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Ein kurioser Park mit ebenso eigenwillig gestalteten
Attraktionen verlangt nach einer außergewöhnlichen Achterbahn.
Im Bonbon-Land wurde dies im Mai 2003 zur Realität: Vild
Svinet, die Erstauslieferung des Eurofighter der deutschen Firma
Gerstlauer, gab sein Debüt und erhöhte das
Achterbahnangebot des dänischen "Brandparks" bei
Holme Olstrup, keine 60 Autominuten von Kopenhagen entfernt, auf
ganze drei Bahnen an der Zahl. Dabei stellt sich die
Neuanschaffung als die spektakulärste dieses Trio heraus.
Die Süßwarenfirma Bonbon expandierte Ende der
80er Jahre mit einer außergewöhnlichen Angebotspalette.
Produkte mit dem Namen "Hundefürze" - eine braune
Klebemasse - oder "Möwenklekse" wurden zu den neuen
Verkaufsschlagern. Die Popularität der Süßigkeiten
und ihrer Charaktere wuchs stetig und so entschloss sich die Geschäftsleitung
Anfang der 90er Jahre eine Art Produktschaufenster zu eröffnen.
Nicht nur die Produktion der Süßigkeiten sollte im
Vordergrund stehen, auch ein Parkareal mit kleineren Attraktionen
für die ganze Familie wurde zu Ostern 1992 eröffnet. Das
Angebot war überschaubar: Die Fabriktour, ein Shop, wie auch
ein Kino und ein kleiner See mit Booten waren die "Hauptattraktionen"
des Bonbon-Landes.
Das Investment entwickelte sich zum Selbstläufer. Fast
200.000 Besucher wollten die Charaktere der Süßigkeiten
in Lebensgröße bewundern und dieser Erfolg wurde ein
Jahr später mit der Eröffnung der Hundefurzachterbahn
fortgesetzt. Deren Erfolgsrezept wie auch das anderer Attraktionen
ist denkbar einfach: Ungewöhnliche Örtlichkeiten mit
ebenso eigenwilligen Charakteren der Hausmarke Bonbon werden dermaßen
karikiert, dass die Besucher nur noch schmunzeln können: Im
Falle der Achterbahn wurde eine standardisierte Zierer Force
One mit braunen Wänden verkleidet und ein übergroßer
Vierbeiner nebst Hundehütte in der Bahn platziert. Der Hund
erledigt gerade sein Geschäft und dieser Vorgang wird zusätzlich
durch akustische "Gasentladungen" untermalt. Der Gipfel
der Geschmacklosigkeit? Wohl kaum! Zwar rauscht der Zug gerade
durch riesige Hundekotberge, doch die comicartigen Figuren
verleihen diesem Anblick einen äußerst skurrilen Touch.
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Gesamtansicht
der Vild Svinet |
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Vild Svinet setzt zwar glücklicherweise nicht auf
solche Fäkalanleihen, die Erscheinung dieses Fun Coasters
sucht in ihrer Opulenz aber ebenso ihresgleichen: In Wildschwein
Rallyewagen geht es auf die halsbrecherische Piste durch das dänische
Eiland. Schon der Eingangsbereich zeigt, wer auf diesem
Coastertrip die Fäden zieht: Mannshoch thront das Vild
Svinet, das Wildschwein, in comichafter Statur über der
Station. Mit tiefroten Rennanzug und Helm steht es bereit für
den nächsten Turn über den Parcours.
Also hinein in den feurigen "Mobon" Service LKW, der
das Stationsgebäude verdeckt und über einige
Warteschlangenmeter direkt zu den Rallyefahrzeugen führt:
Acht Leute finden in den geräumigen Wagen platz und auch der
Namensgeber dieser Achterbahn ist mit von der Partie. Die Crew
checkt den sicheren Halt der Schulterbügel, dann geht
es über eine scharfe Rechtskurve in die Startaufstellung.
Langsam rollt der Wagen voran und neigt sich in die Senkrechte.
Ein neu entwickelter Kettenlift schiebt das Fahrzeug über
einen Mitnehmer langsam auf 22 Höhenmeter. Eine Kuppe will
noch überwunden werden, dann stürzt der Fahruntersatz
von einer Sekunde auf die andere in die Tiefe: Ehe man sich
versieht, hängt man in den Bügeln und sieht im freien
Fall den Erdboden mit schwindelerregendem Tempo näherkommen.
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"Mobon"
Truck |
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Senkrechter als senkrecht beschleunigt das Gefährt auf Top
Speed, denn die Strecke führt in einem Winkel von bis zu 97
Grad in die Tiefe. Die Schiene verschwindet in den toten Winkel
und es geht im freien Fall hinab - "unser" Straßenrowdy
am Heck des Fahrzeugs scheint seinen Spaß zu haben. Die Lage
entspannt sich jedoch schneller als man sich versieht - Das
Fahrzeug landet nicht in die nächsten Baumkrone, sondern
folgt den spurgebenden Fahrrohren in Ferrarirot.
Dem furiosen Auftakt schließt sich ein kleiner, knapp 400
Meter Parcours mit vier herausragenden Fahrfiguren an: Dem tollkühnen
Drop folgt direkt eine extreme Steilkurve. Schnell noch
zwei, drei Autos überholt, schon überrascht das erste
und letzte Inversionselement. Der 17 Meter hohe Vertikallooping
stellt die Welt auf den Kopf, dann geht es hinein in die hoch
gelegene Blockbremse, immer im Focus einer Kamera"maus".
Ein Rallyeteilnehmer hat die scharfe Rechtskurve scheinbar
unterschätzt und findet sich und sein Fahrzeug im Stahlgerüst
des Kameraturms wieder.
Auf dem Blockbremsenplateau angekommen steigt unser Fahrer kurz
in die Eisen und ehe man sich versieht beschleunigt der Wagen in
die letzten Streckenmeter: Eine 540° Spirale führt bis
auf Bodenniveau, wo gerade ein Abschleppfahrzeug den Untersatz
eines weiteren Gegners von der Strecke zieht. Dann eine berüchtigte
Links-Rechts Kombination auf Herzlinienniveau und schon geht es über
einen kleinen Speed Bump auf die Zielgerade: Die Massen
auf der Tribüne jubeln begeistert über den ersten (und
letzten) Ankömmling des Holme Olstrup Grand Prix.
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Nur die Siegerehrung bleibt aus, dafür geht es in den
angrenzenden Shop, der mit diversen Accessoires und natürlich
reichlich Süßigkeiten unseren Triumph versüßen
will. Vild Svinet bleibt uns in guter Erinnerung: Ein
kurzes Erlebnis, welches zu überzeugen vermag. |
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Die deutsche Herstellerfirma Gerstlauer aus dem
bayerischen Münsterhausen hat mit diesem Prototyp die
Generation Fun Coaster im Mittelsegment der Achterbahnen
mit Bravour fortgeführt. Gerade für kleinere bis
mittlere Parks ist diese Art von Coaster die beste Möglichkeit,
auf sich aufmerksam zu machen. Sogar ein vorläufiger
Achterbahnweltrekord wurde mit dieser Konfiguration erreicht.
Diverse Hersteller hatten in den vergangenen Jahren solche und ähnliche
Bahnen als Konzept präsentiert, so auch die aufstrebende
Firma Gerstlauer auf der Interschau, einer
deutschen Branchenmesse, im Jahre 2002 in Düsseldorf. Ein
Drahtmodell ihres auf den Namen Eurofighter getauften
Entwurfes durfte bestaunt werden und die Verantwortlichen des Bonbon-Landes
schlugen sofort zu. Zwar wurde nicht das vorgeschlagene Layout mit
seinen vier Inversionen gewählt - dies hätte das
familiäre Publikum des dänischen Parks sicherlich mehr
abgeschreckt als angelockt - doch für eine kleinere Variante
konnte man sich begeistern.
Für einen Park, dessen Achterbahngebot sich bisher auf zwei
kleine Zierer Bahnen beschränkt hatte, ist dies
trotzdem ein äußerst gewagter Schritt, der sich jedoch
auszahlte: Das Familienpublikum stürmte den Park regelrecht
und die Neuheit sorgte in der Saison 2003 mitunter für einen
Besucherzuwachs von 18 Prozent. Dabei werden selbst die kleinen
Knirpse nicht vergessen. Eine Mindestgröße von gerade
einmal 125 Zentimeter erlaubt auch ihnen die Teilnahme an der
Wildschwein-Rallye.
Eine Fahrfigur durfte in der kleineren customized Ausführung
des Bonbon-Landes selbstverständlich nicht fehlen: Das
Signature-Element, der bis zu 97 Grad steile First Drop,
der mit seiner senkrechten Auffahrt alles bisher Dagewesene in der
Kategorie Lifthills in den Schatten stellt. Mit Stolz führte
der Chef des Hauses, Hubert Gerstlauer, Interessierten auf
der Euro Amusement Show 2003 in Genua die neue Achterbahn
im filigranen Modell vor, keine vier Monate später sollte die
Eröffnung zelebriert werden.
In Sachen Schiene setzt Gerstlauer bei ihrem ersten Loopingcoaster
auf Bewährtes, in diesem Fall auf die klassische Zweigurtschiene,
die von den Anlagen des Typs Schlittenbahn übernommen wurde.
Einzig und allein die Spurweite wurde erheblich vergrößert.
Diese Konfiguration wird sogar im Vertikallooping beibehalten und
sorgt für eine recht ungewohnte optische Erscheinung.
Fahrzeuge, die Turmkonstruktion des First Drops und zusätzliche
Technik wie Wirbelstrombremsen als verschleißfreies und äußerst
sanftes Verzögerungsmittel wurden von Grund auf neu
konstruiert: Während die vier Untersätze "in House"
entwickelt und gefertigt wurden, überließ man die
Berechnung des Tracks dem Ingenieurbüro Stengel aus München.
Dieses optimierte bis zum Schluss den ersten Schuss und so sollte
es auch das letzte Fahrelement sein, welches den Track im Frühjahr
komplettierte. Senkrecht geht es hinauf und mit bis zu sieben
Winkelgraden zusätzlich wieder hinab.
Dass für den Hochtransport der Chaisen ein
neuartiger Mechanismus nötig war, steht außer Frage.
Die Kette wird über seitliche Führungsrollen an den
Gliedern über die konkave Krümmung am Fuße des
Lifthills geführt, ein an der Kette befestigter
Mitnehmer sorgt für den sicheren Halt der Chaise.
Dieses funktionsnotwendige Bauteil ist in doppelter Ausführung
vorhanden, so dass es nicht einen ganzen Umlaufzyklus bedarf, um
das nächste Fahrzeug emporzuschieben. |
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Speed
Bump und Schlussbremse |
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Streckenlänge |
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430 Meter |
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Höhe |
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22 Meter |
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Max. Geschwindigkeit |
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70 km/h |
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Max. Längsneigung |
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95° |
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Max. Querneigung |
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115° |
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Fahrzeuge |
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4, max. 8 Personen |
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Kapazität |
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1150 Personen pro Stunde |
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Design/Berechnung des Tracks |
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Stengel GmbH |
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Hersteller |
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Gerstlauer Elektro GmbH |
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Betreiber |
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Bonbon-Land, Dänemark |
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Eröffnung |
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16. Mai 2003 |
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Vild Svinet ist ein Fun Coaster par excellenze,
der sicherlich nur den Auftakt einer wahren Modellflut dieser
Serie bilden wird: Der First Drop ist einmalig, vor allem
in der zweiten Reihe! Dann nämlich wird die "Kehrtwende"
am höchsten Punkt mit einem ungeheurem Schub genommen, dem
sich ein unbeschreiblicher Sturz ins Bodenlose anreiht. Ein ähnlicher
Effekt in Sachen Reihenwahl existiert nur noch bei Bolliger &
Mabillards Diving Machine Oblivion im englischen Premiere Park
Alton Towers. Bei Vild Svinet ist dieses Erlebnis
sogar noch ausgeprägter.
Wir kommen wieder - Die nächste Station ist das belgische
Bobbejaanland: 2004 wird dort der erste Layoutentwurf des
Eurofighter ans Netz gehen. Die erste virtuelle Probefahrt
von Typhoon verspricht viel... |
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