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Epcot |
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Bild: Walt Disney Company |
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Achterbahnsequenzen für Simulationskabinen und 3D-Kinos
existieren schon seit Jahren: So flackerten auch die bewegten
Bilder des Loch Ness Monster im amerikanischen Busch
Gardens Williamsburg mit ihren ineinander verschlungenen
Vertikalloopings über die deutschen Projektionsflächen.
Das echte Loopingerlebnis mit seiner Kombination von
Beschleunigungswechseln und dem einzigartigen Höhenfeeling können
aber selbst die beweglichen Simulatoren nicht ersetzen:
Inversionen ohne das echte Überkopferlebnis wirken einfach
nicht annähernd real. Der begrenzte Bewegungsbereich der
Simulator-"Kapseln" ist dafür der Grund.
Eine andere Form des Achterbahn-"Erlebens"
entwickelte sich am Computer. Der Reiz, eine Achterbahn zu
gestalten und diese auch zu testen, kommt an. Im Jahre 1983
lieferte Walt Disney Imagineering, die Kreativabteilung
der Walt Disney Parks, an den bekannten Epcot
Themenpark im Walt Disney World Resort in Florida eine frühe
Version einer solchen interaktiven Simulationssoftware.
Festplatten- und Rechnerkapazitäten waren vor 20 Jahren
Mangelware, so dass die Entwickler auf ein Videosystem setzten,
welches in ähnlicher Art in Spielautomaten mit Laserdiscs zum
Einsatz kam. "Design a Coaster" gab dem Benutzer
via Berührungsbildschirm die Möglichkeit, aus einer
Auswahlmenge eine Reihenfolge von Streckenelementen zu bestimmen,
beispielsweise Drop, Korkenzieher, Helix, usw.
Anschließend wurde ein On-Ride Video aus der Ich-Perspektive
anhand der gewählten Kombination abgespielt. Die dazu nötigen
Videosequenzen waren auf der Laserdisc abgespeichert und wurden
nahtlos aneinandergereiht. |
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Disney's
Coaster |
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Rund 10 Jahre später - die Rechenleistung der Computer
wuchs stetig, verdoppelt sich sogar bis heute etwa alle 18 Monate
- wurde ein erstes Computerprogramm für den Heimanwender veröffentlicht:
Die Simulationssoftware zum Bau einer eigenen Achterbahn
kam aus dem Hause Walt Disney Computer Software Inc. Die
Gestaltungsfreiheit war groß, die Grafik jedoch weit vom
Realismus entfernt, da texturbasierte Vektoren 1993 noch in den
Kinderschuhen steckten. "Spektakulär" war dagegen
der 3D-Ride. Der User war sogar in der Lage, wie bei einem Arcade
Autorennen mittels einer Beschleunigungs- und Abbremsfunktion in
die Dynamik des Achterbahn-Erlebnisses einzugreifen. "Disney's
Coaster" war das erste ambitionierte Projekt dieser Art
und legte den Grundstein für weitere Achterbahngames - auch
aus dem Hause Disney.
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Gerbils! |
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Pangea Software veröffentlichte zwei Jahre später
für den Apple Macintosh eine 3D-Demo-Software mit dem Namen
"Gerbils!", die es dem User ermöglichte,
eine Nagetier-Achterbahn mittels Drag & Drop aus
verschiedenen Streckenelementen zu bauen und diese schließlich
aus Sicht einer Wüstenspringmaus zu durchfahren - Ein höchst
skurilles Abenteuer, dessen Grafik aber einen Quantensprung gegenüber
"Disney's Coaster" darstellte.
Bis heute sind eine Vielzahl weiterer Computerprogramme
erschienen, welche das Design und die Fahrt einer Achterbahn
stellenweise bis ins kleinste Detail simulieren. Durch die
steigenden Grafikfähigkeiten der Personal Computer konnte der
Realitätsgrad stark gesteigert werden. Heute sind zwei recht
unterschiedliche aktuelle Softwareprodukte auf dem Markt.
Achterbahn Cracks schwören derzeit auf "No
Limits" vom Hamburger Diplom-Informatiker Ole Lange.
Seit Herbst 2001 erfreut sich dieser Shareware Titel steigender
Beliebtheit und kontinuierlicher Erweiterungen. Wer mehr auf
Story, Sound und einfacher Ausgestaltung der Umgebung Wert legt,
ist beim stark weiterentwickelten Nachfolger von "Disney's
Coaster" gut aufgehoben: Die "Achterbahn-Designer
Disney Edition" bietet ein farbenprächtiges
3D-Coastererlebnis in Original Disney Kulissen. Die Disney
Magic für Zuhause...
Trotz der aufwändigen Grafik- und Soundfähigkeiten und
der 3D-Ich-Perspektive fehlt der eigentlichen Simulation am
Heimcomputer der Erlebniswert: Ein sich bewegendes Bild auf einem
Computerbildschirm zu sehen ist einfach keine so aufregende
Erfahrung, wie die Fahrt real zu erleben. Vor allem das
Beschleunigungsempfinden fehlt, und dieses ist für das
Achterbahnerlebnis essentiell. |
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Disney
Quest |
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Dieser Meinung waren auch findige Ingenieure und entwickelten
einen Simulator, der neben der Interaktivität die Fähigkeit
besitzt, den Fahrgast auf den Kopf zu stellen. Dabei ist das
Coastererlebnis zweigeteilt: Im ersten Schritt kann eine
Achterbahn in einer virtuellen Umgebung an einem Terminal kreiert
werden, dann folgt der Simulationspart. Fast zeitgleich wurden
zwei ähnliche Systeme entwickelt und erfolgreich platziert.
Das eine stammt von Walt Disney Imagineering und ist in
den hauseigenen Parks zu erleben, das andere vom
Simulatorspezialisten Max Flight aus den USA. Letzteres
ist in größeren Spielcentern zu finden und verwendet
die patentierte "Forward-of-the-Axis" Technologie. Der
geschlossene Fahrgastraum kann in zwei senkrecht
aufeinanderstehende Achsen um volle 360 Grad gedreht werden.
Simulierte Inversionen erreichen dadurch eine bisher
unbekannte Dimension. Die von WDI realisierte Anlage ist ähnlich,
bietet aber die bessere Grafik auf Basis einer von mehreren Silicon
Graphics Prozessoren in Echtzeit berechneten Grafikengine.
Im Sommer 1998 eröffnete die Walt Disney Company im
Mega Resort in Orlando, Florida einen eigenen interaktiven Indoor
Themenpark namens Disney Quest, der die Disney Magic
mit den neuesten High Tech Technologien kombiniert. Cyberspace
Mountain ist eine der unzähligen Attraktionen der überdimensionalen
"Spielhalle" auf höchstem Niveau und knüpft an
den durchschlagenden Erfolg von Disney's Mountain Coastern (Big
Thunder Mountain und Space Mountain) an.
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Cyberspace
Mountain in den Disney Studios |
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Jenes Indoor Themenpark Konzept sollte in allen großen
urbanen Zentren auf der Welt realisiert werden. Chicago stellte
den zweiten Standort dar. Doch entgegen aller Erwartungen floppte
die mehrstöckige "Spielhalle". Im Jahre 2001 war
Schluss. Für die High-Tech Simulatoren wurde aber eine
Nachnutzungsmöglichkeit gefunden. Seit August 2002 präsentieren
sie sich im neuen Walt Disney Studios Park, dem zweiten
Themenpark des Disneyland Resort Paris. Im Anschluss an
eine Studiotour durch die Produktionsabteilungen des Disney
Channels findet sich ein interaktiver Gamebereich, dessen Fläche
zu 50 Prozent vom Cyberspace Mountain beansprucht wird.
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Eingangsbereich |
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Mit Hilfe von "Doktor Achterbahn" wird nach
Einlesen der Eintrittskarte der Kreativteil an einem Touch Screen
Terminal gestartet: Drei farbenfrohe Space-Szenarien stehen zur
Auswahl, dann darf der Thrillfaktor bestimmt werden. Diese
Einstellung wirkt sich auf den "virtuellen" Reibungsgrad
nebst der im Raum wirkenden Schwerkraft aus und bestimmt somit die
Intensität des Coastertrips. Ein Budget an Streckenmetern
informiert über die noch zur Verfügung stehenden
Ressourcen. Schrittweise nimmt die Achterbahn ihre Formen
an, wobei jeweils aus einer vorgegebenen Menge an
Streckenelementen ausgewählt werden kann. So stehen Drops,
spektakuläre Inversionen oder Helices zur
Auswahl. Je nach Situation wird die Auswahlmenge eingeschränkt
oder duch einzigartige Bonus-Thrillelemente ergänzt. Ist das
Coasterdesign beendet - jederzeit können die platzierten
Streckenteile gelöscht werden -, wird der Thrillwert
berechnet. Je nach Ergebnis und persönlicher Einschätzung
kann die Intensität anschließend geringfügig verändert
werden. Dann noch einen Namen wählen und der Simulationsteil
kann beginnen!
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Simulator
Kapsel |
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Jeweils zwei Personen können gleichzeitig am Thrillspaß
in einer der vier Simulationskabinen teilnehmen, die technisch gut
ausgestattet sind: Ein Silicon Graphics Hochleistungsrechner mit
mehreren Prozessoren und einer speziellen Grafik-Pipeline regelt
die Grafikdarstellung, mehrere Lautsprecher sorgen für die
notwendige Beschallung und ein Video-Projektor wirft das vom
Rechner in Echtzeit berechnete Bild auf eine die gesamte Front des
Simulators ausfüllende Leinwand. Die Bewegungsmöglichkeiten
des Simulators, der seinem Äußeren nach starke Ähnlichkeiten
mit einer Waschtrommel besitzt, ist zwar auf zwei Freiheitsgrade
begrenzt, diese haben es jedoch in sich. Zwei Drehachsen (Nick-
und Rollachse) stehen zur Verfügung, die senkrecht zueinander
angeordnet sind: Die Nickachse dient vor allem zur Simulation der
Inversionen, da die Kabine ähnlich einer Waschtrommel
problemlos um 360° um die eigene Achse gedreht werden kann
und die Fahrgäste somit auch physikalisch auf den Kopf
gestellt werden. Die Rollachse liegt horizontal zum Boden und
dient der Darstellung von Kurven (Neigung). Der Einsatz beider
Drehachsen ermöglicht die Darstellung komplexen Fahrfiguren.
Die Taschen werden in einem separaten Schließfach
eingeschlossen, der Schlüssel erhält der Fahrgast, die
Eintrittskarte wird zur Identifizierung des Coasters
nochmals durch den Kartenleser gezogen und die Plätze
eingenommen. Schulterbügel sichern die Fahrgäste
und auf die Notstopknöpfe wird separat hingewiesen. |
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Klappe zu und der Coastertrip beginnt: Die Grafik erscheint im
Vergleich zu heutigen High Tech-Grafikkarten hochgezüchteter
Home-PCs zwar schon leicht angestaubt, doch sei zu bedenken, dass
die Anlage 1997/1998 entwickelt und programmiert wurde. Trotzdem:
Die visuelle Darstellung ist nur eine von drei notwendigen
Sinneswahrnehmungen. Somit ist die etwas pixelige Darstellung zu
verschmerzen. Der Simulator kann viel, vor allem die vielfältigen
Inversionsfiguren wirken spektakulär. Bei
Beschleunigungen in Längsrichtung, die vor allem bei Drops
auftreten, ist die eingesetzte Simulationsplattform "physikalisch"
im Nachteil. Dieses Manko war scheinbar auch den Entwicklern
bekannt, denn im interaktiven Designprozess werden fast nur Inversionsabfolgen
angeboten. Nach rund zwei Minuten ist der Spaß dann beendet.
Interaktive Simulationen sind eine gelungene Steigerung des
ansonsten passiven Erlebnisses einer Achterbahn, können
jedoch eine reale Achterbahnfahrt nicht ersetzen. Von der Realität
im Computer sind wir noch weit entfernt. Trotzdem bieten sie eine
Erfahrung, die Spaß macht, die aber im Walt Disney
Studios Park eine lange Wartezeit erfordert. |
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