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Zu Dutzenden sind sie weltweit zu finden: In Freizeit- und
Themenparks oder auf Kirmesplätzen - Freefalltürme und
deren Weiterentwicklungen, schlanke Stahlkonstruktionen, die sich
wie Schornsteine in die Lüfte erheben. Gondeln rasen daran
rauf und runter, der Freie Fall mit Schwerelosigkeit und
Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 100 Stundenkilometern
inklusive.
Ein erstes Konzept dieser Art wurde Ende der 70er Jahre von der
Schweizer Firma Intamin verwirklicht. Dabei wird eine
Kabine einen 40 Meter hohen Turm hinaufgezogen und an höchster
Stelle in einem Schienensystem arretiert. Dieses führt
senkrecht in die Tiefe, um nach ungefähr 18 Meter
Fallerlebnis über eine Viertelkreisbogen in einer
Horizontalen zu enden. Danach erfolgt die Bremsung auf
horizontaler Strecke. Anlagen dieser Art sind vor allem in den USA
zu finden, so zum Beispiel im Cedar Point, Sandusky oder
Six Flags Magic Mountain in Kalifornien. Heutige moderne
Anlagen gehen sogar noch weiter: Je nach Hersteller und Typ fällt
man senkrecht hinab, wird emporgeschossen oder pendelt wild auf
und ab. Dabei befinden sich die Fahrgäste nicht in einer
geschlossenen Kabine, sondern sitzen bei der Mehrzahl aller
Anlagen auf einem offenen Fahrgastträger, gehalten durch
einen Schulterbügel. |
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Böse
Buben stürmen "The Old West"... |
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Der Boom der Freefall-Türme sollte rund 20 Jahre nach der
Einführung des Stuntman's Freefall von Intamin
richtig durchschlagen. Zwar konnte zwischenzeitlich auch Vekoma
mehrfach ihren sogenannten Paratower verkaufen - hier
fallen bzw. gleiten kleine Fallschirmgondeln gen Boden - doch
wurde nur ein gebremstes Free-Fall Erlebnis geboten. Ausgelöst
wurde der Boom 1994 durch eine Anlage in den Disney-MGM
Studios in Florida. Der dortige Ride The Twilight Zone
Tower of Terror bietet einen perfekt in Szene gesetzten
Indoor-Free Fall Tower aus der Feder der Disney Imagineers
und gilt selbst heute noch als Musterbeispiel eines thematisierten
Fallerlebnisses.
Heutzutage sind Free Fall Tower keine Seltenheit mehr, selbst
auf kleineren Kirmesplätzen werden sie nicht mehr als Neuheit
angesehen. Aus der Menge der unzähligen Anbieter sticht vor
allem die Liechtensteiner Firma Ride Trade hervor.
...
doch Timothy Ruedy (rechts) besiegt sie alle! |
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Deren Giant Drop ist mittlerweile überall
verbreitet und wurde 1998 durch den Gyro Drop ergänzt.
Dieser Turm bietet im Gegensatz zu den maximal fünf
Einzelgondeln eines Giant Drops einen ringförmigen
Fahrgastträger, an dem bis zu 40 Sitzplätze montiert
sind. Zusätzlich offeriert diese Anlage eine Symbiose aus
Free Fall und Viewing-Erlebnis: Während die Gondel mittels
eines Seilzugsystems zum Höchstpunkt befördert wird,
dreht sich die Gondel mehrfach um ihre eigene Achse und bietet
somit eine beschauliche Aussichtsfahrt, bis der kurzweilige High
Speed Trip gen Boden startet.
Trotz der für die größeren Parks ausgelegten,
hohen Kapazität und der interessanten Fahrkombination sollten
die beiden 1998 ausgelieferten Gyro Drops - neben einer
Version für Paramount in den USA ging ein Tower in
das südkoreanische Lotte World - jedoch erst einmal
die einzigen Exemplare ihrer Art bleiben. |
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Bevor
die Fahrt beginnt, wird die Gondel (rot) an das Liftsegment
arretiert |
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Freizeitparks, die heutzutage ihren Besuchern einen außergewöhnlichen
Free-Fall Tower präsentieren wollen, haben nur zwei Möglichkeiten,
um aus der Masse an Türmen - in Deutschland vor allem durch
die vielen transportablen Anlagen unterstützt -
herauszuragen: Entweder sollte die Anlage einer entsprechenden
Thematisierung unterzogen werden, wie es das Phantasialand
mit dem Mystery Castle durchgeführt hat, oder der
Stahlturm bietet einige Besonderheiten hinsichtlich des
Fahrerlebnisses.
Zu Letzterem entschlossen sich die Verantwortlichen von Six
Flags und spendierten der Warner Bros. Movie World Germany
bei Bottrop-Kirchhellen für die Saison 2002 einen äußerst
intensiven Free-Fall Ride, der in Europa seinesgleichen sucht.
Basierend auf den mehr oder weniger "un"-bekannten
Western The Wild Bunch, zieht der neue Ride Scharen von
Besuchern in die "parkeigene" Westernstadt The Old
West. Schräg gegenüber dem Silver Dollar Saloon
wurde die neue Mutprobe für jedermann installiert, ein
Showdown zum High Noon mit adrenalinfördernden
Freifall-Feeling. Einsteigen und festhalten!
The Old West war schon einmal friedvoller: In den
Anfangstagen konnte gerade einmal eine Schießhalle
begeistern, es folgte eine Western- nebst aufwendiger Zaubershow,
dann zogen Will Smith und Kevin Kline mit ihrem
Holzmonster Wild Wild West ein. Die Idylle war gestört,
doch es sollte noch schlimmer kommen: The Wild Bunch, eine
wilde Bande gesetzloser Halunken terrorisiert die Stadt. Wilde
Schießereien und Raubüberfälle auf die "nahe"
Eisenbahnlinie gehören zur Tagesordnung. Doch die Outlaws
haben die Rechnung nicht mit dem Sheriff gemacht: Dessen neue
Foltermaschine des Liechtensteiner Herstellers Ride Trade
kann alle Gesetzlosen überzeugen: The Wild Bunch - Sie
kannten kein Gesetz. |
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Das
Abenteuer kann beginnen |
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30 Probanden können gleichzeitig dem Erlebnis beiwohnen:
Vom hübsch in Szene gesetzten Wartebereich geht es in das
gleißend Sonnenlicht - High Noon in der Movie World. Nachdem
alle losen Gegenstände am Boden deponiert wurden, wird der
Sitz- oder besser der Stehplatz eingenommen. Etwas Ähnlichkeit
mit einem Fahrradsattel weist das aus der Rückenlehne
hervorstehende "Etwas" schon auf. Einfach "niederlassen",
den wuchtigen, gelben Schulterbügel hinuntergezogen,
der sich dank eines redundanten Hydrauliksystems stufenlos an den
Körper anpasst, den Gurt einrasten und schon kann es
losgehen.
Noch steht man mit beiden Füßen auf dem Boden, doch
dann setzt sich die ringförmige Gondel in Bewegung: Erst
gleitet sie langsam in die Höhe, der Stationsbereich
verschwindet aus dem direkten Blickfeld, dann die umliegenden Dächer
der Westernstadt. Im Schulterbügel "hängend"
geht es gen Himmel.
Der Ausblick auf den Filmpark wird vollendet durch die "eingebaute
Panoramafunktion". Der wuchtige Fahrgastträger beginnt,
angetrieben durch mehrere Reibräder, sich um 360° um die
eigene Achse zu drehen. Vier Umdrehungen pro Minute wären möglich,
doch dazu kommt es nicht: Bei Erreichen einer Höhe von gut 20
Metern wird der Turbogang eingeschaltet. Mit einer
Liftgeschwindigkeit von stolzen drei Metern in der Sekunde zieht
der im Maschinenhaus an der Turmspitze untergebrachte Antrieb den
von vier Stahlseilen gehaltenen und über zwei Laufschienen
positionierten Fahrgastträger auf eine Sichthöhe von 54
Metern. Insgesamt besitzt der beigefarbene Stahlturm eine Höhe
von 61 Metern. |
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Ohne Boden unter den Füßen, keine "richtige"
Sitzfläche spürend, hängen die 30 mutigen Fahrgäste
in luftiger Höhe und genießen den Panoramaausblick über
den Park und die Region. Dann wird es ernst: Die Rotation der
Gondel wird eingestellt und der "Sitz" plötzlich um
ganze 15 Grad nach vorne gekippt. Dazu wurden jeweils drei Sitze
an einem Stahlrahmen montiert, der mittels eines Zylinderantriebes
um eine an der Unterseite des Rahmens positionierte Achse bewegt
wird. Der Blick fällt automatisch gen Boden, fast 55 Meter
geht es in die Tiefe, der Körper stützt sich mit seinem
gesamten Gewicht auf den robusten Schulterbügel. "Panik"
vor dem Show Down!
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Rechts:
Impressionen nach dem "Fall" |
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Hunderte Besucher von Old West recken ihre Hälse
zur Gondel, diese hängt noch immer in 54 Metern Höhe,
ihre Insassen warten auf den entscheidenden Moment. Damit die
Gondel in die Tiefe rauscht, bedarf es nur einer kleinen
Hubbewegung eines Zylinderantriebes, der die formschlüssige
Verbindung des an den Stahlseilen arretierten Trägers mit der
eigentlichen Gondel aufhebt. Die Sekunden dauern eine Ewigkeit,
dann wird das Steuersignal gegeben und die Gondel rast ohne
Antrieb, nur durch das "Gesetz" der Schwerkraft den
zweieinhalb Meter Durchmesser aufweisenden Stahlturm in die Tiefe.
Mit einer ungeheuren Wucht zieht der Schulterbügel seine
Insassen gen Boden. Die Massenträgheit lässt die
Mitfahrer Momente der Schwerelosigkeit verspüren, bis diese
realisieren, dass sie mit maximal 93 Stundenkilometern auf den
Erdboden zurasen. 35 Meter geht es in die Tiefe, rund zwei
Sekunden vergehen, bis der Rausch des freien Falls von der
einsetzenden Wirkung der Wirbelstrombremse beendet wird.
Bestückt mit Permanentmagneten gleitet die Gondel an sechs zu
beiden Seiten des Turmes angeordneten Bremsspuren vorbei und wird
durch das Prinzip der magnetischen Induktion sicher auf
Schrittgeschwindigkeit abgebremst. Ein plötzlicher, leichter
Ruck befördert das Steißbein auf die Arretierung, dann
ist der freie Fall beendet. Schließlich wird die Gondel
durch vier gewaltige Stoßdämpfer zum Stehen gebracht,
die zehn "Bänke" auf null Grad zurückgefahren
und die Wagemutigen dürfen mit wankenden Knien durch das
Eisentor wieder in den Westernbereich eintreten. Lange wird es
nicht dauern und sie stehen wieder in der Schlange. |
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Links:
Deutlich ist die Neigung der Gondelsegmente zu erkennen |
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The Wild Bunch "rockt", keine Frage: Die
zweite Anlage ihrer Art - nur in den USA konnten sich die Besucher
des Six Flags Over Georgia schon ein Jahr vorher von den
Qualitäten dieses "Extended" Gyro Drops überzeugen
- bietet einen kurzweiligen Adrenalinschock erster Güte. Noch
nie hat das Fallen so viel Spannung bereitet. Die "Stehposition"
und die Neigung gen Boden bieten im Vergleich zum herkömmlichen
Gyro Drop einzigartige Fahrqualitäten, wie sie
derzeit nur auf einer weiteren europäischen Anlage geboten
wird. Eine Storyline sucht der Besucher zwar vergebens, dafür
sorgt der Adrenalinkick für das nötige Ride-Feeling.
Fallen kann nicht intensiver sein, selbst ein Fallschirmsprung
bietet (fast) nicht mehr!
Mit dem Werbeslogan "most trhilling free fall
attraction" hat sich der Hersteller Ride Trade
definitiv nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt. Mit einer Höhe
von 61 Metern gehört der Turm zwar nicht zu den höchsten
Exemplaren seiner Gattung, doch die außergewöhnliche
Fahrposition nebst der Panoramafahrt machen ihn zu dem Besten
seiner Art - Pure "Action in Hollywood", wir
sind begeistert! |
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