwächten Gäste
persönlich, bevor Thomas Uhrig vom TÜV
Süddeutschland über sicherheitstechnische Aspekte und die
Erstellung des Sky Wheel-Projektes sprach.
Als Höhepunkt stand dann die Präsentation der
Sky Wheel-Attraktion an. Die meisten Teilnehmer ließen sich sodann
die Chance auch nicht entgehen, ein oder mehrere Testfahrten zu unternehmen.
Denn nach all der Theorie will auch der Praxistest unterzogen werden
wenngleich das dortige Sky Wheel gänzlich ohne Thematisierung daher kommt.
Doch, um es mit den Worten von Alexander Bresinsky zu sagen, auch ohne
jegliche Thematisierung ist eine Achterbahnfahrt ein rein authentisches und
stark emotionales Erlebnis. |
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Text: Maurer Söhne Bilder: Maurer Söhne,
Coastersandmore.de |
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